PFAS in der Umwelt: So sollte die chemische Industrie jetzt handeln
Beschichtete Pfanne, Funktionskleidung oder feuerfeste Schaumstoffe: PFAS (per- und polyfluorierte Chemikalien) sind aufgrund ihrer chemischen Struktur echte Alleskönner. Aber gerade weil PFAS nicht nur wasser-, fett- und schmutzabweisend sind, sondern auch stabil gegenüber Hitze und Chemikalien, gelten sie als Ewigkeitschemikalien. Da sie sich sehr langsam abbauen, reichern sie sich in der Umwelt und im Körper an und stellen so ein Risiko für Umwelt und unsere Gesundheit dar. Welche Chancen und Risiken PFAS mit sich bringen, erklären die VDI-Experten Jona Schulze und Dr. Tobias Frische vom Umweltbundesamt.
PFAS steht für Per- und Polyfluoroalkyl Substanzen. Der Begriff bezeichnet eine Gruppe organischer Moleküle, welche eine Kohlenwasserstoff-Kette als Grundgerüst haben, wobei die H-Atome ganz (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluor-Atome ausgetauscht wurden.
Die technisch nützlichen Eigenschaften sind gleichzeitig Anlass zur Besorgnis im Blick auf das Verhalten in der Umwelt sowie die gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen und andere Lebewesen in der Umwelt. Die grundsätzliche besorgniserregende Eigenschaft, welche PFAS aufgrund ihrer chemischen Struktur mit sich bringen, ist die Persistenz. Persistenz bedeutet dabei, dass diese Substanzen unter Umweltbedingungen nicht auf natürlichem Wege abgebaut werden. Wenn sie einmal in die Umwelt gelangen, verbleiben sie dort für sehr lange Zeit und werden daher auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet.
Die Aufreinigung von PFAS-Kontaminationen z.B. im Boden und Grundwasser ist derzeit – wenn überhaupt – nur mit hohem technischem Aufwand in Verbindung mit hohen Kosten möglich. PFAS können während ihres gesamten Lebenszyklus in die Umwelt freigesetzt werden. Das beginnt mit der Herstellung. Relevante Pfade sind zum Beispiel Abwässer oder die Abluft von Industrieanlagen, so Dr. Tobias Frische vom Umweltbundesamt.
PFAS-Hotspots
Kleinräumige PFAS-Hotspots sind Standorte mit hohen PFAS-Belastungen im Boden und/oder Grundwasser und stehen oft im Zusammenhang mit der Verwendung fluorhaltiger Löschschäume bei Feuerwehreinsätzen und -übungen, z.B. an Flughäfen und Militärstandorten. Zudem gibt es großräumigere Hot-Spots infolge von Emissionen aus Anlagen der Fluorchemischen Industrie, hier wurden PFAS über Abluft und Abwasser in die Umwelt eingetragen, so Frische weiter. Bekannte Beispiele in Europa sind: Altötting/Gendorf in Deutschland, die Veneto Region in Italien, Dordrecht in den Niederlanden, Zwijndrecht in Belgien.
Warum ist das erst jetzt aufgefallen?
Das Wissen über die besorgniserregenden Eigenschaften von PFAS ist in den letzten Jahrzenten immer größer geworden. Dementsprechend gab es auch mehr und mehr Regulierungen. Die bisherigen Ansätze zur Regulierung haben sich jedoch als unzureichend herausgestellt und es kam wiederholt zu bedauernswerten Substitutionen d.h. eine regulierte Chemikalie wurde durch eine andere ersetzt, welche sich später als ebenso besorgniserregend herausgestellt hat. Das soll in Zukunft mit dem Vorschlag die gesamte Stoffgruppe zu beschränken verhindert werden, so VDI-Experte Jona Schulze. Eine vollständige Entfernung von PFAS aus belasteten Böden ist nach heutigem Kenntnisstand nur durch eine Hochtemperaturbehandlung möglich, deren Wirksamkeit insbesondere von der Verweilzeit und Turbulenz in der Brennkammer abhängt. Allerdings verliert der Boden dadurch seine biologische Funktion und kann nur noch als Füllmaterial verwendet werden. Die derzeitigen Standardtechnologien für Kläranlagen können PFAS nicht wirksam aus dem Abwasser entfernen. Sie müssten durch ähnliche Verfahrensschritte wie bei der Grund- bzw. Trinkwasseraufbereitung ergänzt werden, die jedoch teuer sind.
Welche Verantwortung trägt die Chemieindustrie?
Grundsätzlich gilt in der EU das Verursacherprinzip. Das heißt wenn durch unsachgemäße Handhabung oder Entsorgung Kontaminationen in der Umwelt entstehen müssen diese vom Verursacher beseitigt werden. Um die Umwelt effektiv vor negativen Einflüssen durch Chemikalien zu schützen sollte man allerdings früher Ansetzen und verhindern, dass für Mensch und Umwelt potenziell gefährliche Chemikalien überhaupt in die Umwelt gelangen. Dazu gehört auch den gesamten Lebenszyklus von Chemikalien bereits bei der Herstellung mitzudenken. Die Chemische Industrie sollte daher ihr Augenmerk auf safe and sustainable by design legen. In der Vergangenheit wurde zu häufig nur nach Drop in Alternativen zu besorgniserregenden Chemikalien gesucht und dabei lediglich die technische Funktion während der Verwendung berücksichtigt.
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