Physiker aus Saarbrücken und Kanada weisen erstmals flüssige Schicht auf Plastik nach

Das Video, das im Modell zeigt, wie sich eine flüssige Schicht im Laufe der Zeit glättet, steht unter http://www.uni-saarland.de/fileadmin/user_upload/Aktuelles/Presse/Pressefotos_allgemein/Pressefotos_speziell/Step_levelling.mov / Quelle: Uni Saarland
Zusammen mit kanadischen Forscherkollegen um Yu Chai hat der Saarbrücker Physiker Joshua McGraw in einer Studie erstmals nachgewiesen, dass es auf der Oberfläche von festen Kunststoffen eine rund 100 nm dünne flüssige Schicht gibt. Sie ist auch bei geringen Temperaturen vorhanden. Für Computerhersteller bedeutet dies beispielweise, dass es selbst bei niedrigen Temperaturen zu Änderungen einzelner Bauteile kommen könnte.
Das Video zeigt, wie sich die flüssige Schicht im Laufe der Zeit aufgrund der Oberflächenspannung glättet. Die Daten stammen von Proben, die bei Temperaturen nahe dem Schmelzpunkt des Plastiks untersucht wurden. Die Forscher um McGraw haben hierbei experimentelle Daten mit mathematischen Modellen verglichen. So können die Physiker die Proben als "fest" oder "flüssig" charakterisieren und auch den Phasenübergang dokumentieren. Video: Chai und Kollegen
Chemisch gesehen sind Kunststoffe langkettige Moleküle, auch Polymere genannt. Bei vielen Alltagsgegenständen liegt Plastik in fester Form vor – so kennen wir es zum Beispiel bei Plastikschüsseln, Kinderspielzeug oder Verpackungen. Es gibt aber eine bestimmte Temperatur, die so genannten Glasübergangstemperatur, oberhalb dieser aus der festen Masse eine zähflüssige Schmelze wird, so Joshua McGraw, der bei Physikprofessorin Karin Jacobs an der Universität des Saarlandes forscht. Bereits seit geraumer Zeit vermuten Wissenschaftler, dass Plastik und andere Polymere bei Temperaturen unterhalb dieser Glasübergangstemperatur eine dünne flüssige Schicht auf der festen Oberfläche besitzen.
Diese flüssige Schicht haben kanadische Physiker nun zusammen mit McGraw erstmals nachweisen können. Die Schicht ist kaum 100 nm dick und somit hundertmal kleiner als ein menschliches Haar. Die Wissenschaftler haben für ihre Studie winzige Plastikkügelchen unter dem Rasterkraftelektronenmikroskop bei unterschiedlichen Temperaturen untersucht. Dabei haben sie sich die Oberflächenspannung zunutze gemacht: Diese beruht auf Wechselwirkungen von Molekülen und sorgt dafür, dass sich eine Oberfläche glättet – wie es zum Beispiel bei einem Wassertropfen oder einer Seifenblase der Fall ist.
Das Team um McGraw hat beobachtet, dass sich die Oberfläche der Kügelchen mit der Zeit glättet, das heißt, es muss eine flüssige Schicht vorhanden sein. Des Weiteren haben die Physiker festgestellt, dass es auch dann noch zu Fließbewegungen kommt, wenn die Gefriertemperatur des Plastiks unterschritten wurde. Ihre Ergebnisse konnten sie neben den Experimenten in einem mathematischen Modell belegen.
Für viele Unternehmen könnten die Ergebnisse der Studie von Interesse sein: Plastik ist nach wie vor bei etlichen Produkten ein Hauptbestandteil. Für Computerhersteller bedeutet das beispielweise, dass es bereits bei niedrigen Temperaturen zu Änderungen der einzelnen Komponenten kommen könnte.
Neben dem Saarbrücker Physiker Joshua McGraw und den kanadischen Forschern um Yu Chai von der Universität Waterloo waren auch französische Wissenschaftler der École supérieure de physique et de chimie industrielles aus Paris an der Studie beteiligt. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht: Y. Chai, T. Salez, J. D. McGraw, M. Benzaquen, K. Dalnoki-Veress, E. Raphaël, J. A. Forrest: A Direct Quantitative Measure of Surface Mobility in a Glassy Polymer. DOI: 10.1126/science.1244845
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