Aus 4 mach 2 – Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe

Oberflächen 05. 11. 2024
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Körperpflege, Haarentfernung, Haarpflege, Bartrasur – Themen des alltäglichen Lebens bei Frauen und Männern. Das Unternehmen Braun begann seine Erfolgsgeschichte vor 100 Jahren mit Audiogeräten. Heute stehen in vielen unserer Haushalte seine Geräte zur Körperpflege. Um sie herzustellen, bedarf es vielerlei Produktionsschritte. Ein Wärmepumpentrockner trägt nun dazu bei, die hohe Qualität zu sichern und Energiekosten zu senken.

Der Elektrogerätehersteller Braun gehört heute zum US-amerikanischen Konzern Procter & Gamble. Am Standort in Kronberg im Taunus werden seit Jahrzehnten Rasierapparate hergestellt. Sie bestehen überwiegend aus Kunststoffteilen, die in der Inhouse-Galvanik beschichtet werden. Als einer der wichtigen Prozessschritte gilt das Trocknen der Teile nach der eigentlichen Beschichtung. Dieser letzte Prozessschritt funktioniert oft nicht richtig und blockiert somit mancherorts den Fertigungsablauf. So auch beim Unternehmen Braun, das vier Ablufttrockner im Einsatz hatte. Die Temperatur konnte wegen des Materials nicht erhöht werden. Das offene System belastete das Klima durch seine Abluft. Und die Energiebilanz mit insgesamt 96 kW war schlicht zu hoch. Es war Zeit für eine Innovation.

Heutzutage können diese Herausforderungen mit alternativen Entfeuchtungstechnologien gelöst werden. Wir haben mit der Kondensationstrocknung auf Wärmepumpenbasis eine optimale Lösung für unsere Trocknung gefunden, betont Jens Ohlenschläger, Project Manager bei Braun in Kronberg. ­Diese Art der Trocknung kommt aus dem ­Hause Harter. Das Allgäuer Unternehmen ist seit über 30 Jahren mit seiner eigens entwickelten Wärmepumpentrocknung am Markt. Die Trocknung von sensiblen Kunststoffteilen auf Gestellen gehört für den Trocknerhersteller zum täglichen Brot. Auf der Fachmesse SurfaceTechnology Germany in Stuttgart lernten sich Braun und Harter kennen.

Knifflige Geometrien testen

Zu Beginn eines Projekts bieten wir dem ­Interessenten immer Versuchstrocknungen in unserem Technikum an, erklärt Reinhold Specht, geschäftsführender Gesellschafter bei Harter. Wir haben mehrere Trockner zur Verfügung und stellen auch individuelle Aufbauten her, um realitätsgetreue Trocknungsversuche durchführen zu können. Das Technikum ist Versuchsstation und Ideenschmiede in einem. Ein Techniker prüft bei den Versuchen die Machbarkeit als solches und ermittelt die optimalen Parameter. Oft geht es ­einfach darum, die Vorgaben der Interessenten in punc­to Qualität, Temperatur und Zeit abzugleichen. Aspekte wie Luftgeschwindigkeit, Luftvolumenstrom und Luftführung spielen natürlich ebenso eine Rolle. Auch Braun hat sich auf diese Weise ein Bild davon gemacht, wie leistungsstark die Wärmepumpentrocknung ist.

Braun arbeitet in seiner Galvanikanlage mit einer Taktzeit von sechs Minuten. Es zeigte sich, dass sämtliche getesteten Bauteile nach maximal zehn Minuten vollständig trocken waren (Abb. 1). Dabei sei erwähnt, dass diese Kunststoffteile Versteifungen aufweisen. Diese Geometrie mit unterschiedlichen Ecken sorgt für eine gewisse Menge Wasserfracht nach der letzten Spüle. Exakt diese Ecken sind bei der Trocknung die wesentlichen Punkte. Bei anderen Teilen sind es ­Bohrungen oder Hinterschneidungen, auf die Harter sein ­Augenmerk legt. Und natürlich spielt die Temperatur eine große Rolle. Ab 70 °C wird es mit Kunststoff spannend, wie jeder Techniker weiß. Die Temperatur bei den Versuchen hier betrug 60 °C. Bei anderen Projekten werden auch immer wieder Temperaturen von 50 °C und weniger realisiert.

Abb. 1: Kunststoffteile für Rasierapparate werden bei 60 °C innerhalb von elf Minuten vollständig und schonend getrocknet

 

Trockene Luft erzeugen

Auf Basis der Trocknungstests werden bei Braun nun nur noch zwei Gestelltrockner als Lösung eingesetzt. Die Trockner sind mit ­einem Umluftsystem ausgestattet. Jeweils sechs ganz speziell für Harter angefertigte Ventilatoren sorgen für die richtige Umluft. Sie haben eine Luftleistung von je 6000 m3/h und eine Nennleistung von lediglich 0,5 kW. Harter schlug vor, noch zusätzliche Abblasdüsen in den Trocknern zu installieren. Sie können optional zugeschaltet werden, wenn die Bauteilgeometrie für die Trocknung zu schwierig ist. Durch das Abblasen wird die erste große Wasserfracht abgeführt, bevor die eigentliche Trocknung startet. Die Abblasung von Harter arbeitet druckluftfrei. Bisher wurde sie bei Braun nicht eingesetzt. Der Elektrohersteller ist jedoch hiermit auf noch schwierigere Fälle vorbereitet.

Über isolierte Rohrleitungen sind die Gestell­trockner mit einem Wärmepumpenmodul verbunden. Bei Braun war Platz genug, um das Modul direkt neben den Trocknern zu platzieren. Sehr oft sieht in Galvanikbetrieben und Galvanikanlagen die Situation jedoch völlig anders aus. Grundsätzlich kann das Modul auch in anderen Räumen oder Etagen aufgestellt werden. Dieses Modul stellt die erforderliche Prozessluft her. Auch dieses Modul ist für den Kondensationsprozess verantwortlich. Prozessluft bei Harter bedeu­tet außer­ordentlich trockene Luft. Weil sie ungesättigt ist, nimmt sie die vorhandene Feuchte extrem schnell auf. Diesen Umstand macht sich Harter zunutze. Durch Kondensation wird die Feuchte später aus dem Kreislauf abgeführt. Die Luftentfeuchtung ist eine der Erfolgsgaranten der Harter-Technologie.

Luft zielgenau führen

Bei Harter ist der Luftkreislauf geschlossen. Das bedeutet, dass diese Art der Trocknung grundsätzlich abluftfrei läuft. Das erhöht die Wirksamkeit des Systems um ein weiteres und schont natürlich auch Mensch und Material. Specht erläutert: Abluftfreies Trocknen bedeutet zudem, dass Betreiber gänzlich unabhängig von klimatischen und jahreszeitlichen Schwankungen sind. Die Belastung durch feuchtwarme Luft, wie wir sie inzwischen oft erleben, ist dann kein Thema mehr. Zusätzlich zu all dem spielt die Luftführung bei der Trocknung eine große Rolle. Es gilt, die Luftströme zielgenau über die zu trocknenden Bauteile zu führen. Die Harter-Trockner verfügen auch über automatische Deckelsysteme. Dies hilft bei der Luftführung und bei der Energieeinsparung, ergänzt Jens Ohlenschläger (Abb. 2).

Abb. 2: Gestelle mit teils stark schöpfenden Bauteilen befinden sich im Wärmepumpentrockner. Deckelsysteme sorgen für den Erhalt der wertvollen Wärme im System

Abb. 3: Kennzahlen der Trocknung im Vorher/Nachher-Vergleich

 

Stichwort Energie

Die Energiebilanz im Hause Braun wurde durch die neue Trocknung deutlich verbessert (Abb. 3). Von ehemals 96 kW auf ­heute 22 kW entspricht einer Verringerung von über 78 %. Und wir haben mit einer staatlichen Förderung noch einen weiteren Bonus bekommen, resümiert Jens Ohlenschläger ­zufrieden.

Bereits 2017 wurden Harter-Trockner als förderwürdige Zukunftstechnologie eingestuft und werden seitdem vom Staat bezuschusst. Somit ist die Wärmepumpentrocknung eine ökologisch, technisch und wirtschaftlich sinnvolle Art der Trocknung.

Kontakt

Reinhold Specht, Harter GmbH, Tel.: +49 8383-9223-0

Jens Ohlenschläger, Procter & Gamble Manufacturing GmbH, Tel.: +49 173-3254818

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