Anwendungen und Verfahren der Oberflächentechnik, die beeindrucken

Oberflächen 06. 12. 2020

Verleihung des Preises DIE OBERFLÄCHE 2020 für Verfahren aus unterschiedlichen ­Bereichen der Oberflächentechnik erstmals per Videokonferenz

In normalen Zeiten wird der Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis DIE ­OBERFLÄCHE auf der internationalen Fachmesse Surface Technology Germany verliehen; in 2020 erfolgte die Preisverleihung aufgrund der Pandemie-bedingten Absage der Messe am 16. November per Videokonferenz.

Die Oberflächentechnik ist maßgeblich am Innovationsgrad und Fortschritt ­zahlreicher Branchen beteiligt, was aber in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Der Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis DIE OBERFLÄCHE hat deshalb das Ziel, diese allgegenwärtige und dennoch oft übersehene Querschnitts- und Schrittmachertechnologie zu würdigen und neuartige Anwendungen aus diesem Bereich voranzutreiben, wie die Juroren Dr. Martin Metzner (Fraunhofer IPA), Dr. Michael Hilt (Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V. (FPL)) und Dr. Martin Riester (VDMA) betonen. Seit 2012 werden mit diesem im Abstand von zwei Jahren vergebenen Preis innovative Ideen ausgezeichnet.

Anhand der Kriterien Innovationsgrad, Nachhaltigkeit, Enabler-Qualitäten und industrielle Machbarkeit haben die Juroren die drei Preisträger aus 23 Bewerbungen ausgewählt. Die Preisträger hatten vorab in einem Paket die Preise, bestehend aus einer dekorativen Figur und einer Urkunde, erhalten. Das Paket durfte aber erst zur Verleihung geöffnet werden, so dass die Spannung bis zur Siegerehrung am 16. November aufrechterhalten wurde. Zu den Kriterien der Preisvergabe zählt, dass sich die gewürdigten Entwicklungen für die industrielle Umsetzbarkeit eignen. Dies unterstreicht den hohen Nutzen der Verfahren und erlaubt es, deren Vorteil durch Zahlen und Fakten zu unterstreichen.

Trophäen zum Preis DIE OBERFLÄCHE 2020 (Bild: Fraunhofer IPA)

Jury (links) und Preisträger während der virtuellen Preisverleihung(Bild: Fraunhofer IPA)

 

Funktionelle Rhodium-­Ruthenium-Schicht

Mit dem dritten Platz ausgezeichnet wurde die neuen galvanische Beschichtung Rhoduna Alloy der Umicore Galvanotechnik in Schwäbisch Gmünd. Das von Uwe Manz und Martin Stegmaier vorgestellte Verfahren ermöglicht die Herstellung von langlebigen Kontakten im Bereich der Elektronik. Die Rhodium-Ruthenium-Legierung wird vor allem für Kontakte von Chipkarten oder Steckkontakten elektronischer Geräte, die für den Einsatz in allen Klimabereichen geeignet sind und zugleich den geringstmöglichen Ressourcenverbrauch besitzen, eingesetzt. Für die neue Beschichtung wurde ein Verfahren der Legierungsabscheidung von Rhodium und Ruthenium aus dem dekorativen Bereich so abgewandelt, dass sie für den funktionalen Einsatz, beispielsweise für die Abscheidung in einer Bandgalvanik, geeignet ist.

Das Verfahren wird von der geehrten Arbeitsgruppe der Umicore in einem eigenen Beitrag in dieser Ausgabe dargestellt.

Druckverfahren für ­Dichtstoffauftragung

Den zweiten Platz belegte das ­Verfahren IDDA.Seal zur Dichtstoff­applikation, mit dem komplexe Geometrien abgedichtet werden können. Das Verfahren ist eine Gemeinschaftsentwicklung der Atlas Copco IAS GmbH aus Bretten und der Audi AG. Der Dichtstoff wird in Tropfenform hocheffizient und flexibel aufgebracht und ist bei der Audi AG im Einsatz. IDDA.seal steht für Intelligente Dynamic Drop Application. Hierbei werden einzelne PVC-Tropfen mit hoher Frequenz aneinandergereiht, was eine geschlossene und homogene PVC-Applikationsbahn ergibt. Dabei kann jeder Tropfen einzeln gesteuert werden. Das Verfahren kommt damit den Forderungen nach einer immer komplexeren Dichtstruktur nach, was beispielsweise auf die steigende Bauraumproblematik zurückzuführen ist.

Bisher waren dafür erhebliche ­manuelle Nacharbeiten erforderlich. Mit dem neuen Verfahren ist eine beliebig dicke Raupe mit unterschiedlicher Breite bei gleichzeitig randscharfer Auftragung möglich. Da jeder einzelne Tropfen des Auftrags separat gesteuert werden kann, kann der Applikationsabstand deutlich erhöht werden und zudem ein Auftragswinkel außerhalb von 90° gewählt werden. Beim Abfahren der Dosiereinrichtung werden fünf Tropfen mit variablem Volumen nebeneinander platziert. Nach dem Auftreffen der Tropfen entsteht eine geschlossene und blasenfreie Dichtmittelbahn. Eine Naht entsteht schließlich durch unterschiedliche Feinstrukturen (z. B. kleine oder große Tropfen, geringere oder höhere Dicke).

Dichtstoffapplikation mit dem neuen System IDDA.Seal (Bild: Atlas Copco IAS GmbH)

 

Insgesamt ergibt sich daraus ein sehr dynamisches System, das zu einer Einsparung beim PVC-Material sowie bei der Nacharbeit führt, sich gleichzeitig aber durch eine sehr hohe Prozesssicherheit auszeichnet. Vorteilhaft ist zudem die Erhöhung der Freiheitsgrade bei der Karosseriegestaltung. Eingesetzt wird die Technik beispielsweise für Lampentöpfe bei Fahrzeugen oder beim Nahtabdichten am Unterboden und im Innenraum von Fahrzeugen.

Der Applikator für die Auftragung wurde so konstruiert, dass nur der Düsenbereich getauscht werden muss, um unterschiedliche Nahttypen zu erzeugen. Ein weiterer Vorzug des Verfahrens ist, dass das bestehende PVC-Material verwendet werden kann.

Vergleich der Dichtstoffauftragung mit klassischen Verfahren und dem neuen IDDA.seal (Bild: Atlas Copco IAS GmbH)

 

Lackiertechnik der ­höchsten Umweltgüte

Den ersten Platz errang der integrierte Lackierprozess Eco Paint Process Trucks (EP-T) für Fahrerhäuser von Lastkraftwagen. Mit dem Verfahren der Daimler Truck AG ist es möglich, das Gehäuse zu lackieren, ohne dieses zu bewegen. Umgesetzt wurde das Projekt in einem Werk von Daimler in Russland.

Eco Paint Process Trucks« in Aktion bei der Daimler Truck AG (Bild: Daimler Truck AG)

 

Für diese Art der Lackierung werden hoch festkörperhaltige Lacke (VHS), die mittels UV-Licht aushärten, eingesetzt. Mit den bei 80 °C aushärtenden Lacken ist es möglich, den Grund- und Decklack nass in nass aufzutragen und damit die Taktzeit deutlich zu verkürzen. Im Vergleich zu konventionellen Wasserlacken wird durch den UHS-Lack deutlich weniger Material benötigt, und somit eine erhebliche Ressourceneinsparung erzielt. Des weiteren kann durch den Einsatz des neuen Lacksystems bei einem deutlich erweiterten Fenster für Umgebungstemperatur und Umgebungsfeuchte gearbeitet werden, was wiederum eine erhöhte Umweltfreundlichkeit bedeutet.

Der Einsatz des neuen Verfahrens schloss Anpassungen am Lacksystem sowie die Anpassung der Roboterbewegungen ein. Erreicht wurde eine deutliche Einsparung an Kohlenstoffdioxid und an Energie. Aufgrund einer kürzeren Prozessdauer arbeitet das Verfahren mit einer geringeren Anzahl an Lackierrobotern und einer kleineren Anlagengröße im Vergleich zu den bisher üblichen Lackiereinrichtungen für Fahrzeuge.

Das Team der Daimler Truck AG: (von links) Guido Helm, Achim Bergfort, Martin Schorsch, Gero Weckerle, Thomas Steigleder (Bild: Daimler Truck AG)

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