Die 28. Fachtagung Industrielle Bauteilreinigung am 4. und 5. April 2019 in Ulm nutzten 116 Teilnehmer, um ihr Wissen zur Bauteilreinigung zu vertiefen und sich über aktuelle Entwicklungen und Trends zu informieren. Die vom Fachverband Industrielle Teilereinigung e. V. (FiT) veranstaltete Fachtagung unter dem Motto Perfektion und Innovation prägen die Bauteilreinigung der Zukunft bot dafür Grundlagen und Expertenwissen zu bewährten und neuen Lösungen sowie Erfahrungsaustausch am runden Tisch und in der begleitenden Ausstellung mit 20 Unternehmen.
Bei einer großen Zahl von Werkstücken zählen definierte Anforderungen an die Sauberkeit heute zu den Bauteilspezifikationen. Welche Sauberkeitsansprüche dabei zu erfüllen sind, wird jeweils durch die Anforderungen des nachfolgenden Prozesses beziehungsweise die Bauteilfunktion definiert. Die zuverlässige und wirtschaftliche Entfernung von partikulären und filmischen Verunreinigungen sowie die Erhaltung des Sauberkeitszustandes sind daher essentielle Bestandteile einer stabilen und qualitätsorientierten Fertigung. Die von fairXperts organisierte Fachtagung Industrielle Bauteilreinigung zeigte dafür Lösungen auf. Gleichzeitig verdeutlichte sie, dass Sauberkeit ein Thema entlang der gesamten Fertigungs- und Lieferkette ist. Die Gesamtbewertung der Tagung mit der Note 1,7 sowie durchweg positive Kommentare der Teilnehmer belegen, dass der FiT mit dem Programm Antworten auf die Fragestellungen der Anwender und der Branche gegeben hat.
Hohe Prozess- und Produktqualität durch abgestimmte Lösungen
Der erste Veranstaltungstag startete mit einem Einführungsvortrag des stellvertretenden FiT-Vorstands und Tagungsleiters Prof. Dr. Lothar Schulze, in dem er die Zusammenhänge von Prozess- und Produktqualität erläuterte. Dabei legte er dar, dass eine hohe Produktqualität nur durch klar definierte Angaben für eine ausreichende Bauteilsauberkeit sichergestellt werden kann. Daraus erwächst die konkrete Forderung nach Vorgaben zu Soll- und Grenzwerten sowie deren kontinuierliche Kontrolle. Dies wiederum setzt definierte Anforderungen an den Prozess voraus, durch welche die Soll- und Grenzwerte eingehalten werden können.
Ulrike Kunz, Surtec Deutschland GmbH, zeigte Grundlagen und verfahrenstechnische Lösungen für eine optimale Bauteilreinigung am Beispiel der Medizintechnik auf. Anhand einer Prozesskettenbetrachtung veranschaulichte sie, welche Faktoren (z. B. Bauteilwerkstoff, Verunreinigungen, Fertigungsschritt, Sauberkeitsanforderungen) bei der Auswahl des geeigneten Reinigungsmediums und -verfahrens in den Entscheidungsprozess einbezogen werden sollten.
Anschließend stellte Franziska Link, SEW-Eurodrive GmbH & Co. KG, die eingeschlagenen Schritte zur Optimierung eines Reinigungsprozesses in der Getriebefertigung vor. Das Ziel dabei war, bei bearbeiteten Graugussteilen durch den Umstieg von einer Eisenphosphatierung auf einen aminhaltigen, temporären Korrosionsschutz die Oberflächenqualität zu verbessern, Überwachungsaufwand und Anlagenbelastung zu verringern sowie die Anlagenverfügbarkeit durch reduzierte Taktzeiten zu erhöhen. Die während der Optimierung durchgeführten Serienversuche machten unter anderem deutlich, dass das System aus Kühlschmiermittel, Anlagentechnik und Reinigungsmedium maßgeblich für die Prozessfähigkeit verantwortlich ist und daher immer betrachtet werden sollte.
Um die Optimierung des Reinigungsprozesses bei der Herstellung keramischer Bauteile ging es im Vortrag von Jens Emmerich, BCD Chemie GmbH, und Uwe Remme, Cera System Verschleißschutz GmbH. Die Umsetzung erfolgte anhand eines Optimierungsplans, dessen erster Schritt die Auswertung des Ist-Zustandes war. Nach der Auswahl der für Material, Verschmutzung und Anlagentechnik optimalen Chemie wurden zunächst Reinigungsversuche im Labor durchgeführt. Auf Basis der ausgewerteten Versuchsergebnisse erfolgten Versuche mit den vorhandenen Reinigungsanlagen direkt im Prozess inklusive Kontrolle der Reinigungsmedien und eine erneute Auswertung. Durch die Prozessoptimierung konnte die Nachbearbeitungsquote von drei Prozent auf Werte unter ein Prozent gesenkt und die Medienstandzeit trotz gesteigerter Anlagenauslastung von 40 auf 60 Schichten erhöht werden.
Markus Mitschele, Höckh Metall-Reinigungsanlagen GmbH, und Michael Onken, Safechem Europe GmbH, nahmen in ihrem Gemeinschaftsvortrag die Teilnehmer mit auf eine Reise durch die Geschichte der Lösemittelreinigung. Am Beispiel der Luftfahrtindustrie verdeutlichten sie die Entwicklungen auf Anlagen- und Medienseite. Sie ermöglichen, dass bei gleicher Eignung von wässriger und Lösemittelreinigung, letztere oftmals die wirtschaftlichere und prozesssichere Alternative ist.
Eine neue Dimension des bewegten Reinigens stellte Stefan Schaal, Mafac – E. Schwarz GmbH & Co. KG, mit der Vektorkinematik vor. Im Gegensatz zu einem starren oder nur rotierenden Düsenrohr erreicht das rotierende und in einem Bereich von 70° schwenkende Düsenrohr dieser neuen Entwicklung eine um 60 Prozent höhere Beaufschlagung der Bauteile, Sacklöcher und Hinterschneidungen und vermeidet Spritzschatten. Gleichzeitig wird die Trocknung verbessert und beschleunigt, so dass sich die Taktzeit insgesamt spürbar verkürzt.
Mit der Anlagenkomponente Partikelfilter beschäftigte sich das Referat von Stefan Barwig, Filtertechnik Jäger GmbH. Er erläuterte dabei den Unterschied zwischen Nominal- und Absolutfilter und stellte ein neues High-Flow Filterelement vor, das in bestehende Filtergehäuse integriert werden kann. Durch eine signifikant vergrößerte Filterfläche sorgt es auch bei anspruchsvollen Anforderungen an die Filtration dafür, diese wirtschaftlicher durchzuführen, da sich die Standzeit der Filter deutlich erhöht.
Die Sicherung der Produktqualität durch Benetzungskontrolle stand im Fokus des Vortrags von Tilo Zachmann, Sita Messtechnik GmbH. Konkret ging es dabei um die Identifikation von filmischen (Rest-)Verunreinigungen auf Bauteilen. Zu den dafür vorgestellten, drei Verfahren zählte eine neue Lösung zur automatisierten Kontaktwinkelmessung, die insbesondere bei der Kontrolle der Benetzbarkeit von Kunststoffbauteilen Vorteile bietet.
Welche Dienste Six-Sigma-Methoden in der industriellen Bauteilreinigung leisten können, um einen fähigen Reinigungsprozess auszulegen und zu beherrschen, erfuhren die Teilnehmer von Almut Melzer, Six Sigma TC GmbH, und Dr. Michael Flämmich, Vacom Vakuumkomponenten & Messtechnik GmbH. Über das brandneue, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Projekt UltraRein berichtete Christoph Tammer von der Fraunhofer-Einrichtung für Gießerei-, Composite und Verarbeitungstechnik IGCV. Ziel des Projekts ist es, ein intelligentes Multisensorsystem zu entwickeln, mit dem sich die Ultraschallwirkungskette in Reinigungsanlagen vollständig überwachen lässt und das dadurch ein neues Niveau in der Datenerfassung ermöglicht. Die Vorteile, die sich daraus ergeben sollen, reichen von effizienteren Methoden zur Entwicklung und Auslegung von Ultraschallreinigungsanlagen bis zur Integration der Ultraschallreinigung in wissensbasiert und adaptiv gesteuerte Prozessketten der Industrie 4.0.
Die Bauteilreinigung der Zukunft
Der zweite Veranstaltungstag stand ganz im Zeichen der Bauteilreinigung der Zukunft. Dafür wurden bereits heute verfügbare Lösungen präsentiert. Dazu zählte eine von Magnus Irion, Ecoclean GmbH, vorgestellte Cloud-Lösung für die Digitalisierung von Reinigungsanlagen. Es lassen sich damit beispielsweise sowohl die Daten rund um den Reinigungsprozess als auch die dazugehörigen Betriebsdaten der Anlage inklusive der gesamten Datenhistorie jederzeit abrufen, was eine durchgängige Dokumentation gewährleistet. Darüber hinaus können beispielsweise Key Performance Indikatoren (KPI) und die Overall Equipment Effectivness (OEE) berechnet werden.
Der Vortrag von Dr. Sebastian Wex, RJL Micro & Analytic GmbH, beschäftigte sich mit Online-Sensorik für die kontinuierliche Sauberkeitskontrolle. Nach einem Überblick über bereits vorhandene Methoden und Verfahren stellte er ein neues technisches Konzept zur Detektion partikulärer Verunreinigungen durch industrielle Bildgebung vor.
Die Digitalisierung von Reinigungsprozessen, in diesem Fall einer trockenen CO2-Schneestrahlreinigung, stand im Mittelpunkt des Referats von Dr. Günther Schmauz, acp systems AG. Mit Hilfe eines neu entwickelten Sensorsystems lässt sich die Schneestrahlgüte – der wesentliche Prozessparameter für die Stabilität des Reinigungsprozesses – kontinuierlich überwachen. Der ermittelte Wert wird in eine digitale Information umgewandelt und kann jedem einzelnen Bauteil zugeordnet und beispielsweise mittels IO-Link an die übergeordnete Prozessleitebene übergeben werden.
Den Abschluss der Veranstaltung bildeten Rundtischgespräche zu den Themengebieten Chemie und Verfahren, Anlagentechnik sowie Messen, Prüfen und Steuern. Moderiert von den jeweiligen FiT-Fachausschussleitern diskutierten Tagungsteilnehmer, Referenten und Aussteller dabei über künftige Anforderungen und Entwicklungen sowie die Zukunft der Bauteilreinigung. Die nächste Fachtagung Industrielle Teilereinigung findet am 12. und 13. März 2020 in Ulm statt.Doris Schulz