Spezifikationen zur technischen Sauberkeit finden sich inzwischen in vielen Branchen ebenso selbstverständlich auf Konstruktionszeichnungen wie Angaben zu Bauteilabmessungen. Dabei rücken neben partikulären Verunreinigungen immer häufiger filmische Rückstände in den Fokus.
Die Sauberkeit von Bauteiloberflächen zählt heute in nahezu allen Branchen zu den wichtigen Qualitätsmerkmalen. Dabei standen in den vergangenen Jahren vor allem partikuläre Verunreinigungen im Mittelpunkt. Inzwischen werden jedoch auch filmisch/chemische Verschmutzungen, zum Beispiel Öle, Fette, Kühlschmierstoffe, Rückstände von Korrosionsschutzmitteln und Konservierungsstoffen, Trennmitteln sowie von weiteren Fertigungshilfsstoffen zunehmend als qualitätsbeeinflussend wahrgenommen. Denn sie können für nachfolgende Fertigungsschritte wie Kleben, Schweißen, Härten, Beschichten, Lackieren, Bedrucken und Montage sowie für die Funktion der Bauteile störend sein. Flecken, Fingerabdrücke, Reste von Reinigungs- und Spülmedien sowie je nach Branche biologische und ionische Kontaminationen können Folgeprozesse ebenfalls beeinträchtigen.
Daraus resultiert, dass Teilehersteller und Betreiber von Reinigungssystemen immer häufiger mit der Sauberkeitsanforderung öl- und fettfrei konfrontiert werden. Diese Vorgabe beschreibt allerdings keine quantifizierbare Sauberkeitsspezifikation. Zugegebenermaßen gestaltet sich die Definition von Grenzwerten bei filmischen Verunreinigungen deutlich schwieriger als bei Partikeln. Grund dafür ist nicht zuletzt, dass es in diesem Bereich für viele Fragestellungen noch keine geeigneten Messverfahren gibt. Industrie, Verbände und Forschungseinrichtungen arbeiten an entsprechender Messtechnik sowie an Handlungsempfehlungen und Regelwerken. Dazu zählt unter anderem die Richtlinie Filmische Verunreinigungen beherrschen, die vom Fachverband industrielle Teilereinigung (FiT) basierend auf dem verfügbaren Stand der Technik erarbeitet wurde und auf der diesjährigen parts2clean vorgestellt wird.
Verfahren zum Nachweis filmischer Verunreinigungen
Um filmische Verunreinigungen auf Bauteiloberflächen nachzuweisen, stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Mit den einzelnen Methoden lassen sich üblicherweise bestimmte Substanzen beziehungsweise Bestandteile filmischer Verunreinigungen aufspüren. Je nach Aufgabenstellung kann es daher sinnvoll sein, mehrere Verfahren anzuwenden. Nachfolgend werden einige der meistverwendeten beziehungsweise neu entwickelten Methoden vorgestellt.
Die Sichtprüfung, die visuell sowie gegebenenfalls unterstützt durch UV- oder Weißlicht erfolgt, zählt zu den einfachsten Nachweismethoden. Filmische Verunreinigungen lassen sich damit meist nur in schweren Fällen nachweisen.
Jedes Material hat eine ihm eigene Oberflächenenergie (gemessen in mN/m = Millinewton pro Meter). Darauf basiert der Einsatz von Testtinten. Es lässt sich damit bestimmen, ob die Oberfläche durch eine Flüssigkeit benetzbar ist oder diese abperlt. Im letzteren Fall ist von einer nicht ausreichenden Reinigung auszugehen. Zur einfachen und schnellen Überprüfung der Oberflächenenergie stehen so genannte Testtinten – Flüssigkeiten mit definierten Oberflächenspannungen (von 18,4 mN/m bis 105 mN/m) – und Teststifte zur Verfügung. Es empfiehlt sich, die Testtinten jeweils mit einem unbenutzten, sauberen Wattestäbchen aufzutragen und dieses nicht erneut in die Tinte zu tauchen. Dadurch lassen sich Verunreinigungen der Tinte und damit eine Verfälschung des Ergebnisses vermeiden.
Um die Benetzbarkeit der Bauteiloberfläche, die für die Qualität von Beschichtungen und Verklebungen von entscheidender Bedeutung ist, geht es auch bei der Kontaktwinkelmessung. Der Kontaktwinkel, auch Grenz- oder Benetzungswinkel, bezeichnet dabei den Winkel, den ein Flüssigkeitstropfen an der Oberfläche eines Feststoffs bildet. Je kleiner der Kontaktwinkel ist, desto besser lässt sich die Bauteiloberfläche von der Flüssigkeit benetzen. Bei einer Kontaktwinkelmessung wird mittels eines Dosiersystems ein Tropfen einer Testflüssigkeit auf die zu untersuchende Bauteiloberfläche aufgebracht. Die Kontur des Tropfens wird mit einer Kamera aufgenommen und das Videobild ausgewertet. Inzwischen stehen für die Messung auch mobile Geräte zur Verfügung, die zum Teil zwei Testflüssigkeiten – eine polare und eine unpolare – gleichzeitig einsetzen. Mit nur einem Klick werden beide Flüssigkeiten vollautomatisch parallel dosiert und alle Kontaktwinkel gleichzeitig analysiert. Das Ergebnis der Messung erlaubt fundierte Aussagen über die Benetzbarkeit durch wässrige oder organische Flüssigkeiten, zum Beispiel für Beschichtungen.
Mit der Kontaktwinkelmessung kann die Benetzbarkeit einer Oberfläche zuverlässig ermittelt werden (Bild: Krüss GmbH)
Beim mobilen Messgerät werden zwei Testflüssigkeiten vollautomatisch parallel dosiert und alle Kontaktwinkel gleichzeitig analysiert (Bild: Krüss GmbH)
Bei der Aerosol-Benetzungsprüfung erzeugt ein Ultraschallzerstäuber ein definiertes Wasseraerosol. Es bildet abhängig von der Oberflächenenergie der zu prüfenden Oberfläche ein spezifisches Tropfenmuster. Die Tropfen werden automatisch von einem Kamerasystem aufgenommen und mithilfe einer Bildverarbeitungssoftware dargestellt. Anhand der Tropfengrößenverteilung kann die Benetzungsfähigkeit der Oberfläche charakterisiert werden. Das Verfahren ist sowohl zur automatisierten Kontrolle der Benetzungsfähigkeit von Oberflächen im industriellen Umfeld als auch für Laboruntersuchungen einsetzbar.
Die Fluoreszenzmessung basiert auf der Eigenschaft organischer Substanzen wie Ölen, Fetten und Wachsen, bei Anregung mit UV-Licht zu fluoreszieren. Nicht-fluoreszierende Stoffe, wie beispielsweise Silikonöle, können durch die Beimischung von fluoreszierenden Farbstoffen als Fluoreszenzmarker detektierbar gemacht werden. Für die Anregung kommen bevorzugt definierte, geregelte und möglichst überwachte UV-Lichtquellen zum Einsatz. Die Fluoreszenzintensität wird durch einen Photodetektor erfasst. UV-Reflexionsanteile werden durch Spektralfilter entfernt. Für diese bewährte und schnelle Methode zum berührungslosen Nachweis von organischen Substanzen direkt auf Metalloberflächen stehen kompakte Handmessgeräte zur Verfügung, die fertigungsnah und flexibel auf kleinen und großen Bauteilen eingesetzt werden können. Darüber hinaus ermöglichen Inline-Messsysteme die fertigungsintegrierte 100-%-Kontrolle. Die gemessene Fluoreszenzintensität wird meist in relativen, normierten Einheiten, beispielsweise RFU (Relative Fluorescence Unit) ausgegeben. Je höher die Fluoreszenzintensität, desto mehr Restschmutz befindet sich auf dem Teil.
Die beschriebenen Verfahren ermöglichen eine qualitative oder semi-quantitative (vergleichende) Bewertung des Sauberkeitszustandes. Außerdem können sie einen Hinweis zur Ursache beziehungsweise Herkunft der Verunreinigungen liefern. Dagegen lassen sich mit Hilfe der vakuuminduzierten Desorption chemisch-filmische Verunreinigungen nicht nur auf der gesamten Produktoberfläche nachweisen, sondern die Verunreinigungen auch eindeutig identifizieren und ihren Ursachen zuordnen. Das Messgerät liefert quantitative Messwerte in Gramm pro Oberfläche oder pro Bauteil und ermöglicht damit die Festlegung zweckmäßiger Prüfwerte. Sowohl einzelne Bauteile als auch Baugruppen können zerstörungsfrei und vollautomatisch direkt in der Prozesskette geprüft werden.
VDA 19 – Standardwerk für partikuläre Sauberkeit
Geht es um partikuläre Verunreinigungen, haben sich die VDA 19, Teil 1 (Prüfung der Technischen Sauberkeit – Partikelverunreinigung funktionsrelevanter Automobilteile) und Teil 2 (Technische Sauberkeit in der Montage – Umgebung, Logistik, Personal und Montageeinrichtungen) als Standardwerke etabliert – und das weit über die Automobilindustrie hinaus. Das internationale Pendant von Teil 1, die ISO 16232, wurde inzwischen ebenfalls an die seit 2015 erhältliche Ausgabe der überarbeiteten VDA 19 angepasst.
Mittels bildgebendem Fluoreszenzmessverfahren lassen sich lackbenetzungsstörende Verunreinigungen detektieren und unterscheiden, beispielsweise Schmierfett auf einer Lkw-Achse (Bild: Fraunhofer IVV)
Im Bereich der fertigungsnahen beziehungsweise -integrierten Partikelgrößenanalyse liegt der Fokus inzwischen auf Lösungen, die eine produktionsintegrierte beziehungsweise produktionsnahe Kontrolle der partikulären Sauberkeit erlauben. Für die automatisierte Inline-Kontrolle der partikulären Sauberkeit steht mittlerweile ein Messsystem zur Verfügung, das über eine Schnittstelle komplett in die Reinigungsanlage beziehungsweise einen Funktionsprüfstand integriert werden kann. Es arbeitet analog zur Sauberkeitsanalytik im Labor mit Filtration und lichtoptischer Auswertung. Für die Auswertung wird das Medium direkt nach dem letzten Reinigungs- oder Spülschritt automatisch in die Messzelle geleitet. Hier erfolgt die Extraktion der im Medium enthaltenen Partikel auf einen Analysefilter, der anschließend mittels Bildverarbeitung ausgewertet wird. Dies beinhaltet eine automatische Partikelklassifizierung (Größe mit Zuordnung zur jeweiligen Partikelgrößenklasse nach VDA 19.1 und metallischer Glanz). Das Ergebnis steht innerhalb von 30 Sekunden zur Verfügung, so dass bei einem n. i. O-Befund sofort Maßnahmen ergriffen werden können. Alle Messergebnisse (Messwerte und Ergebnisbild) werden gespeichert.
Eine fertigungsnahe Extraktion und -auswertung erlaubt die Entwicklung eines Partikel-Staubsaugers. Dabei handelt es sich um einen mit einer Membranaufnahme modifizierten Staubsauger. Es lassen sich damit Partikel aus Innenräumen von Bauteilen absaugen und direkt auf ein auswertbares Filter ablegen. Das so entstandene Präparat kann mit einem Partikelscanner schnell ausgewertet werden. Doris Schulz
Komplett in die Reinigungsanlage integriertes Messsystem Puricheck mit Filtration und lichtoptischer Auswertung(Bild: Nägele Mechanik GmbH / Fraunhofer IPA)