Chromtrioxid im Spannungsfeld von „unersetzlich“ bis „verteufelt“ ...

Oberflächen 08. 08. 2017

– Das Sunset Date steht unmittelbar vor der Tür!

Von Dr. Joachim Heermann, Geislingen

1 Fakten zu Chromtrioxid

Chromtrioxid (Cr2O3, CAS-Nr. 1333-82-0) beziehungsweise seine wässerige Lösung Chromsäure (H2CrO4, CAS-Nr. 7738-94-5), eine nicht nur in der Oberflächen- und Galvanotechnik vielseitig einsetzbare Chemikalie, ist seit einigen Jahren im Zusammenhang mit der Europäischen Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, besser bekannt unter der Bezeichnung REACh, unter heftigen behördlichen Beschuss geraten. Seit dem 15. Dezember 2010 befindet sie sich deshalb auf der Kandidatenliste (SVHC-Liste), knappe drei Jahre später am 17. April 2013 wurde sie in den Anhang XIV der REACh-Verordnung (Liste der zulassungspflichtigen Stoffe) auf­genommen.

Der Anhang XIV legt für jeden in diesem Verzeichnis aufgeführten Stoff das Datum (den sogenannten Ablauftermin) fest, ab dem das Inverkehrbringen und die Verwendung dieses Stoffes verboten sind, es sei denn, es gilt eine Ausnahmeregelung, es wurde eine Zulassung erteilt oder es wurde ein Zulassungsantrag vor Ablauf der ebenfalls in Anhang XIV festgelegten Antragsfrist eingereicht, über den die EU-Kommission aber noch nicht entschieden hat.

2 Kandidatenliste und Anhang XIV

Die Aufnahme auf die Kandidatenliste und in den Anhang XIV löst jeweils unterschied­liche Verpflichtungen für die Akteure der Lieferkette (Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender) aus. Unter die Pflichten für die nachgeschalteten Anwender fallen bei Aufnahme auf die Kandidatenliste die Mitteilungspflicht gemäß Artikel 7 Absatz 2 gegenüber den Behörden, die Informationspflicht gemäß Artikel 33 gegenüber den Kunden bei Erzeugnissen sowie die Aufnahme des SVHC-Stoffs in das Sicherheitsdatenblatt bei Gemischen und im Falle der Aufnahme in ­Anhang XIV die Notifikationspflicht gemäß Artikel 66 im Zusammenhang mit Artikel 56 Absatz 2. Als sogenannter besonders besorgniserregender Stoff (Substance of Very High Concern, SVHC) erfüllte Chromtrioxid auf Grund seiner intrinsischen Eigenschaften alle Kriterien der REACh-Verordnung, um einem Zulassungsverfahren unterworfen zu werden. Chromtrioxid weist CMR-Eigenschaften auf, das heißt, der Stoff ist als karzinogen, muta­gen und reproduktionstoxisch ein­gestuft worden.

3 Zulassung und Sunset Date

Nun steht das Sunset Date unmittelbar bevor! Am 21. September 2017 läuft die Frist ab, bis zu der eine Verwendung von Chromtrioxid ohne Zulassung möglich ist. Zahlreiche Antragsteller (Konsortien und Einzel­antragsteller) haben sich damit beschäftigt, Zulassungsanträge für unterschiedliche Verwendungen bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) in Helsinki einzureichen, um die Verfügbarkeit über den 21. September hinaus gewährleisten zu können — so auch das CTAC- beziehungsweise CTAC-Sub-Konsortium (Chromium Trioxide ­Authorization Consortium/Submission), das die Verwendungen in der Oberflächen- und Galvano­technik berücksichtigt. Die große Anzahl an Antragstellern belegt zusätzlich die besondere Bedeutung des Rohstoffes Chromtrioxid für die chemische Industrie und alle Branchen, die diesen Stoff verarbeiten und auf seine Verfügbarkeit angewiesen sind.

Die ECHA-Ausschüsse RAC (Committee for Risk Assessment, Ausschuss für Risikobeurteilung) und SEAC (Committee for Socio-economic Analysis, Ausschuss für sozioökonomische Analyse) haben Ende letzten Jahres die Empfehlung ausgesprochen, eine weitere Verwendung von Chromtrioxid über das Sunset Date hinaus der Industrie zu gestatten, da der Nutzen einer weiteren Verwendung von Chromtrioxid ein mögliches Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt bei weitem überwiegen würde – allerdings unter ganz bestimmten Auflagen.

Die beantragten Revisionszeiträume wurden im Großen und Ganzen für alle Verwendungen auf die Hälfte gekürzt. Die von den Ausschüssen RAC und SEAC vorgeschlagenen Revisionszeiträume belaufen sich demnach im Einzelnen einerseits auf sieben Jahre für die Formulierung von Gemischen, die funktionelle Verchromung (Hartverchromung) und die Oberflächenbehandlung für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrtindustrie und andererseits auf vier Jahre für die funktionelle Verchromung mit dekorativem Charakter, die Oberflächenbehandlung in anderen Industrien (hierunter fallen auch die Chromatierungen und Schwarzchrom) und die Chromatierung von zinnbeschichtetem Stahl.

4 Pflichten der Industriepartner

Die nachgeschalteten Anwender von Chromtrioxid (Formulierer, Galvaniken) stehen nun in der Verpflichtung, den Umgang mit einem Anhang-XIV-Stoff der Behörde in Helsinki zu melden. Diese Meldung muss, gemäß Artikel 66 der REACh-Verordnung, spätestens 90 Tage nach der ersten Lieferung des Stoffes nach Ablauf des Sunset Date erfolgen. Die Meldung kann allerdings erst vorgenommen werden, wenn eine Zulassungsnummer vorliegt. Und diese wiederum ist erst verfügbar, wenn die EU-Kommission als letzte Instanz im Zulassungsverfahren eine endgültige Entscheidung über die Zulassungsanträge gefällt haben sollte. Es ist jedoch zu erwarten, dass die EU-Kommission der ausgesprochenen Empfehlung der ECHA-Ausschüsse folgen wird und Chromtrioxid der Industrie bis auf weiteres erhalten bleibt. Derzeit ist aber davon auszugehen, dass die EU-Kommission über die Zukunft des Chromtrioxids innerhalb der Europäischen Union nicht mehr vor dem Sunset Date entscheiden wird. Frühestens Ende des Jahres könnte es nach jetzigem Kenntnisstand zu einer Entscheidung kommen. Da in den Prozess der Entscheidungsfindung viele Meinungsmacher beziehungsweise Entscheidungsträger eingebaut sind, ist das Prozedere an sich relativ langwierig.

Alle Akteure einer Lieferkette sind von den Verpflichtungen, welche auf der Zulassungspflicht basieren, betroffen – auch die nachgeschalteten Anwender, wie ­beispielsweise Betreiber von Galvanikunternehmen oder Formulierer. Es ist zwischen den Pflichten für nachgeschaltete Anwender vor und nach dem Sunset Date zu unterscheiden. Zusätzlich muss in letzterem Falle berücksichtigt werden, ob eine Entscheidung der EU-Kommission vorliegt und wie diese ausfällt. Solange die EU-Kommission zu keiner Entscheidung gelangt ist, gelten dieselben Pflichten und Fristen wie für Kandidaten-
stoffe.

5 Verwendung von Chromtrioxid

Sollte die EU-Kommission eine Zulassung ablehnen, dann endet damit die Rechtmäßigkeit, den Stoff verwenden zu dürfen. Der Stoff darf dann überhaupt nicht mehr in Verkehr gebracht oder verwendet werden. Ist das Sunset Date abgelaufen und die EU-Kommission befürwortet eine weitere Verwendung des Stoffes, das heißt, die Zulassung für eine zeitlich begrenzte weitergehende Verwendung ist somit erteilt, dann müssen die Anwender der Europäischen Chemikalienagentur innerhalb von drei Monaten nach der ersten Lieferung des Stoffes dessen Verwendung mitteilen.

Unter REACH-IT kann die Meldung des Anhang-XIV-Stoffes unter Zuhilfenahme eines entsprechenden Webformulars vorgenommen werden. Das meldende Unternehmen muss aber dafür zuvor einen Firmenaccount ebenfalls unter REACH-IT bei der ECHA eingerichtet haben. Die in der Zulassung festgeschriebenen Bedingungen beziehungsweise Maßnahmen zum Schutz des Menschen und der Umwelt vor den vom zulassungspflichtigen Stoff ausgehenden Gefahren sind selbstverständlich immer in vollem Umfang ein­zuhalten.

6 Planungssicherheit und Zukunftsaussicht

Die Ungewissheit über das zukünftige Schicksal des Chromtrioxids ist der belastende Faktor für die Hersteller, Inverkehrbringer und Anwender. Ziel muss es sein, Planungs­sicherheit für die Industrie durch die Behörden umgehend wieder herzustellen.

Aber auch an den Folgeantrag sollte ­bereits heute gedacht werden. Denn das Dossier und alle benötigten Unterlagen und Informationen für diesen Folgeantrag sind 18 Monate vor Ablauf des Revisionszeitraums bei der ECHA einzureichen. Damit verbleiben der Industrie je nach Verwendung lediglich 30 beziehungsweise 66 Monate für alle Vorarbeiten und die Erstellung des eigentlichen Zulassungsantrags. Das stellt eine sportliche Herausforderung an die Industrie dar, wenn bedacht wird, wie langwierig sich der Aufbau eines Konsortiums und die Arbeit an einem Zulassungsantrag gestalten können.

7 Fragen über Fragen!

Wer sagt uns denn, dass das Konsortium sich in seiner jetzigen Zusammensetzung auch um den Folgeantrag kümmern wird oder will? Wer gibt uns die Gewissheit, dass überhaupt das Interesse oder die Notwendigkeit besteht, auch nach Ablauf der Revisionszeiträume von vier beziehungsweise siebenJahren Chromtrioxid weiterhin verwenden zu wollen? Vielleicht gibt es bis dahin adäquate Alternativen oder Alternativtechnologien und eine Zulassung kann deshalb gar nicht mehr erwirkt werden. Fragen über Fragen!

Die ECHA erwartet auf jeden Fall einen umfangreicheren Folgeantrag mit mehr Tiefgang, der nicht mehr so allgemein gehalten ist und auf die einzelnen Verwendungen detaillierter eingeht (genauer definierte Expositionsszenarien), wie das von Seiten der Behörden an den ersten Anträgen bemängelt worden ist. Es muss auch offengelegt und beschrieben werden, welche Anstrengungen mit welchem Ergebnis unternommen worden sind, um mögliche adäquate Alternativen zu erarbeiten. Die Messlatte hängt im Folgenden bedeutend höher.

8 Gewissheit oder nicht?

Egal, wie die Odyssee namens Zulassungsverfahren nun ausgehen wird: Es sollte nicht vergessen werden, dass es das von REACh propagierte Ziel ist, schlussendlich die Substitution eines zulassungspflichtigen Stoffs durch einen unbedenklichen beziehungsweise unbedenklicheren Stoff voranzutreiben und damit die Verbannung des gefährlichen Stoffs vom europäischen Markt zu ermöglichen. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Chromtrioxid endgültig vom europäischen Markt verschwunden sein wird. Denn es ist im Rahmen von REACh der politische Wille der EU, Chromtrioxid über kurz oder lang aus dem europäischen Markt zu entfernen.

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