Beschichtungen für extreme Einsatzbedingungen

Oberflächen 10. 04. 2016

Teil 2: Technik zur vollflächigen Beschichtung von Lagerringen

Von Peter Schwanzer, Stefan Kölle, Katja Feige und Thomas Bauernhansl, Fraunhofer IPA, Stuttgart

Für den Einsatz in korrosiven Umgebungen, wie zum Beispiel Meerwasser, ist die Entwicklung von speziellen Beschichtungen für tribo­korrosiv beanspruchte Oberflächen notwendig. Neben dem Schichtsystem ist dabei am vorliegenden Beispiel von Wälzlagern auch eine Beschichtungstechnik für eine vollflächige und endmaßgenaue Abscheidung wichtig. Im Projekt BMWi-Poseidon wurde eine neuartige Prototypanlage entwickelt, mit der dicke galvanische Schichten vollflächig herstellbar sind. Durch eine Optimierung des Verfahrensraums wird eine hohe Maßhaltigkeit erzielt.

Coatings for Extreme Operating Conditions – Part 2: Technique for all-around Finishing of Bearing Rings

Whenever mechanical components are used in corrosive environments (e. g. seawater), there is a need to develop customized coatings for the tribocorrosive stressed surfaces. In addition to the proper coating system, the application of a continuous deposit in the final dimension of the part plays an important role. Within the project BMWi-Poseidon, a prototype plant has been developed which allows the electrodeposition of coatings without contact points. A dimensional accuracy is achieved by the optimization of the geometrical and electrical plating conditions.

Fortsetzung aus WOMag 3/2016

 

5 Tribokorrosionsfeste Schichten für Wälzlager

Im Rahmen der Energiewende ist auch die Nutzung der Meeresenergie eine interessante Alternative, wie im ersten Teil des Beitrags ausgeführt wurde [20]. Die Anforderungen an Maschinenelemente in direktem Kontakt mit Meerwasser sind bezüglich der Korrosionsbeständigkeit deutlich höher als bei herkömmlichen Anwendungen. Für mechanisch wenig beanspruchte Oberflächen (z. B. an Tragstrukturen) stellen organische Schutzschichten eine Lösung dar. Bei tribologisch hoch beanspruchten Komponenten, beispielsweise bei Wälzlagern, besteht derzeit nur die Möglichkeit, über eine Kapselung die korrosionsanfälligen Lagerwerkstoffe von den Umgebungseinflüssen zu trennen. Wie im ersten Teil dieses Beitrags ausgeführt wurde [20], ist eine Kapselung bei Wälzlagern nachteilig bezüglich der Energieverluste durch Reibung, weshalb ein Verzicht auf die Kapselung vorteilhaft wäre. Vor dem Hintergrund, die Effizienz und damit die Rentabilität maritimer Technik zu verbessern, wurde im Zeitraum von 2012 bis 2015 das Projekt Poseidon durchgeführt und durch das BMWi gefördert. Ziel des von einem interdisziplinären Konsortium durchgeführten Projekts war es, zum einen neue Lagerwerkstoffe auf Basis hochlegierter Stähle und zum anderen Beschichtungen für herkömmliche Lagerwerkstoffe zu entwickeln, um einen Einsatz von Lagerungen im Meerwasser ohne Kapselung und damit ohne Schmierstoffe zu ­ermöglichen.

Im Rahmen der Schichtentwicklung wurden­ Grundlagenversuche zur tribokorrosiven Beständigkeit durchgeführt. Eine Überprüfung unter praxisnahen Bedingungen kann jedoch nur anhand von beschichteten Lagern erfolgen, die den handelsüblichen Toleranzen entsprechen. Zu diesem Zweck musste die notwendige Anlagen- und Vorrichtungstechnik entwickelt werden, welche die Herstellung von beschichteten Lagerringen zur Untersuchung auf einem speziellen Meerwasserprüfstand erlaubt. Als Prüflager wurde ein Schrägkugellager mit 160 mm Außen- und 90 mm Innendurchmesser und einer Breite von 30 mm ausgewählt. Diese Größe ist für Technikumsversuche gut handhabbar; die verwendeten Elektrolytvolumina stellen bereits eine praxisrelevante Menge dar und erlauben damit gegebenenfalls auch Aussagen über eine Skalierbarkeit.

6 Anlagentechnik für die Wälzlagerbeschichtung

6.1 Vollflächiger Korrosionsschutz bei gleichmäßiger Schichtverteilung

An eine korrosionsbeständige Beschichtung für ein Wälzlager werden hohe Anforderungen gestellt, die sich aus unterschiedlichen Zieleigenschaften ableiten lassen. Aus dem Bedarf nach hoher Korrosionsbeständigkeit begründet sich eine fehlstellenfreie Schicht vollflächig um die gesamte Oberfläche, da selbst eine kleine Unterbrechung einen Angriffspunkt für Lochfraß- oder Spaltkorro­sion darstellt. Als Konsequenz bedeutet dies, dass Kontaktstellen, die beispielsweise bei Federkontakten an einem Gestell auftreten, vermieden werden müssen.

Für einen optimalen Korrosionsschutz wurden im Rahmen des Projekts Schichtdicken von 25 µm vorgesehen. Da es sich bei einem Wälzlager um ein hochgenau gefertigtes Maschinenteil handelt, überschreitet eine Schicht dieser Dicke die zulässigen Form- und Abmessungstoleranzen. Die Zielschichtstärke kann durch die angepasste­ Fertigung von Lagerringen mit entsprechendem Untermaß berücksichtigt werden; es verbleibt jedoch die bei der galvanischen Beschichtung immer vorhandene stromdichteabhängige Schichtdickenverteilung als Herausforderung. Die Endmaßgenauig­keit leitet sich aus den Toleranzen des fertigen Lagers ab: Für den Einbau der Ringe­ müssen der Innendurchmesser des Innenrings und der Außendurchmesser des Außenrings eine vordefinierte Passung aufweisen. Die Laufbahn der Kugel ist noch genauer gefordert; als Zielwert der Schichtabweichung entlang der Krümmung wurden vom Projektpartner Schaeffler +/- 2 µm definiert. Die Toleranzbereiche der Passung erscheinen für eine galvanische Schicht bei einer absoluten Schichtdicke von 25 µm auf den ersten Blick unkritisch, unter Einbeziehung der aus der mechanischen Fertigung bereits vorhandenen Variationen wird der Zielkorridor für die Beschichtung jedoch stark eingeengt. Die absolute Schichtdicke­ muss daher gleich wie auf der Lauffläche und über die gesamte Breite möglichst konstant sein.

Zusammengefasst wird damit eine Vorrichtungstechnik benötigt, welche die Abscheidung einer fehl- und kontaktstellenfreien, vollflächigen Beschichtung ermöglicht, bei der sowohl die Formtoleranzen (beispielsweise Rundlauf) als auch die Abmessungstoleranzen (Einbau-Passungen, Lauffläche) innerhalb der geforderten Endmaßvorgaben liegen.

Die anlagenbezogenen Anforderungen (z. B.: Werkstoffauswahl, Behältereinbauten) aus dem elektrochemischen Prozess zur Schichtabscheidung sind dagegen einfacher zu erreichen. Auch wenn während der Schichtentwicklung die chemischen ­Parameter nicht abschließend festgelegt waren, konnten die Grundzüge der benötigten Anlage soweit definiert werden, dass Standardwerkstoffe und -komponenten verwendet werden konnten.

6.2 Grund für Neuentwicklung – Blick auf den Stand der Technik

Im Fall der Lagerbeschichtung scheidet eine konventionelle Gestelltechnik aus, da über die Kontaktpunkte immer Schichtschwächungen entstehen und auch die Rundlaufeigenschaften ohne Rotation des Bauteils kaum zu erreichen sind. Die Nutzung der Trommeltechnik würde zwar vollflächige Beschichtungen erlauben, eine gleichmäßi­ge Schichtdickenverteilung in der geforderten Genauigkeit kann jedoch nicht erreicht werden und die prinzipielle Eignung zur Trommelbeschichtung ist durch die höheren Bauteilgewichte nicht gegeben.

In der Praxis sind bereits beschichtete Lager bekannt, häufig handelt es sich jedoch um nasschemische Beschichtungen mit niedrigen Schichtdicken im Bereich von 2 µm oder weniger [21]. Bei diesen geringen Schichtdicken sind die Auswirkungen auf die Wälzlagerabmessungen unkritisch, die Schichtdickenverteilung ist aufgrund der außenstromlosen Prozesse relativ gleichmäßig. Auch bei galvanisch beschichteten Lagerringen werden bisher vorrangig dünne Schichten angewendet, zum Beispiel dünne Chromschichten wie unter der Bezeichnung Durotect® [22] oder Legierungsschichten mit Schichtdicken unterhalb der Oberflächenrauheit [23].

Konkrete Angaben zur verwendeten anla­gentechnischen Umsetzung von Beschichtungen sind nicht bekannt; hierzu stellt die Patentschrift DE19839479 [24] für Großwälzlager die einzige aufzufindende Lösung dar. Dabei wird ein Lagerring über die inneren und äußeren Mantelflächen geführt, mit der Rotationsachse parallel zum Elek­trolytspiegel teilweise eingetaucht und rotiert (Abb. 16 a). Die Kontaktierung und der Antrieb erfolgen über eine oder mehrere der Führungsrollen. Zu Schichtdicken und der Realisierung einer gleichmäßigen Schichtverteilung werden keine Angaben gemacht. Diese Beschichtungsvorrichtung stellt eine interessante Lösungsmöglichkeit dar, da die Anforderungen bezüglich der vollflächigen Beschichtung erfüllt werden sollten. Die Schichtdickenverteilung könnte durch entsprechende Ausführung des Beschichtungsraums (beispielsweise Anodenanordnung oder Blenden) optimiert gestaltet werden. Durch die konstante Rotation sollten auch gute Rundlaufeigenschaften erreichbar sein. Das teilweise Eintauchen kann jedoch Einfluss auf die Schichtbildung mit vorab nicht abzuschätzenden Konsequenzen haben und die Schichteigenschaften verändern. Es ist daher zu prüfen, ob eine Erreichung der Anforderungen mit ­alternativen Konzepten gegebenenfalls vorteilhaft ist.

Abb. 16: Auszug der erarbeiteten Lösungsprinzipien (rote Komponenten sind stromführend, schwarz nichtleitend)

 

6.3 Vorgehen – Erleichterung durch Methode

Zur Sicherung einer qualitativen und effi­zienten Entwicklung hat sich eine systematische Methodik zur Entwicklung und Konstruktion durchgesetzt, die zum Beispiel in der VDI 2221 dargestellt ist [25]. Der erste­ Schritt, die Aufgabenstellung, wurde anhand der Ziele deutlich, sodass die Ermittlung der Funktionsstrukturen und die Suche nach Lösungsprinzipien als nächste Schritte erfolgten.

Es wurden mittels eines morphologischen Kastens für die einzelnen geforderten Merkmale verschiedene Lösungsvarianten gesucht und aus verschiedenen Kombinationen Lösungsprinzipien erstellt (Abb. 16).

Variante a) entspricht dabei dem oben beschriebenen Patent für Großlager. Bei der Variante b) werden die Kontaktpunkte zyklisch verändert. Alternativen c) und d) gehen von einer Abstützung über die Stirnseiten aus, bei c) Antrieb und Kontaktierung über die Mantelflächen, bei d) über die Stirnfläche. Variante b) wurde nicht weiter verfolgt, da eine zyklische Umsetzung auto­matisiert aufwändiger zu realisieren ist, als ein Rollkontakt. Darüber hinaus ist eine konstante Rotation bezüglich der Rundlaufgenauigkeit gegenüber statischer Befestigung und zyklischer Bewegung zu bevorzugen. Aus c) und d) wurde die Kontaktierung über die Stirnseite gewählt, da hierbei die Möglichkeit besteht, die Kontakt- und Antriebsrolle nur zum Teil in den Elektrolyten einzutauchen und damit die Mitbeschichtung zu reduzieren. Außerdem kann der Ring auf den unten liegenden Auflagerrollen als Warenträger transportiert und zur Beschichtung an den Kontaktier- und Antriebsmechanismus angedockt werden. Die Rotationsachse der Lagerringe bleibt bei diesem Konzept unabhängig vom Durchmesser gleich (im Unterschied zu Variante a), bei der bei gleichbleibenden Kontaktrollen die Rotationsachse durchmesserabhängig in der z-Achse wandert). Dies erleichtert die Positionierung einer Innen­anode und die Anbringung von Blenden. Aus diesen Gründen wurde Konzept d) ausgewählt und als Prototyp auskonstruiert.

Das Erzielen einer homogenen Schichtdickenverteilung ist verständlicherweise auch von der Aufnahme der Lagerringe abhängig. Der Haupteinfluss entsteht jedoch durch die Ringform und die Anodengeometrie sowie die Aktivraumgrenzen wie Elektrolytniveau und Behälterwände. Für die geforderte Schichtdickenverteilung sind auf jeden Fall weitere Manipulationen, wie zum Beispiel das Einbringen von Blenden, notwendig. Eine Auslegung erfolgt über eine FEM-Simulation der primären Stromdichte. Die rechnerische Berücksichtigung der sekundären oder sogar tertiären Stromdichte würde im vorliegenden Fall nur zusätzlichen Aufwand generieren, da die chemische Zusammensetzung nicht verändert werden kann und damit die einzige Stellgröße eine bestmögliche primäre Stromdichteverteilung ist.

6.4 Anlagenprototyp zur Herstellung von Prüfstandslagern

Um das Lösungskonzept herum wurde eine Technikumsanlage mit etwa 50 l Elektrolytvolumen konstruiert (Abb. 17). Um gegebenenfalls eine Kombination aus zwei galvanischen Schichten herstellen zu können, wurden zwei Aktivpositionen (Abb. 18) vorgesehen. Die Aktivbäder sind zur Gewährleistung eines konstanten Füllstands mit einem separaten Überlaufabteil ausgestattet. Für die gebräuchlichen Funktionen wie Umwälzung, Filtration oder Füllstandskontrolle wurden handelsübliche Standardkomponenten verwendet. Die Steuerung erfolgt über eine PC-basierte Oberfläche, welche die Vorgabe und Protokollierung von allen relevanten Beschichtungsparametern bereitstellt.

Abb. 17: Gerenderte Darstellung des konstruierten CAD-Modells, bei der zu jeder Aktivposition eine Beschichtungsvorrichtung zur Verfügung steht, die über ein Stativ bewegt werden kann

Abb. 18: Abscheideposition mit Vorrichtung in ­Beschichtungsposition

Abb. 19: Auflagerung der Außenringe, ohne und mit Blende zur Optimierung der Stromdichteverteilung; orange markiert ist die stirnseitige Fläche, über die Antrieb und Kontaktierung erfolgen

 

Die Auflagerung erfolgt über drei an einem Führungsring angebrachte Kunststoffrollen, welche über einen Absatz die zentrische Position sicherstellen (Abb. 19). Über diesen Träger wird der Lagerring an der Beschichtungsvorrichtung eingespannt und an die Kontaktier- und Antriebsrollen gedrückt. Diese obere Kontaktfläche ist daher die am höchsten belastete Oberfläche, welche bei den Versuchen unter besonderer Beobachtung stand. Der Trägerring erlaubt auch die Befestigung von Hilfsteilen, wie beispielsweise Blenden, was bei der Optimierung der Schichtdickenverteilung genutzt wurde.

Für die Anodenauslegung wurden eine Innenanode in der Rotationsachse und kreisförmig angeordnete Anodenkörbe außerhalb vorgesehen. Für Innen- und Außenring wurde der selbe Aufbau verwendet. Da die Durchmesser von Innen- und Außenring stark unterschiedlich sind und sich bei gleichem elektrischem Potenzial auf der Innen- und Außenseite ein ungleichmäßiger Stromfluss einstellen würde, sind Innen­anode und äußerer Anodenring separat kontaktiert.

Da aus prozesstechnischen Gründen lösliche Anoden verwendet wurden, wurde von einer Formanode abgesehen und bei der ersten Auslegung vorrangig die Anodenlänge ausgelegt. Hierzu wurde die Software Elsy2D (Elsyca) genutzt, welche eine zweidimensionale Simulation nach der Finite-Elemente-Methode (FEM) erlaubt und für elektrochemische Prozesse entwickelt wurde. Eine 2D-Berechnung ist speziell bei rotationssymmetrischen Teilen gegenüber einem 3D-Modell ohne Nachteile und kann durch die viel geringere Anzahl an Elementen mit deutlich geringerem Rechenaufwand durchgeführt werden. Die geometrischen Verhältnisse wurden daher von der Rotationsachse aus (Abb. 20, links) im Querschnitt modelliert und berechnet.

Abb. 20: Errechnete primäre Stromdichte eines ­Innenrings ohne Optimierungen, direkt in der ­modellierten Geometrie dargestellt (Ausschnitt der relevanten Bereiche)

 

7 Beschichtungsergebnisse

7.1 Vollflächige Umhüllung

Bereits die ersten Beschichtungen in der neu entwickelten Vorrichtung verliefen erfolgreich. Das System der Rollkontakte­ ergab wie beabsichtigt eine vollflächige Beschichtung. An den Flächen der Auflagerung konnte ein verstärkter Glanz der Schicht festgestellt werden; auf der stirnseitigen Antriebs- und Kontaktfläche traten bei den Versuchen optische Veränderungen in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Die Stärke der Ausprägungen war dabei vom Zustand der Kontaktrollen abhängig. Diese wurden mitbeschichtet und wiesen beim Nickel-Wolfram-Elektrolyt teilweise­ Abplatzungen der Mitbeschichtung auf, welche durch den unregelmäßigen Abrollvorgang zu verstärkten Spuren führten (Abb. 21).

Eine Auswertung über Querschliffe ergab, dass es sich bei den optischen Effekten nur um oberflächliche Veränderungen handelte. Es wurde eine durchgängige Schicht abgeschieden, bei der auch keine vorrichtungsbedingten Fehlstellen festgestellt werden konnten. Auch bei der Durchführung von Korrosionstests wurde an der Kontaktfläche kein verändertes Verhalten sichtbar, sodass die technische Funktion der Schicht nicht beeinträchtigt ist.

Abb. 21: Draufsicht (links) und Querschliff (rechts) der stirnseitigen Kontakt- und Antriebsfläche eines ­Ni-W-beschichteten Außenrings mit mittel ausgeprägten Abrollspuren

 

7.2 Schichtdickenverteilung

Für die exakte Ermittlung der Schichtdickenverteilung entlang der Lagerringe wurden metallografische Querschliffe hergestellt, die Auswertung erfolgte mittels Lichtmikroskopie. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, wurde hierfür vorab eine Auswertungsvorschrift mit definierten Messstellen erarbeitet. Diese erlauben auch eine direkte Zuordnung der Schichtdicke zu der berechneten primären Stromdichteverteilung. Durch die gute Streufähigkeit des Nickel-Wolfram-Elektrolyts wurde bereits ohne Blenden eine verhältnismäßig gute Schichtverteilung erreicht, welche jedoch für die hohen Anforderungen eines Wälz­lagerrings bezüglich der oben beschriebenen Form- und Abmessungstoleranzen nicht ausreicht.

Mittels der oben genannten Stromdichte­simulation wurden verschiedene Blendengeometrien berechnet und umgesetzt; weitere Parameter wie Eintauchtiefe, Anodenlängen und Stromverteilung zwischen Innen- und Außenanoden wurden optimiert und damit eine signifikante Verbesserung erzielt.

In Abbildung 22 werden die Unterschiede zwischen einer ursprünglich nicht optimierten Beschichtung und einem Ring mit verbesserten Abscheidungsparametern deutlich. Anhand der primären Stromdichte sind zwar auch mit Blenden noch deutliche­ ­Kanteneffekte sichtbar, diese können aufgrund der guten Streufähigkeit jedoch akzeptiert werden. Dies gilt insbesondere, da die erhöhten Schichtdicken sich an den Kantenradien des Lagerrings befinden, an denen eine Abweichung verglichen zu anderen Bereichen unkritischer ist. Ein wichtiger Aspekt der Optimierungen war auch, dass die Schichtdicke auf der Lauffläche und auf dem Einbaudurchmesser sich auf einem Niveau befindet, da ansonsten entweder die Einbaumaße nicht erreicht würden, oder die Laufbahn außerhalb der Toleranz ist.

Abb. 22: Verlauf von primärer Stromdichte und Schichtdicke über das abgewickelte Profil eines Außenrings; grau hinterlegte Abschnitte kennzeichnen die Lauffläche der Wälzlagerkugel (links) und den Außendurchmesser (rechts)

Abb. 23: Schichtdickenverläufe auf unterschiedlichen Bereichen des Innenrings bei drei Beschichtungen; in hellblauer Farbe bei einem mit Nickel-Phosphor nasschemisch beschichteten Ring dargestellt, die anderen beiden Farben beschreiben eine Ni-W-Schicht

 

Der Verlauf der Innenringe gestaltet sich nach der Optimierung analog zum in Abbildung 22 dargestellten Außenring. Bei einer genaueren Betrachtung der relevanten Bereiche zeigt sich, dass der erreichte Verlauf nahe an der Schichtdickenverteilung einer chemischen Beschichtung (Nickel-Phosphor, mit anderer Vorrichtung) liegt (Abb. 23). Es wird deutlich, dass die Kontaktfläche eine geringere Schichtdicke aufweist. Dies ist durch die Mitbeschichtung an den Kontakt- beziehungsweise Antriebsrollen und der dadurch reduzierten Stromdichte in diesem Bereich zu erklären. Der Unterschied befindet sich jedoch bei einer Zielschichtdicke von 25 µm am restlichen Ring in einem zu tolerierenden Ausmaß. Die Abmessungstoleranz der Stirnseiten eines Lagerrings ist deutlich größer als am Einbaudurchmesser und der Lauffläche.

Die als Ziele gesetzten Werte konnten durch diese Auslegung erreicht werden. Eine Vermessung mittels 3D-Koordinatenmessgerät ergab auch sehr gute Rundlaufeigenschaften. Für weitere lagerspezifische Prüfbedingungen müssen noch einige Abstimmungen getroffen werden. Die auf diese Weise hergestellten Lager wurden auf dem Meerwasserprüfstand eingebaut und getestet.

8 Fazit und Ausblick

Mittels einer strukturierten Vorgehens­weise ist es am Fraunhofer IPA gelungen, ein neuartiges Konzept zur vollflächigen Beschichtung von Lagerringen zu erarbeiten und umzusetzen. Über eine genaue Auslegung des Verfahrensraums konnten eine sehr gute Schichtdickenverteilung und ein guter Rundlauf erzielt werden, was die Grundlage für eine funktionsfähige Wälzlagerbeschichtung ohne Nachbearbeitung darstellt.

Eine vollflächige Beschichtung wurde erreicht. Auch die während der Beschichtung mechanisch belasteten Flächen stellen keine signifikante Schwächung dar. In Kombination mit einer tribokorrosiv beständigen Legierungsschicht [20] erlaubt dies die Herstellung von leistungsfähigen Beschichtungen. Mit dem derzeitigen Stand sind die Grundlagen für eine Übertragung in den industriellen Maßstab geschaffen, Anpassungen und Optimierungen werden für eine reguläre Fertigung jedoch noch notwendig sein.

Eine Analyse der Prüfstandergebnisse der beschichteten Lager steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus, sodass zur Performance der Schicht auf dem Lager noch keine konkreten Aussagen getroffen werden können. Es wird zukünftig noch ein Vergleich mit der bekannten teileingetauchten Beschichtungstechnik (Variante a), Abb. 16) angestrebt.

Hinweis

Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages unter dem Förderkennzeichen 03ET 1072C gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.

Literatur

[20] Kölle et al.: Beschichtungen für extreme Einsatzbedingungen: Teil 1 – Tribokorrosionsuntersuchungen an Nickel-Legierungsschichten; WOMag (3/2016), http://www.wotech-technical-media.de/womag/
ausgabe/2016/03/29_koelle_tribo_03j2016/29_koelle_tribo_03j2016.php; DOI: 10.7395/2016/Koelle03

[21] T. von Schleinitz: 2010DE102009023818 A1. Wälzlager und Verfahren zur Beschichtung eines Bauteils des Wälzlagers, Aktiebolaget SKF

[22] Schaeffler KG: Korrosionsbeständige Produkte, zuletzt geprüft am 12.01.2015; verfügbar: http://www.schaeffler.com/remotemedien/media/_shared_media/08_media_library/01_publications/schaeffler_2/tpi/downloads_8/tpi_64_de_de.pdf

[23] INA Wälzlager Schaeffler KG; DE9116756 U1. G 91 16 756.6: Bauteil aus Stahl mit galvanisch aufgebrachter Korrosionsschutzschicht, INA Wälzlager Schaeffler KG

[24] K.-L. Grell, R. Venz: DE19839479 A1, Verfahren zur chemischen oder elektrochemischen Behandlung eines rotationssymmetrischen Hohlkörpers und zugehörige Halte- und Drehvorrichtung, INA-Schaeffler KG

[25] VDI, 1993, Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte VDI 2221: Düsseldorf, VDI-Verlag

DOI: 10.7395/2016/Schwanzer01

Relevante Unternehmen

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top