Kunststoff spielt vor allen Dingen zur Einsparung von Gewicht eine immer größere Rolle in Automobilen. Darüber hinaus werden den Kunststoffteilen aber auch mehr Funktionalität sowie eine höhere Wertigkeit zugeschrieben. Realisiert wird dies mit Mehr-Komponenten-Spritzgussbauteilen, bei denen partiell Transparenz und galvanische Metallschichten zum Einsatz kommen. Hierfür müssen die Konstruktion sowie die Produktionstechnik auf den besonderen Aufbau abgestimmt werden.
Electroplated Multi-Component Injection-Moulded Functional Elements in Automotive Construction
Plastics are increasingly used in automotive construction, primarily with weight saving in mind. In many cases, these are functional rather than merely decorative and as such, subjected to greater demands. These can be achieved using multi-component injection moulded parts, in many cases partly transparent and partly metallised. In such cases, their construction and manufacture must be adapted for the specialised demands of a particular item.
1 Einleitung
Bauteile mit metallischer Oberfläche erfreuen sich im Automobilbau steigender Beliebtheit. Dies liegt zum einen an der hohen Wertigkeit der Echtmetalloberfläche, welche den Automobilherstellern hilft, den Qualitätseindruck des Fahrzeugs zu steigern. Zum anderen gilt Echtmetall neben Holz und Leder in der Kundenempfindung, im Gegensatz zum Kunststoff, als emotionaler Werkstoff [1]. Der Einsatz von Kunststoff unterstützt zudem den Automobilhersteller beim Bestrebungen, Gewicht zu sparen und so die Umweltziele zu unterstützen.
Die im Vergleich zu Metallbauteilen einfache Formgebung durch den Spritzgussprozess gibt den Entwicklern zusätzliche Freiheiten bei der Konstruktion von Baugruppen. Durch die Galvanisierung der Kunststoffbauteile werden die Vorteile der Metalloberfläche mit denen des Kunststoffs vereinigt. Die Mehr-Komponenten-Spritzgusstechnik, bei der verschiedene Kunststoffe im Spritzgussprozess zu einem Bauteil zusammengefügt werden, hat in den vergangenen Jahren eine starke Weiterentwicklung erfahren und stellt für die Bauteilkonstruktion zusätzliche Möglichkeiten bereit. Im Gegensatz zum klassischen Prozess des Aufbaus einer Baugruppe mit teilweise galvanisierter Oberfläche werden hier auch die nicht zu beschichtenden Bauteilflächen mit in den Galvanoprozess gebracht (Abb. 1). Für die selektive Galvanisierung dieser Bauteile müssen jedoch einige Regeln beachtet werden.
2 Galvanisieren von Kunststoffteilen
Für das industrielle Galvanisieren eignen sich die Kunststoffe Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) und Polycarbonat (PC)-ABS-Blends. Weniger verbreitet ist das Metallisieren von Polyamid (PA) oder Polypropylen (PP). Um Kunststoffe zu galvanisieren [2], müssen diese in einem Prozess erst aufgeschlossen und dann leitfähig gemacht werden. Das erfolgt in einer Beize, der sich eine Bekeimung mit einem Edelmetallkatalysator anschließt. In einem stromlosen Prozess wird dann eine erste Metallschicht katalytisch abgeschieden. Auf die dadurch leitfähige Oberfläche werden anschließend in stromgeführten Prozessen Kupfer, Nickel und Chrom aufgebracht, die dem Bauteil die typische metallische Haptik geben. Dabei kann der Oberfläche neben der Glanzchromoptik auch ein so genannter Alu-Look verliehen werden.
Der Verchromungsprozess umfasst insgesamt mindestens zwölf Prozessstufen in flüssigen Elektrolyten, welche jeweils durch Spülprozesse getrennt sind. Kunststoffe, die diesen Prozess durchlaufen, müssen chemisch sehr widerstandsfähig sein und dürfen auf keinen Fall Flüssigkeiten aufnehmen.
3 Design von Mehr-Komponenten-Bauteilen für die Galvanisierung
Designregeln für Mehr-Komponenten-Bauteile beziehen sich meist auf die mechanischen und dimensionalen Anforderungen des Bauteils. Es gibt Empfehlungen für die Kombination von Kunststoffen, da nicht jeder Kunststoff mit anderen Kunststoffen eine mechanisch stabile Verbindung eingeht [3, 4]. Für die Konstruktion und das Spritzen von galvanisierfähigen Bauteilen muss zusätzlich beachtet werden, dass die Verbindung zwischen den Materialphasen schlüssig ist (Abb. 2). Spalten zwischen den Phasen würden im Beschichtungsprozess Flüssigkeit aufnehmen und so zu Fehlabscheidungen führen (Abb. 3).
Daher müssen Werkzeuge (Abb. 4) und Spritzbedingungen sowie die Spritzreihenfolge auf das zu galvanisierende Bauteil abgestimmt sein. In der Regel wird das Galvanomaterial als letztes eingespritzt, da es den niedrigsten Schmelzpunkt besitzt und die Form bei der Einspritzung auf dem Vorspritzling abdichten kann. Wird die Reihenfolge getauscht, kann es zum Aufschmelzen des Vorspritzlings kommen, was zu unsauberen Konturen führt.
Bei der Auswahl der Kunststoffe sollte die Bekeimungsfähigkeit der Materialien zur Erreichung einer entsprechenden Selektivität deutlich unterschiedlich sein. Adsorbieren beide Kunststoffe den Palladiumaktivator ähnlich gut, erfolgt im Prozess eine Überwachsung der nicht zu beschichtenden Phase (Abb. 5). Dies führt zu Flitterbildung und Ausschuss bei der nachfolgenden Galvanisierung oder zu mechanischen oder elektrischen Problemen beim Einsatz der Bauteile. Wird in diesem Fall der chemische Prozess abgeschwächt, so dass keine Überwachsungen auftreten, entstehen offene, unbekeimte Flächen auf der zu beschichtenden Phase.
Die Güte des Spritzgusses beeinflusst die Bekeimbarkeit der Bauteile erheblich, daher müssen die Regeln für den an die Galvanoanforderungen angepassten Spritzguss sehr genau eingehalten werden. Als Materialien haben sich in der Praxis Kombinationen von Acryl-Butadien-Styrol (ABS) mit Polycarbonat (PC) und ABS/PC mit PC durchgesetzt. Je nach Anwendung ist das Polycarbonat klar, eingefärbt oder mit Streumittel versetzt. Polycarbonat wird im Galvanoprozess nur wenig angegriffen, so dass die Oberfläche in der Regel ohne nachträgliche Bearbeitung verbaut werden kann.
Da das gesamte Bauteil den Galvanoprozess durchläuft, muss der Bauteilkonstrukteur auch beachten, dass das Bauteil gut zu spülen und einfach zu kontaktieren sein sollte. Der Kontakt muss auf der zu galvanisierenden Fläche erfolgen. Es empfiehlt sich, die Fachleute der Galvanotechnik rechtzeitig in den Prozess einzubeziehen.
4 Der spezialisierte Galvanoprozess
Auch der galvanische Prozess muss an die Anforderungen des Mehr-Komponenten-Bauteils angepasst werden. Während für Einkomponentenbauteile (1-K) die Aktivierung des Bauteils auf einen Maximalwert eingestellt werden kann, führt dieses bei 2- oder sogar 3-Komponenten-Bauteilen zu einer schlechten Selektivität. Deshalb verfügen Anlagen, die auf Mehr-Komponenten-Beschichtung spezialisiert sind, in der Regel über mehrere unterschiedlich eingestellte Aktivatoren und Beschleuniger. Darüber hinaus helfen flexible Expositionszeiten in den einzelnen Prozessschritten der Vorbehandlung, die Aktivierung an die Anforderungen des Bauteils anzupassen. Zur Sicherung der Gesamtproduktion muss aber beachtet werden, dass der Ablauf immer mit den anderen in der Galvanik darzustellenden Abläufen harmonieren muss. Die Qualität eines galvanisierten Bauteils ist immer von vielen Faktoren, besonders aus dem Spritzguss- und Galvanisierprozess abhängig. Aus diesem Grund ist eine Produktion, bei der die Prozesse in einem Haus stattfinden, mit deutlich weniger Problemen im Vorfeld und bei der Serienproduktion behaftet. Im Austausch zwischen Spritzguss und Galvanik kann so schnell das beste Ergebnis erzielt wird.
5 Anwendungsbeispiele
Mehr-Komponenten-Bauteile werden immer dann eingesetzt, wenn sich durch die Zusammenfügung von Materialien während des Spritzgussprozesses Bauteile herstellen lassen, die bei der Herstellung aus Einzelkomponenten zusätzliche teure Montagekosten verursachten, die zusätzlichen Bauraum benötigten, bei denen Spaltverläufe zwischen den Einzelkomponenten sichtbar wären oder die im Einsatz aufgrund von mechanischer Beanspruchung Knarzgeräusche verursachen würden.
Auch wenn größere Flächen von der Metallisierung freigehalten werden müssen, kann sich der Einsatz der 2-K-Technologie im Vergleich zum Auftragen eines Speziallacks, der die Oberfläche im Aktivierungsprozess vor der Bekeimung schützt, auszahlen (Abb. 6). Im Einzelfall entscheidet meist eine Abwägung aus technischen und wirtschaftlichen Gründen über die Realisierung.
Abbildung 7 zeigt ein Gehäuse eines Lichtdrehschalters. Hier wurde die 2-K-Spritzgussvariante gewählt, da der feine Chromzierrahmen mangels Bauraum nicht mit dem schwarzen Gehäuse verbaut werden konnte. Auch die Taster sind in 2-K-Technik gefertigt.
Mehr-Komponenten-Bauteile mit Weichkomponenten finden nach und nach den Weg in die Anwendung [5, 6]. Kritisch bei der Entwicklung von geeigneten Materialien war, dass die Gummikomponente keine Galvaniklösungen aufnehmen durfte sowie in der oxidierenden Beize chemisch inert blieb. Darüber hinaus musste der Spalt zwischen der Gummikomponente und dem galvanisierfähigen Material geschlossen sein. Während anfangs nur Kombinationen mit Polyamid und einem thermoplastischen Elastomer (TPE) zur Verfügung standen, welche nur in sehr speziellen Prozessen bearbeitet werden konnten, können nun auch ABS, PC und TPE zusammen verarbeitet werden. Abbildung 8 zeigt den Prototyp einer B-Säulenverkleidung. Das Gummi der Dichtlippe wurde vor dem Galvanisieren eingespritzt und bleibt im Prozess stabil.
Mehr-Komponenten-Spritzguss findet immer öfter Verwendung zur Herstellung von Bauteilen mit einer Leuchtfunktion. Durch transparentes Polycarbonat lässt sich Licht leiten. Daher können aus mit ABS umspritzten PC-Bauteilen Schalter mit Suchlicht oder Funktionsbeleuchtung hergestellt werden. Abbildung 9 zeigt ein Bauteil aus dem Mercedes-Benz CLS. Hier erfolgt die Beleuchtung unterhalb des weißen Polycarbonat. Die Schwarzkomponente aus PC deckt den Lichtleiter ab und dient zur mechanischen Stabilität. Das galvanisierte ABS stellt die Bedienfläche für den Autofahrer dar und erzeugt die metallische Haptik.
Abbildung 10 zeigt ein 3-K-Spritzgussbauteil mit hinterleuchteter Symbolik als Suchbeleuchtung sowie einem transparenten umspritzten Polycarbonat als Funktionsbeleuchtung. Die mechanische Funktion des Tasters übernimmt eine schwarze PC-Trägerphase. Die Symbolik wurde mit einem Laserprozess in der Galvanik der BIA Kunststoff & Galvanotechnik auf dem ABS-Kunststoff erzeugt [7].
Abb. 10: Taster des oberen Bedienfeldes Mercedes-Benz-C-Klasse aus transparentem PC als Funktionsbeleuchtung, ABS zur Galvanisierung und Durchleuchtung für die Suchbeleuchtung sowie schwarzem PC als Trägermaterial (nicht sichtbar)
6 Zukunftsaussichten
Die Wünsche der Bauteilentwickler zur Integration von mehr Funktionen und Einsparung von Bauraum stärken den Trend zum Mehr-Komponenten-Spritzguss. Daher wird auch mit einem weiteren Anstieg der Galvanisierung solcher Bauteile gerechnet. Ein wichtiger Aspekt ist die Funktion der ambienten Beleuchtung im Fahrzeug. Gerade durch die Integration von Leuchtfunktionen in die galvanisierten Bauteile lassen sich Effekte erzielen, die das Innendesign eines hochwertigen Fahrzeugs betonen.
Autor
Dr. Markus Dahlhaus, Geschäftsführung; BIA Kunststoff- und Galvanotechnik GmbH & Co. KG, Untengönrather Straße 73, D-42655 Solingen
E-Mail: markus.dahlhaus@bia-kunststoff.de
Literatur
[1] Jörg Friedrich: Automotive Design Trends Exterior and Interior 2015; ZVO Report, Ausgabe 01/2011
[2] Richard Suchentrunk et al.: Kunststoffmetallisierung; 3. Auflage 2007, Eugen G. Leuze Verlag, S. 55 ff
[3] Kunststoffinstitut Lüdenscheid: Schulungsunterlagen, Kurs Spritzgusstechnik
[4] Christoph Jaroschek: Spritzgießen für Praktiker; 1. Auflage 2008, Carl Hanser Verlag, S. 115 ff
[5] Gerald Görich: Selektive Galvanisierung von Kunststoffbauteilen; Vortragsunterlagen Seminar Selektive Galvanik der Firma Allod, Juni 2012
[6] Jörg Püttbach: Oberflächen clever kombinieren; JOT Journal für Oberflächentechnik, 06/2011
[7] Jörg Püttbach: Das BIA Nachtdesign-Verfahren; ZVO Oberflächentage, 2007
DOI: 10.7395/2014/Dahlhaus1