Kommunikation in der galvanischen Lieferkette

Oberflächen 04. 02. 2018

Illusion, Realität oder Zukunftsperspektive (am Beispiel Chromsäure)

Von Marita Voss-Hageleit - VECCO e.V., Arnsberg

Die REACh-VO EG 1907/2006 geht mit den Titeln IV und V ausführlich auf die Informationspflichten der Verordnung ein. Dadurch ist es erforderlich, die unterschiedlichen Wechselbeziehungen einer Lieferkette genauer zu betrachten, um die sich ergebenden Änderungen in der Zusammenarbeit deutlich zu machen.

1 Hersteller / Importeure

Die notwendigen Informationen über Rohstoffe sind allgemeines Wissen in der Wissenschaft und im Markt. Aufgrund dessen ist im Verhältnis Hersteller/Importeur zu Formulierer kein Informationshemmnis zu erwarten. Absatzmengen sind in der Registrierung bereits eingefordert.

Kunden und Preise sind, sollen und müssen weiterhin confidential sein, also weiterhin als bilateraler Bestandteil der Geschäftsbeziehungen gepflegt werden.

2 Formulierer / Lieferant von Mischungen

Die Formulierung einer Mischung wird notwendigerweise als Betriebsgeheimnis betrachtet und die Weitergabe/Verkauf an den Kunden (galvanotechnischen Betrieb) erfolgte bisher mit der Beifügung eines Sicherheitsdatenblattes (Safty Data Sheet – SDS) in dem die Hauptbestandteile der Mischung und deren Gefahrenpotentiale angegeben wurden. REACh greift in diesen Prozess ein und erwartet, dass das Sicherheitsdatenblatt umfänglich alle Bestandteile angibt. Wie und in welcher Form dies geschehen kann, ohne Betriebsgeheimnisse zu offenbaren, ist (noch) ein ungelöstes Problem. Auch kleine (eventuell auch durch REACh verursachte) Veränderungen in den Formulierungen führen in der Praxis der galvanotechnischen Prozesse von Fall zu Fall zu unklaren Problemen, die häufig mit hohen Kosten verbunden sind und komplexe Anforderungen mit sich bringen. Ein umfassendes Sicherheitsdatenblatt wäre aus diesem Grund hilfreich.

3 Galvanikunternehmen

REACh erwartet von den Galvanikunternehmen die sichere Beherrschung der Prozesse in Bezug auf Arbeitsschutz und Umwelt, Einhaltung der Grenzwerte bei CMR-Stoffen (CMR - substances that are carcinogenic, mutagenic or toxic for reproduction - kanzerogene (krebserregende), mutagene (erbgutverändernde) oder reprotoxische (fortpflanzungsgefährdende) Stoffe).

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang die Weitergabe der Informationen in der Lieferkette gemäß der REACh-Verordnung zu betrachten. Gleich auf wessen Autorisierungsantrag sich das Galvanikunternehmen beruft, muss es diesen Anforderungen genügen und kann von seinem Chemielieferanten nur noch dann beliefert werden, wenn es die Einhaltung dokumentiert und erfüllt. Hiermit gibt das Galvanikunternehmen seinem Lieferanten die Gelegenheit, sehr tief in seine Prozesse hineinzusehen. Es bedarf eines hohen Grades an Vertrauen in dieser Beziehung, da die Weitergabe von Prozessdaten auch für Wettbewerber von Interesse sein kann. Strengste Vertraulichkeit muss gewährleistet werden.

Die Erfahrungen in der Praxis gehen oftmals dahin, dass den Partnern, mit denen Geschäftsbeziehungen gepflegt werden, das Arbeiten mit Auflagen ungern zugemutet wird. Die Einhaltung von Ansprüchen an den Arbeits- und Umweltschutz ist jedoch von der REACh-Verordnung geregelt und es bleibt abzuwarten, wie dieser Konflikt gelöst werden kann. Eine branchenübergreifende und für alle geltende compliance with the regulations (feststehende und allgemein akzeptierte Vorgehensweise) könnte helfen, unabhängig von der Rechtsfrage, wer bei Nichteinhaltung von Regeln der REACh-Verordnung die Verantwortung übernimmt: derjenige der den Autorisierungsantrag gestellt hat und ungesichert liefert, oder derjenige, der im Prozess seine Aufgaben nicht erfüllt und Pflichten vernachlässigt.

Die Informationspflichten sind für das galvanotechnische Unternehmen keine Einbahnstraße. Es hat eine Verpflichtung sowohl nach oben (Lieferant der Chemie) als auch nach unten (Kunde) und sitzt damit, nicht nur sprichwörtlich, zwischen allen Stühlen.

4 Kunde / Verbraucher

Der Kunde einer oberflächentechnischen Produktbearbeitung verlangt den Nachweis,

  • dass das Produkt frei ist von toxischen Stoffen (beziehungsweise der Anteil unter 0,1 Vol.% vom Gesamtgewicht beträgt)
  • dass für den Fall der Verwendung von bedenklichen Stoffen nachgewiesen werden kann, eine Substitution angedacht zu haben beziehungsweise Forschungen zur Substitution durchzuführen. Das bedeutet, dass das galvanotechnische Unternehmen im Zweifel die eigene Existenz infrage stellen muss.

Man mag trefflich darüber philosophieren, dass es der Markt schon richten wird und nur noch die überleben, die sich den Anforderungen von REACh im Markt stellen. Die durch die REACh-Verordnung teurer gewordenen Prozesskosten machen in einem preisempfindlichen Markt die Situation nicht besser. In einer komplexen Welt mit einer Vielzahl chemischer Produkte, deren Zusammenwirken sehr häufig ungeklärt und nicht bekannt ist, ist im Interesse der Gesundheit der Menschen und der Umwelt eine Durchdringung des Marktes mit den Informationen über die Einzelstoffe sicher richtig und wichtig. Die Veränderung der Denkweise und das Zusammenwirken der Kräfte des Marktes bleibt allerdings eine längerfristige Aufgabe, die gerade erst begonnen hat. Auch und gerade wegen REACh ...!

Nach allgemeiner Ansicht nicht zur Lieferkette gehörend, aber ein wichtiger Teilnehmer in der Kommunikationskette sind die Aufsichtsbehörden. Die galvanotechnischen Betriebe müssen nicht nur in der Lieferkette kommunizieren, sondern auch mit den Behörden, die die Aufgabe haben, zu prüfen ob Gesetzesvorgaben in der Praxis umgesetzt werden. Bei der Flut von Gesetzen, die von den galvanischen Unternehmen auch bisher schon beachtet werden mussten, ist die Einhaltung der von REACh geforderten Grenzwerte sicherlich nur ein kleiner Baustein. Ohnehin hat die bisherige Arbeitsschutzgesetzgebung in Deutschland in den letzten 50 Jahren dazu geführt, dass speziell in den galvanotechnischen Betrieben die Anzahl der Berufskrankheiten im Verhältnis zu den Beschäftigten ständig reduziert werden konnte und heute nur noch in wenigen Einzelfällen vorkommt.

Allerdings hat sich die Situation dadurch verschärft, dass durch die REACh-Verordnung ein Verstoß gegen die Verordnung keine Ordnungswidrigkeit mehr ist, sondern strafrechtlich verfolgt werden kann.

Auch die Behörden sind aufgrund vieler struktureller Veränderungen in den letzten 20 Jahren personell nicht so aufgestellt, das eine flächendeckende Überprüfung der Unternehmen in einem angemessenen Zeitrahmen stattfinden kann. Dies führt zu einem Ungleichgewicht der Marktverhältnisse auch und vor allen Dingen in unserem föderalen System. Die Behörden sind zudem in ihrer personellen Besetzung und Verteilung in der Fläche unterschiedlich zu bewerten. Eine gewisse Verunsicherung aufgrund der neuen Lage durch die REACh-Verordnung ist auch hier zu vermerken.

5 Information in der Lieferkette – sagen Sie Ihre Meinung

Das komplexe Thema der Information in der Lieferkette betrifft in der Hauptsache den zumeist mittelständischen, kleinen bis mittleren galvanotechnischen Betrieb. Dieser muss in einem globalen Markt mit Produkten konkurrieren und damit in der Regel mit Unternehmen aus Regionen Europas und der Welt, für die Arbeits- und Umweltschutz einen anderen Stellenwert haben, als er bei uns gewünscht und gepflegt wird. Hier gilt es, sich darauf zu besinnen, dass die Europäer Jahrhunderte lang in der Technik die Entwicklungsführerschaft inne hatten – warum also nicht auch bei diesem Thema!

Ihre Meinung dazu interessiert uns!

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