Vom Nanostäbchenteppich zur Solarzellendünnschicht in wenigen Sekunden| WOTech Technical Media

Vom Nanostäbchenteppich zur Solarzellendünnschicht in wenigen Sekunden

Forscherteams aus dem HZB und der University of Limerick, Irland, haben einen neuen Weg gefunden, um polykristalline Kesteritdünnschichten bei niedrigerer Temperatur herzustellen. Sie erzeugten zunächst einen Teppich aus geordneten Nanostäbchen mit Wurtzitstruktur. Diese Stäbchen besitzen chemisch die gleiche Zusammensetzung wie Kesterit, nur ihre Kristallstruktur ist unterschiedlich, wandelt sich aber bei Erwärmung in eine stabile Kesteritstruktur um. An der EDDI-Beamline von BESSY II konnten die Wissenschaftler diesen Prozess in Echtzeit beobachten. Binnen weniger Sekunden bildeten sich aus den Wurtzitstäbchen Kesteritkristallite. Entscheidend war dabei nicht die Höhe der Temperatur, sondern die Heizrate. Je rascher die Wurtzitstäbchen erhitzt wurden, desto größer wurden die Kristallite. So gelang es Kesteritschichten aus fast mikrometergroßen Kristalliten zu erzeugen, welche in Dünnschichtsolarzellen zum Einsatz kommen könnten.

 


Eine genaue Analyse der Signale verriet, dass die Umwandlung der Nanorods in Kesteritkristallite nur 9 bis 18 Sekunden dauert /Bildquelle: R. Mainz/A. Singh

 

Als Ausgangsmaterial für die Bildung der Kesteritschicht dient ein Teppich aus Nanostäbchen. Die Chemiker um Ajay Singh und Kevin Ryan an der Universität Limerick haben mit Hilfe lösungsbasierter chemischer Verfahren hochgeordnete Schichten aus Wurtzitnanostäbchen hergestellt, welche exakt die gleiche Zusammensetzung wie Cu2ZnSnS4-Kesterit besitzen. HZB-Physiker um Roland Mainz und Thomas Unold konnten nun mit Hilfe von Echtzeit-Röntgenbeugung an der EDDI-Beamline am BESSY II beobachten, wie sich durch einen Phasenübergang aus der metastabilen Wurtzitphase in die stabile Kesteritphase die makroskopisch angeordneten Nanostäbchen in Kesteritdünnschichten mit nahezu mikrometergroßen Kristalliten umwandeln. Das Besondere ist, dass die Bildung der gesamten Kesteritschicht sehr schnell abläuft und gleichzeitig ein schnelles Kornwachstum ausgelöst wird. Und je schneller die Proben hochgeheizt werden, desto größer werden die Kristallite. Bei einer niedrigen Heizrate beginnt die Umwandlung von Wurtzit in Kesterit schon bei einer tieferen Temperatur, bei der sich viele kleine Kristallite bilden – statt weniger großer. Hierbei bilden sich auch vermehrt Defekte aus. Beim schnellen Heizen ist dafür keine Zeit, die Umwandlung findet erst bei einer höheren Temperatur statt, bei der sich direkt eine defektärmere Struktur ausbildet.

Der Vergleich der Phasenumwandlung bei langsamer und bei schneller Heizrate zeigt, dass nicht nur das Kornwachstum durch die Phasenumwandlung ausgelöst wird, sondern andersherum auch das Kornwachstum die Phasenumwandlung beschleunigt. Die Physiker haben ein Modell entwickelt, das diese Beobachtung erklären kann, und anhand von Modellrechnung die Übereinstimmung mit den gemessenen Daten überprüft.

Die Arbeit zeigt einen neuen Weg, um dünne mikrokristalline Schichten aus Halbleiternanostrukturen ohne aufwändige Vakuumtechnik zu herzustellen. Kesterithalbleiter gelten als vielversprechende Alternative für die Chalkopyrisolarzellen (Cu(In,Ga)Se2), mit denen bereits Laborwirkungsgrade über 20 % demonstriert werden konnten. Kesterite besitzen ähnliche physikalische Eigenschaften wie Chalkopyrithalbleiter, kommen jedoch ohne die vergleichsweise weniger verfügbaren Elemente Indium und Gallium aus. Das neue Verfahren könnte auch für die Herstellung von mikro- und nanostrukturierten photoelektrischen Bauelementen, sowie für Halbleiterschichten aus anderen Materialien interessant sein.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in der Zeitschrift Nature Communications erschienen.

www.helmholtz-berlin.de

 

 

Aktuelle Onlineartikel

Top