Hierarchische Mikrostruktur in einer Superlegierung

Ca. 100 nm große γ´-Ausscheidung (hell), die von der γ-Matrix (dunkel) umgeben ist / Bildquelle: HZB
In Hochleistungsturbinen müssen Materialien nicht nur gewaltigen mechanischen Kräften standhalten, sondern auch noch bis nahe an den Schmelzpunkt stabil bleiben. Daher verwenden Turbinenbauer seit Jahrzehnten spezielle Hochleistungslegierungen auf Basis von Nickel. Eine neue Arbeit aus dem HZB zeigt nun im Detail, wie sich in einer Nickelbasislegierung neue Phasen bilden und verändern und gibt Hinweise darauf, wie sich Hochleistungslegierungen weiter verbessern lassen könnten. Doktorand Florian Vogel und Dr. Nelia Wanderka vom HZB-Institut für Angewandte Materialforschung haben dafür zwei Methoden geschickt kombiniert: Die Transmissionselektronenmikroskopie und die Atomsondentomografie, die sie in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Münster durchgeführt haben.
Dreidimensionale Rekonstruktion einer Atomsondenmessung / Bildquelle: HZB
Insbesondere interessierten sich die beiden Forscher für das Phänomen der Phasenseparation, das schon seit rund 50 Jahren bekannt ist, bislang aber weder genau beobachtet noch verstanden werden konnte. Denn bei gezielter Alterung oder Wärmebehandlung verändert sich die Mikrostruktur von Nickelbasislegierungen, und in der klassischen zweiphasigen Mikrostruktur bilden sich neue Phasen. Dr. Wanderka und Florian Vogel konnten nun diesen Prozess erstmals auf atomarer Ebene beobachten.
Dabei simulierten sie durch verschieden lange Wärmebehandlungen den Alterungsprozess der Legierung. Mit Aufnahmen unter dem Transmissionselektronenmikroskop dokumentierten sie, wie sich die Mikrostruktur bei der Alterung der Legierung verändert. Dabei besteht die klassische Mikrostruktur von Nickelbasislegierungen aus einer so genannten γ-Matrix, in die würfelförmige Ausscheidungen (γ´-Ausscheidungen) eingebettet sind. In diesen Ausscheidungen bilden sich durch die Wärmebehandlung sphärische γ-Partikel, die sich im weiteren Verlauf zu Plättchen zusammenschließen und letztlich die γ´-Ausscheidungen aufspalten. Die thermo-mechanischen Eigenschaften derartiger Legierungen hängen maßgeblich von der Stabilität dieser γ/γ´-Mikrostruktur ab.
Um zu ermitteln, welche atomare Zusammensetzung die einzelnen Phasen besitzen und die Entstehung und Identität der noch unbekannten γ-Partikel zu enthüllen, untersuchten Vogel und Wanderka die gealterten Proben mit der Atomsondentomografie an der Universität Münster: Damit konnten sie den atomaren Aufbau der Proben Schicht für Schicht rekonstruieren und die Zusammensetzung aller Phasen bestimmen, sodass sie die chemische Evolution der γ-Partikel aufklären konnten.
Bisher ging man davon aus, dass die Aufspaltung der γ´-Ausscheidungen unter Temperatureinfluss die Mikrostruktur verfeinert, was für die Belastbarkeit der Legierung von Vorteil wäre. Das Team konnten nun zeigen, dass das nicht richtig ist: Zwar verändert sich die Mikrostruktur deutlich, jedoch wird sie durch die Aufspaltung nicht verfeinert. Tatsächlich können sie die besten mechanischen Eigenschaften mit der Anwesenheit sphärischer oder plättchenförmiger γ-Partikel verknüpfen und nicht mit den späteren Stadien, wenn die Aufspaltung der γ´-Ausscheidungen stattgefunden hat. Wenn die Stabilität der Mikrostruktur und damit die thermo-mechanischen Eigenschaften der Legierung verbessert werden sollen, müssen die Wissenschaftler also durch geeignetes Legierungsdesign und Wärmebehandlungen dafür sorgen, dass die γ´-Ausscheidungen nicht von den γ-Partikeln aufgespalten werden, sondern sie darin erhalten bleiben. Die Atomsondentomografie hilft dabei, zu verstehen, welche Rolle die Legierungselemente bei Bildung und Wachstum der γ-Partikel spielen. Daraus wird ersichtlich, wie sich diese Prozesse beeinflussen lassen.
Die Arbeit ist in den renommierten Nature Communications veröffentlicht worden (www.nature.com/ncomms/2013/131220/ncomms3955/full/ncomms3955.html).
www.helmholtz-berlin.de
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