Der siebte Sinn im Maschinenbau – die Sensorschraube| WOTech Technical Media

Der siebte Sinn im Maschinenbau – die Sensorschraube

Sensorschraube

 

Ein uraltes Ingenieurproblem: Wie misst man präzise die Kräfte, die im Inneren einer Maschine, zwischen zwei Bauteilen oder auch auf das Segel eines Sportbootes wirken, ohne dafür Löcher zu bohren oder Messfühler aufzukleben? Forscher der Technischen Universität Darmstadt entwickeln dafür eine genial einfache Lösung: Eine Schraube mit integriertem Sensor.

 


Von links: Jörg Stahlmann, Manuel Ludwig und Matthias Brenneis

Der Ursprung der Sensorschraube liegt im Sonderforschungsbereich 805 Beherrschung von Unsicherheit in lasttragenden Systemen des Maschinenbaus der TU Darmstadt. Wer Unsicherheiten erforscht und letztlich auch ausräumen möchte, braucht präzise Messwerte, die von Sensoren geliefert werden. Nach Matthias Brenneis, der die Schraube, aufbauend auf einem Vorgängerprojekt am Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen, erfand und entwickelte, gab es bislang keine wirklich überzeugenden Methoden, um Sensoren anzubringen. Klebeverbindungen lösen sich leicht wieder, insbesondere in einer echten, rauen Produktionsumgebung. Zudem lieferten außen angebrachte Sensoren eben Messwerte von außen, die jedoch von den tatsächlich im Inneren einer Maschine oder eines Bauteils wirkenden Kräften abweichen könnten. Warum also nicht den Sensor und ein so elementares Bauteil wie eine Schraube durch Umformtechnik zusammenfügen? Die Vorteile liegen auf der Hand: Schrauben sind praktisch überall vorhanden und könnten in ganzen Produktionsketten durch ihre fühlenden Pendants ersetzt werden. Die Bedienung ist denkbar einfach und das kleine Messgerät kaum fehleranfällig. Der Sensor sitzt genau dort, wo die Kräfte wirken und arbeitet daher sehr präzise, so dass auch effizienter konstruiert und dimensioniert werden kann.

Die Sensorschraube kann punktuell, aber auch kontinuierlich Messdaten liefern. Damit sind unter anderem präzise Qualitätskontrollen möglich. Läuft etwa in eine Walzstraße ein Werkstück durch, das verformt ist oder dessen Dicke schwankt, würden die Sensorschrauben, die die Walzen halten, dies sofort registrieren. Bisher fallen qualitätsmindernde Abweichungen oft erst nach dem ganzen Fertigungsprozess in der Endkontrolle auf – teurer Ausschuss ist die Folge. Damit die Messdaten der Sensorschraube auch lesbar und interpretierbar sind, entwickelten die TU-Forscher eine geeignete Auswertungs-Software. Dabei geht es darum, aus wenigen, sicheren Daten eine Menge an Informationen zu gewinnen.

Die Schraube durchlief mehrere Stadien, wurde kleiner, nähert sich der Marktreife und ist patentiert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie war überzeugt von der neuen Technologie und nahm das Projekt ins Exist-Forschungstransfer-Programm auf. Für 18 Monate wird nun die Weiterentwicklung der Sensorschraube mit Fördergeldern unterstützt – idealerweise bis zur Produktion. Erste Auftraggeber nutzen die Technologie bereits im Rahmen von Pionierprojekten.

Die Entwicklung der Sensorschraube mündete mittlerweile in die Ausgründung der ConSenses GmbH – ein gutes Beispiel für die Innovationskraft und die Impulse, die von der Gründeruniversität TU Darmstadt ausgehen. Dabei soll es allerdings nicht bleiben, erklärt Jörg Stahlmann, der sich bei ConSenses um Marketing und Vertrieb kümmert. Die Zukunftsperspektive ist, immer wieder mit der TU zusammenzuarbeiten, um sich neu auftuende Anwendungsfelder zu erschließen. Dabei möchten die ConSenses-Gründer auch von dem interdisziplinären Wissen profitieren, das an der TU zusammenkommt. Diesen Expertise-Pool findet man in der Industrie in dieser Form nicht.

Die TU-Entwicklung macht aus einem Alltagsgegenstand ein pfiffiges Hightech-Produkt und stellt Anwenderinnen und Anwendern zukünftig gleichsam einen siebten Sinn im Umgang mit Gebäuden und Anlagen zur Verfügung. Ein überzeugend simples Konzept, das Matthias Brenneis auf einen schlichten Nenner bringt: Gute Ideen sind immer einfach in der Anwendung.

www.tu-darmstadt.de

 

 

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