Im Rahmen einer Entwicklungsarbeit gelang es der Eloxalwerk Ludwigsburg Helmut Zerrer GmbH, die plasmaelektrolytische Oxidation für die Oberflächenbehandlung von Bauteilen aus Magnesium, hergestellt mittels 3D-Druckverfahren, zu nutzen, wodurch das Einsatzfeld für Magnesium deutlich erweitert wird. Die Verfahrenstechnik wurde jetzt mit dem German Innovation Award 2025 in den Kategorien Material & Science und Transformative Technology ausgezeichnet
Additive Fertigung eröffnet neue Wege für den industriellen Leichtbau – insbesondere mit Magnesium, dem leichtesten metallischen Konstruktionswerkstoff. In Kombination mit modernen Oberflächentechnologien bietet Magnesium hervorragende Möglichkeiten für hochkomplexe, funktionale Bauteile in sicherheitsrelevanten Anwendungen. Das CAMM-Projekt (Ceramic Additively Manufactured Magnesium), eine Kooperation des Laser Zentrums Hannover e. V. (LZH) mit der Eloxalwerk Ludwigsburg Helmut Zerrer GmbH (ELB), verknüpft erstmals Powder-bed-fusion-laser-based (PBF-LB/M) Drucktechnik mit der Ultraceramic®-Technologie (fortgeschrittene plasmaelektroytische Oxidation - PEO) und liefert so eine zukunftsweisende Antwort auf industrielle Anforderungen in Mobilität, Luft- und Raumfahrt. Für diese Leistung wurde CAMM mit dem German Innovation Award 2025 in den Kategorien Material & Science und Transformative Technology ausgezeichnet.
Die Resultate sind wegweisend: Durch die Kombination von additiver Fertigung und keramischer Oberflächenveredelung mit Ultraceramic® konnten im CAMM-Projekt hochkomplexe Magnesiumbauteile (Abb. 1) dauerhaft und zuverlässig geschützt werden. Selbst bei filigranen Geometrien und hohen mechanischen Belastungen bleibt die volle Funktionalität dauerhaft erhalten – mit einer um mehr als 1.000-fach gesteigerten Korrosions- und Verschleißbeständigkeit gegenüber unbehandeltem Magnesium. Gleichzeitig ermöglicht der Einsatz von Magnesium in konventionellen Fertigungsverfahren bereits eine Gewichtsersparnis von bis zu 70 % im Vergleich zu Stahl – bei additiv gefertigten Komponenten liegt dieses Potential sogar deutlich höher. Das führt zu direkten Vorteilen in CO2-Effizienz und Energieverbrauch.
Abb. 1: Mögliche Struktur eines gedruckten Magnesiumbauteils (exemplarisch)
1 Magnesium neu denken – additiv, komplex und beständig
Magnesium ist das leichteste metallische Strukturmetall. Dank hoher spezifischer Festigkeit und guter Energieabsorption eignet es sich ideal für Anwendungen im automobilen Leichtbau, der Medizintechnik und der Luft- und Raumfahrt. Dennoch war seine Nutzung bisher limitiert durch eine hohe Reaktivität, sowie starke Korrosionsneigung und Verschleiß. CAMM beweist, dass diese Einschränkungen heute überwunden sind.
Die im Projekt entwickelte Prozesskette nutzt die Additivtechnik PBF-LB/M zur Herstellung komplexer Geometrien sowie Ultraceramic® zur Oberflächenveredelung (Abb. 2). Durch dieses Verfahren entsteht eine homogene, keramische Oberflächenschicht – gebildet aus dem Leichtmetall selbst – atomar gebunden, langlebig und ökologisch verträglich.
Abb. 2: Typischer Aufbau einer komplexen Struktur, die mittels Ultraceramic® veredelt ist; gezeigt ist in der REM-Aufnahme der Querschnitt zur Bewertung von Schichtdicke und Homogenität (links) sowie eine as-built-Oberfläche, die homogen von Ultraceramic® umschlossen wird (Detailaufnahme, rechts)
2 CAMM-Prozessentwicklung: Additive Fertigung trifft Ultraceramic®
In einem mehrstufigen Prozess wurden komplexe Magnesiumbauteile aus der Legierung WE43 (mit Yttrium und seltenen Erden) additiv gefertigt und anschließend mit der Ultraceramic®-Technologie behandelt. Diese verwendet einen mild-alkalischen, wässrigen Elektrolyt – vollkommen frei von umwelt- oder gesundheitsgefährdenden Stoffen. Das durch das Anlegen sehr hoher Spannungen entstehende Plasma transformiert die Magnesiumoberfläche in eine keramische Schutzschicht, die sich homogen um das gesamte Bauteil legt und selbst feinste Geometrien und enge Spalte erreicht – ideal für den industriellen Einsatz 3D-gedruckter Strukturen unter extremen Bedingungen.
Das gesamte CAMM-Projekt gliederte sich in fünf strukturierte Entwicklungsphasen. Zunächst wurde untersucht, wie sich Parameter der additiven Fertigung – insbesondere Laserleistung, Scanstrategie und Layerdicke – auf das spätere Verhalten bei der Oberflächenveredelung auswirken. Aufbauend darauf erfolgten detaillierte Untersuchungen der resultierenden Materialeigenschaften. Dazu zählten Härtemessungen, Mikrostrukturuntersuchungen und tribologische Tests. In einem weiteren Schritt wurden mithilfe von REM- und EDX-Analysen gezielt die Effekte unterschiedlicher Veredlungsparameter auf die Porosität, Schichtmorphologie und die Wechselwirkung mit dem Substrat untersucht. Anschließend wurden komplexe Geometrien – etwa Gyroidstrukturen mit variierenden Wandstärken – gefertigt, um die Machbarkeit der Veredlung bei anspruchsvollen Bauteiltopologien zu evaluieren. Abschließend wurden alle gewonnenen Erkenntnisse in die Entwicklung eines modularen Parameterbaukastens überführt, der die gezielte Auswahl und Kombination geeigneter Prozessführungen für unterschiedliche Anwendungen ermöglicht.
3 PEO-Oberflächenmodifikation – aus Magnesium wird Hochleistungskeramik
Ultraceramic® ist eine eigens entwickelte PEO-Technologie, bei der Magnesiumoberflächen in ein keramisches Schutzsystem umgewandelt werden. Der Prozess ist vollständig wasserbasiert und PFAS-frei; die resultierende Oberfläche erfüllt die Anforderungen an eine FDA-Konformität – und eignet sich damit auch für Anwendungen in der Lebensmittel- und Medizintechnik.
Das Ergebnis der Oberflächenbehandlung lässt sich charakterisieren durch folgende Kennwerte:
- Härtewerte über 900 HV0,05 bei hoher Duktilität
- einstellbare Schichtstärken zwischen 5 µm und 100 µm
- beständig gegenüber kurzzeitiger Temperaturbelastung bis 2000 °C
- homogenen Umschluss (Abb. 3), selbst bei filigraner Geometrie
Durch gezielte Parametervariation wurde im Projekt ein modulares Baukastensystem entwickelt, das die Prozessauswahl anwendungsbezogen ermöglicht – basierend auf Material, Belastungsart und Geometrie. Diese Plattform erlaubt nun die schnelle Umsetzung neuer Designideen.
Abb. 3: Detailgetreue keramische Umhüllung einer as-built-Oberfläche im Querschliff – anhaftenden Partikel und die Innenstruktur über die gesamte Wanddicke hinweg sind homogen und gleichmäßig veredelt
4 Korrosionsverhalten – der Unterschied ist drastisch
Im weiteren Projektverlauf wurden die realen Einsatzbedingungen simuliert, um das Verhalten der Ultraceramic®-Veredelung in anspruchsvollen Umgebungen zu analysieren. Dabei zeigte sich: Auch nach mehreren Tagen in salzhaltiger Umgebung (NaCl-Lösung) wiesen die veredelten Bauteile nur minimale Korrosionserscheinungen auf – in scharfem Kontrast zu unbehandeltem Magnesium, das sich unter denselben Bedingungen bereits nach wenigen Stunden vollständig zersetzte (Abb. 4). Die keramische Oberfläche bleibt stabil, dicht und funktional und bietet somit langanhaltenden Schutz.
Abb. 4: Unbehandeltes Magnesium während der Exposition (links oben), das sich in salzhaltiger Umgebung innerhalb von Stunden zersetzt (links unten), wogegen die homogene Oberfläche eines veredelten Gyroid-Bauteils während der Exposition (rechts oben) nach der Exposition eine intakte stabile Oberfläche zeigt (rechts unten) und damit selbst komplexe Geometrien vollständig geschützt sind
Darüber hinaus erwies sich das Verfahren als robust gegenüber geometrischen Schwankungen: Unterschiedlichste Wandstärken, Innenkanäle und Funktionsflächen konnten verlässlich funktionalisiert werden. Besonders hervorzuheben ist, dass selbst Innenkanäle mit ungünstigem Aspektverhältnis vollständig mit Ultracermaic® veredelt werden konnten. Dies ist nicht nur ein zentraler Nachweis für die industrielle Anwendbarkeit bei komplexen 3D-Strukturen, sondern belegt auch die Schutzwirkung der keramischen Oberfläche bis in das Innere der Bauteile – dort wo konventionelle Beschichtungsverfahren keine Korrosionssicherheit gewährleisten können.
5 Modulares System für maximale Anwendungsvielfalt
Ein entscheidender Fortschritt des CAMM-Projekts ist die Entwicklung eines modularen Systems zur Parameteranpassung. So können Schichtstärke, Porenstruktur oder Härte an branchenspezifische Anforderungen angepasst werden – ob für die Luftfahrt, die Automobilindustrie oder die Medizintechnik.
Das System erlaubt die gezielte Kombination von 3D-Druckstrategien und Ultraceramic®-Veredelungsparametern entsprechend den gewünschten Bauteileigenschaften: mechanisch, chemisch oder thermisch. Dadurch lässt sich sowohl die Performance als auch die Ressourceneffizienz optimieren – bei gleichzeitiger Sicherstellung der industriellen Skalierbarkeit.
6 Technologischer Durchbruch mit internationaler Anerkennung
CAMM überführt Werkstoff- und Prozesstechnik von TRL 4 in eine anwendungsnahe Plattform. Das Projekt wurde 2025 mit dem German Innovation Award in zwei Kategorien ausgezeichnet. Mit der Kombination aus ressourceneffizienter additiver Fertigung und umweltfreundlicher Oberflächentechnologie steht nun ein skalierbares System für Hochleistungs-Magnesiumbauteile zur Verfügung.
Die Vorteile reichen von CO2-Reduktion über Materialeinsparung bis hin zur Wartungsfreiheit. Zusätzlich können funktionale Integrationen realisiert werden, zum Beispiel durch direkte Kühlkanäle oder strukturmechanisch optimierte Topologien.
7 Fazit: Magnesium als Werkstoff der Zukunft – mit CAMM und Ultraceramic®
Das CAMM-Projekt zeigt: Magnesium kann mehr. Mit Ultraceramic® erhält es die Schutzwirkung, die für industrielle Daueranwendungen notwendig ist. Und durch den 3D-Druck entsteht die Formfreiheit, die moderne Anwendungen fordern.
- über 70 % Gewichtseinsparung gegenüber Stahl
- mehr als 1.000-fach höhere Beständigkeit gegenüber ungeschütztem Magnesium
- Kostenersparnis im Bereich von 26 % bis 50 % - abhängig vom Anwendungsfall – durch reduzierte Material- und Fertigungskosten, verlängerte Lebensdauer, geringeren Wartungsaufwand und integrierte Funktionen
CAMM ist damit nicht nur eine technische Lösung, sondern ein Impuls für zukunftsweisenden, nachhaltigen Leichtbau quer durch die Branchen.
Ultraceramic® entfaltet ihr Potenzial nicht nur im Bereich der additiven Fertigung, sondern auch bei konventionell hergestellten Leichtmetallen wie Aluminium-, Titan- und Magnesiumlegierungen. Die Technologie bietet zuverlässige, langlebige und nachhaltige Lösungen als Oberflächenschutz für verschiedenste industrielle Anwendungen. Ultraceramic® hat sich aufgrund seiner exzellenten Merkmale (Kasten oben auf dieser Seite) als universelle Schlüsseltechnologie für Hochleistungsoberflächen etabliert.
Danksagung
Das CAMM-Projekt wurde im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. ELB dankt dem Projektpartner Laser Zentrum Hannover e. V. (LZH) für die hervorragende Zusammenarbeit und die erfolgreiche Forschung im Bereich der additiven Fertigung. Durch das gemeinsame Engagement wurde eine richtungsweisende Lösung für den industriellen Leichtbau mit Magnesium realisiert. Der eingeschlagene Weg ist vielversprechend – und soll künftig im Sinne einer breiten industriellen Umsetzung weitergeführt werden.