Neue gesetzliche Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit von Materialien und Halbzeugen erfordern von Unternehmen eine lückenlose Dokumentation von Prozessparametern und eingesetzten Materialien entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Umsetzung ist häufig mit hohem Aufwand verbunden, kann jedoch durch digitale Werkzeuge effizient und kostengünstig realisiert werden. Im Rahmen des Projekts DigiBattPro4.0 demonstriert das Fraunhofer IPA, wie eine bestehende Rolle-zu-Rolle-Beschichtungsanlage für Batterieelektroden nachgerüstet und digital integriert wurde, um eine durchgängige Prozessdokumentation sowie eine datenbasierte Qualitätsüberwachung und -optimierung zu ermöglichen.
Ziel des Projekts DigiBattPro4.0 ist es, die Rückverfolgbarkeit von Materialien und Prozessen weitgehend automatisiert, sicher und wirtschaftlich abzubilden. Dabei spielen digitale Lösungen eine zentrale Rolle. Sie sorgen dafür, dass Qualitätsüberwachung dauerhaft und präzise erfolgt, indem Daten zu Prozess- und Materialparametern intelligent erfasst, verknüpft und analysiert werden.
Datenfusion und Rückverfolgbarkeit entlang der Prozesskette
Die Herstellung von Funktionsbeschichtungen erfordert eine Vielzahl an Materialien, die je nach Produktionsweise – diskontinuierlich oder kontinuierlich – unterschiedlich rückverfolgbar sind. In kontinuierlichen Prozessen können nur Zeitfenster als Zuordnungskriterium genutzt werden. Bereits geringe Abweichungen bei Parametern wie Temperatur oder Schichtdicke können die Produktqualität erheblich beeinflussen. Um Ursachen im Schadensfall eindeutig einem Material, Prozess oder Zeitpunkt zuordnen zu können, ist eine präzise Dokumentation entscheidend. Das reduziert den Ausschuss während der Produktion und minimiert potenzielle Rückrufaktionen.
Zur Erfassung der Daten werden vorhandene Maschinensignale sowie zusätzliche Sensoren (z. B. Laser- und kapazitive Sensoren, Temperatursensoren entlang der Trocknungsstrecke, Sensoren für Umgebungsbedingungen) integriert. Die größte Herausforderung liegt in der Fusion dieser heterogenen Datenquellen mit unterschiedlichen Schnittstellen und Datenraten. Insbesondere bei älteren Anlagen sind Adapterlösungen wie OPC UA notwendig, um die Integration in eine einheitliche Datenstruktur zu ermöglichen.
Abb. 2: Nutzerinterface mit der Anzeige der Sensorwerte (GUI) (Bild: Fraunhofer IPA)
Im Projekt wurde das kontinuierliche Substrat in diskrete Abschnitte unterteilt und mit Data-Matrix-Codes versehen. Sämtliche Maschinen- und Sensordaten sowie Umgebungsinformationen wurden in Echtzeit einer Zeitreihen-Datenbank zugeführt und den codierten Abschnitten zugeordnet. Dadurch entsteht ein digitales Abbild des gesamten Herstellprozesses, das sich bis zur Endanwendung rückverfolgen lässt. Die Daten sind zudem mit Informationen aus vorgelagerten Schritten wie der Pastenherstellung verknüpft – eine zentrale Voraussetzung für die Erstellung eines umfassenden Batteriepasses.
KI-gestützte Prozessanalyse und Assistenzsysteme
Die Auswertung dieser Daten ermöglichte die Entwicklung von KI-gestützten Softsensoren. Sie berechnen aus verfügbaren Prozessdaten virtuelle Messgrößen, die inline nicht direkt erfassbar sind, wie etwa die Trockenschichtdicke oder die Restfeuchte der Beschichtung. Die Modelle wurden mit realen Messwerten trainiert und durch Offline-Messungen validiert.
Die digitale Infrastruktur ermöglicht nicht nur die Überwachung, sondern auch eine adaptive Prozesssteuerung. In der prototypischen Umsetzung werden bei Abweichungen Warnmeldungen und Handlungsempfehlungen an das Bedienpersonal ausgegeben. Ein automatisches Eingreifen wurde im Forschungsbetrieb bewusst vermieden, wäre jedoch im industriellen Umfeld problemlos realisierbar.
Die im Projekt entwickelte Nachrüstung und Digitalisierung der Rolle-zu-Rolle-Anlage ist auf weitere Beschichtungs- und Lackieranlagen übertragbar. Damit wird der Weg geebnet für eine transparente, effiziente und qualitätsgesicherte Produktion im Sinne einer digitalen, nachvollziehbaren Fertigung.
Ansprechpartner
Carsten Glanz, Forschungsteamleiter Applikationstechnik multifunktionaler Materialien, Fraunhofer IPA
E-Mail: carsten.glanz@ipa.fraunhofer.de
Dr. Oliver Tiedje, Geschäftsbereichsleiter, Fraunhofer IPA,
E-Mail: oliver.tiedje@ipa.fraunhofer.de;
