Ein Workshop des Fördervereins Galvanicus in Schwäbisch Gmünd am 31. März und 1. April bot einen umfassenden Blick auf die Aktivitäten der letzten Jahre und die Neuerungen beim Einsatz von galvanischen Verfahren auf Basis von Chrom(III) als Alternative zu den klassischen Verfahren der Chromabscheidung. Da diese Veränderungen und Entwicklungen allein durch die europäische Chemikalienverordnung REACh iniitiert wurden, war eine umfangreiche Betrachtung der entsprechenden gesetzlichen Vorgaben ein wichtiges Kernthema des Workshops. Die Abscheidung aus Chrom(III)elektrolyten für dekorative Anwendungen hat sowohl auf Metalle als auch auf Kunststoffe bereits in zahlreichen Betrieben Einzug gefunden hat. Im Gegensatz dazu steckt die Abscheidung für funktionelle Anwendungen noch im Entwicklungsstadium. Dies gilt ebenso für die Vorbehandlung von Kunststoffen für die galvanische Metallisierung. Für alle Anwendungen ist die Betrachtung von Alternativen zur galvanischen Abscheidung notwendig, ebenso wie die Anpassung der Anlagentechnik, wie beispielsweise für die einzusetzenden Anoden für die Abscheidung.
Der Förderverein für die Fachschulen der Galvano- und Leiterplattentechnik Schwäbisch Gmünd e.V. - Galvanicus - hat nach den Worten von Frank Friebel, Vorsitzender des Fördervereins, als vordringliche Aufgabe die Fachschule für Galvano- und Oberflächentechnik zur Ausbildung von Nachwuchs in Schwäbisch Gmünd zu unterstützen. Dazu zählt einmal die finanzielle Unterstützung der Schule, das Fördern von Kontakten zu Unternehmen der Branche sowie dem Angebot von Unterrichtsinhalten. Aktuell steht die Gewinnung von Schülern für die Technikerausbildung im Vordergrund, da trotz dem ungebrochen hohen Bedarf der Unternehmen an Fachkräften eine stetig abnehmende Zahl an Absolventen zu verzeichnen ist. Dazu sind nach Ansicht von Frank Friebel die Unternehmen der Branche angehalten, verstärkt in die umliegenden Schulen für den Fachbereich zu werben. Die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise beruht auf der seit langem bestehenden und allseits bekannten Erkenntnis, dass Oberflächentechnik bei den potenziellen Nachwuchskräften nicht in ausreichendem Maße bekannt ist und damit ein verstärktes Engagement der Branche gefordert ist.
Die Möglichkeiten der modernen Galvanotechnik für den Einsatz bei wichtigen Produkten, die aktuellen Entwicklungen sowie die Herausforderungen der Branche lassen sich an Chromschichten deutlich aufzeigen. Mit Vorträgen von Anbietern und Anwendern der galvanischen Verchromung mit Fokus auf den Einsatz der Chrom(III)systeme wurde den Teilnehmern des Workshops ein umfassender Blick zu einem der Hauptthemen der letzten Jahre angeboten.
Chrom(VI) und REACh
Dr. Heermann, Dr.-Ing. Max Schlötter GmbH & Co. KG, eröffnete die Veranstaltung mit einer Darstellung des Autorisierungsverfahrens unter REACh und dessen Anforderungen und Auswirkungen auf die Industrie für die galvanische Abscheidung von Chrom aus Chrom(VI)elektrolyten. Die Verbindung Chromtrioxid ist für die Oberflächentechnik einer der wichtigsten Stoffe, da sie zur Abscheidung von metallischen Chromschichten benötigt wird und Chromschichten auf einer sehr großen Zahl an Bauteilen als Schutz gegen Korrosion, Verschleiß, Abrieb oder zu dekorativen Zwecken mit großem Erfolg eingesetzt werden. Allerdings gilt sechswertiges Chrom aufgrund seiner starken Neigung zur Oxidation als gesundheitlich sehr kritisch. Für die Galvanotechnik ist der Druck zur Schaffung von Ersatz aufgrund der Toxizität von Chrom(VI)verbindungen für die Produkthersteller sehr nachteilig.
Die wichtigsten Abläufe zur Erfüllung der Vorgaben aus der REACh-Verordnung, zum Beispiel im Hinblick auf die Verwendung von Chrom(VI)verbindungen (Bild: Dr. Heermann)
Ein möglicher Ersatz durch den Einsatz von Chrom(III) ist nicht oder nur sehr bedingt möglich, da die Eigenschaften der daraus galvanisch abgeschiedenen Schichten deutlich unterschiedlich sind. Aus den erkennbaren Einschränkungen resultiert auch die bisher lange Zeit seit der Aufnahme von Chrom(VI) als SVHC-Stoff im Jahre 2010, in der über Alternativen nachgedacht wird. Ein wichtiger Grund für die Verzögerungen ist, dass der Anwender in keiner Weise mit Chrom(VI) in Berührung kommt, sehr wohl aber mit den guten Eigenschaften der daraus hergestellten Oberflächen. Zudem ist die klassische Chromoberfläche sehr kostengünstig, weshalb es sehr schwierig ist, die in der Regel wesentlich teureren Alternativen einzusetzen.
Dr. Heermann ging im Weiteren auf den aufwändigen Weg und die vielfältigen Aktivitäten an Bürokratie von der Aufnahme eines Stoffes in die SVHC-Kandidatenliste und die daraus erwachsenden Arbeiten zum Erhalt einer Zulassung für die Verwendung gemäß REACh ein. Bereits die Aufnahme eines Stoffes in die SVHC-Kandidatenliste hat Aufgaben des Anwenders zu Folge, also vor allem Meldungen über die Verwendung mit Angaben von eingesetzten Mengen oder die mögliche Freisetzung des Stoffes oder auch die Verpflichtung, den Abnehmer eines Stoffes darüber zu informieren. Zudem ist der Anwender ab diesem Moment verpflichtet, nach Substituten zu suchen. Wird ein Stoffverbot ausgesprochen, so kann der Weg der Beschränkung oder der der Zulassung beschritten werden. Damit verbunden ist zum Beispiel eine Risikobewertung für den Einsatz eines Stoffes.
Für Chrom(VI) ist das Zulassungsverfahren gemäß REACh zu beschreiten, da Chrom(VI) im Anhang XIV der REACh-Verordnung erfasst ist. Um diese Weg vollständig zu durchlaufen, ist mit einem Zeitraum von mindestens zwei Jahren zu rechnen, wobei dieser Zeitraum für Chrom(VI) bereits deutlich länger ist und nach wie vor keine endgültige Entscheidung getroffen wurde. Im Zulassungsverfahren sind unter anderem die Einrichtungen SEAC (Committee for Socio-Economic Analysis – Ausschuss für sozioökonomische Analyse) und RAC (Committee for Risk Assessment – Ausschuss für Risikobeurteilung) einbezogen, während der gesamte Ablauf über die ECHA erfolgt. Die EU-Kommission trifft aufgrund der Entscheidung der ECHA und deren Hilfseinrichtungen ihre Entscheidung darüber, ob eine Zulassung erteilt werden kann. Hierbei spielen beispielsweise Risiken, mögliche Alternativen sowie der sozioökonomische Nutzen eine entscheidende Rolle. Für die Entscheidungsfindung sind zum Teil unterschiedliche Gewichtungen möglich, die gegeneinander abgewägt werden.
Diese komplexe Abfolge von Aktivitäten macht es notwendig, dass der Anwender im Vorfeld sorgfältig abwägt, ob eine Antragstellung und die daraus entstehenden Kosten sinnvoll für die weitere Nutzung des kritischen Stoffes im galvanischen Unternehmen ist. Zulassungsanträge können im Übrigen von allen Unternehmen innerhalb einer Lieferkette gestellt werden. Ein Zulassungsantrag besteht aus mehreren Untergruppen, wie Verwendung, Stoffsicherheitsbericht, Analyse der Alternativen, Substitutionsplan oder sozioökonomische Analyse. Unterschiedliche Handlungsoptionen bestehen auch bei Erteilung eines Stoffverbots, beispielsweise in Form von Klagen oder der Ausarbeitung von umfangreichen Kommentierungen und Begründungen für eine Vorgehensweise.
Aktuell steht die Änderung der Erfassung von Anhang XIV auf Anhang XVII zu Diskussion, durch die sich die Handlungspflichten ändern. Nach Entscheidung des EuGH vom 20. April 2023, der eine zuvor erteilte Zulassung zurücknahm, und nachdem bisher keine weiteren Entscheidungen gefällt wurden, darf aktuell immer noch Chrom(VI) in der Galvanotechnik verwendet werden. Aufgrund dieser Entwicklungen ist eine Beschränkung zu erwarten, deren Ausgestaltung aber noch nicht feststeht.
Umstellung von Chrom(VI) auf Chrom(III)
Als Experte für die galvanische Abscheidung von Chrom befasst sich Oliver Daub, Dr.-Ing. Max Schlötter, mit der Verwendung der neuen Chrom(III)verfahren, sowohl für die dekorative als auch die funktionelle Verwendung. Dabei betonte er, dass die dekorative Beschichtung unter Einsatz von Chrom(III)elektrolyten inzwischen als gut eingeführt gilt.
Für die dekorative Beschichtung sind zwei Arten an Elektrolyten verfügbar: chloridbasierte und sulfatbasierte Systeme. Überwiegend werden sulfatbasierte Verfahren eingesetzt, da sie bessere dekorative Eigenschaften aufweisen. Bei den Verfahren auf Basis von Sulfat werden in der Mehrheit Elektrolyte mit Komplexbildnern genutzt, die eine gute Stabilität und geringe Schwankungen bei den Elektrolyteigenschaften zeigen. Allerdings ist die Abwasserbehandlung aufwändiger im Vergleich zu den komplexbildnerfreien Systemen. Aufgrund der Tatsache, dass Komplexbilder für die Elektrolyte genutzt werden, unterliegt die Abwasserbehandlung besonderen Anforderungen, beispielsweise durch Zugabe von Stoffen zur Zerstörung der Komplexbildner, die wiederum relativ lange Reaktionszeiten erfordern.
Besonders gute Eigenschaften zeigen Schichten, wenn sie unter Einsatz von mehrlagigen Nickelschichten hergestellt werden. Sowohl Korrosionseigenschaften als auch Glanz sind von der Auswahl der Nickelschichten abhängig. Die Kombinationen, beispielsweise aus Nickelschichten mit und ohne Schwefel oder mit poriger beziehungsweise rissiger Struktur, weisen unterschiedliche Potentiale auf, die den Korrosionsverlauf steuern. Damit die Chromschicht eine hohe Korrosionsbeständigkeit aufweist, wird eine Nachbehandlung angewandt, zum Beispiel unter Einsatz von Strom. Hierbei wird eine metallorganische Deckschicht erzeugt, durch die unter anderem auch die Freisetzung von Nickel aus der Mehrlagenschicht reduziert wird.
Die Anlagentechnik einer Abscheidelinie erfordert zusätzliche Behälter zur Nachbehandlung sowie die Zusatzinstallation von Ionenaustauschern zur Entfernung von Störstoffen aus den wässrigen Lösungen. Eingesetzt wird die Technologie zum Beispiel für Haushaltsgeräteteile. Als Anoden werden beispielsweise Grafitanoden eingesetzt. Besonderes Augenmerk ist auf die Spülung vor der Chromabscheidung zu richten, um störende Fremdmetalleinschleppung zu vermeiden. Vorteilhaft im Vergleich zu Chrom(VI)verfahren ist unter anderem auch, dass der Aufwand für die Abluftreinigung zur Entfernung von Aerosolen reduziert werden kann.
Typischer Aufbau einer Anlage zur galvanischen Abscheidung von Chrom aus Chrom(III)elektrolyten (Bild: O. Daub)
Zum Einsatz kommt die Technologie zur Beschichtung von Bauteilen für Sicherheitssysteme, bei denen als Anoden MMO verwendet wird. Ionenaustauscher übernehmen die Entfernung von Fremdmetallen und eine erweiterte Abwasserbehandlung erlaubt die Zerstörung von Komplexbildnern mittels Wasserstoffperoxid. Neben den Änderungen beziehungsweise Erweiterungen der Anlagentechnik ist auf geeignete Isolierungen bei den Galvanogestellen zu achten. Im Fall der Beschichtung von Sicherheitssystemen aus Metall ist die Farbe vergleichbar derer von Chrom(VI)schichten. Damit wird, wie vom Endabnehmer geforderte, das Erscheinungsbild mit den verfügbaren Chrom(III)systemen erfüllt (Bericht in WOMag 1-2/2024).
In geringerem Umfang liegen Erfahrungen für die funktionelle Verchromung vor. Lediglich für wenige spezielle Anforderungen an die Schicht sind Verfahren zur Herstellung von Chromoberflächen aus Chrom(III)elektrolyten im Einsatz. Nachteilig bei diesen Elektrolytsystemen sind die Streuung oder die Mikrostruktur der Schichten sowie eine hohe Empfindlichkeit der Elektrolyte auf Verunreinigung mit Fremdmetallen. Ein Einsatz von Chrom(III)elektrolyten erfordert gegenüber Chrom(VI)systemen deutliche Erweiterungen der Abscheideanlage. Dies ist in erster Linie auf die notwendige Vorbehandlung aus Entfettung und Aktivierung sowie eine Anschlagvernickelung zurückzuführen. Zudem muss auch hier durch Ionenaustauscher eine Entfernung von Fremdmetallen aus den Abscheideelektrolyten und der Komplexverbindungen aus dem Abwasser garantiert werden.
Grundsätzlich ist zu bedenken, dass die bisher angebotenen Systeme auf Basis von Chrom(III)verbindungen zur Abscheidung von Hartchromschichten Fremdstoffe, insbesondere Kohlenstoff aus den im Elektrolyten eingesetzten Komplexverbindungen enthalten. Dieser Kohlenstoff erhöht die inneren Spannungen der Chromschichten und führt zu Mikrorissen. Die Schichten weisen also sowohl im Hinblick auf mechanische Belastungen, zum Beispiel durch Reibung, als auch im Hinblick auf korrosive Belastungen deutliche Schwächen auf. Zudem ist in zahlreichen Anwendungen der zwingende Einsatz einer Nickelschicht unter der Chromschicht nicht realisierbar. Schließlich treten vor allem bei komplexeren Bauteilgeometrien durch Auflösung des Grundmetalls deutliche Störungen der Schicht auf, wodurch die geforderten Eigenschaften der Hartchromschicht nicht gewährleistet sind.
Neu entwickelte Elektrolyte auf Basis von Chrom(III)verbindungen zur Abscheidung von Hartchrom zeigen eine deutlich verbesserte Streufähigkeit (Bild: O. Daub)
Inzwischen sind Verbesserungen bei der Elektrolytzusammensetzung zu vermelden, wodurch die Bildung von Mikrorissen vermeidbar ist. Neben den besseren Schichteigenschaften kann mit den neuen Systemen auf eine Unternickelung verzichtet werden. Zudem zeigen diese Systeme bessere Streufähigkeiten. Insgesamt wird also auch für den Ersatz der klassischen Hartchromverfahren zukünftig mit alternativen Systemen ohne Chrom(VI) gerechnet werden können, so das Fazit von Oliver Daub.
Kunststoffvorbehandlung ohne Chromtrioxid
Marvin Wagner von der BIA Kunststoff- und Galvanotechnik GmbH & Co. KG, Solingen, befasste sich mit einer zweiten wichtigen Anwendung von Chromtrioxid, dem Vorbehandeln von Kunststoffen zur galvanischen Beschichtung und den aus REACh entstehenden Herausforderungen zur Vermeidung von Chrom(VI)verbindungen für diesen Prozessschritt. Das Unternehmen des Vortragenden fertigt in großem Umfang Bauteile für Fahrzeuge, mit hohem Anteil im Innenbereich. In Ergänzung zur Automobilindustrie wird in zunehmendem Maße beispielsweise die Sanitär- oder Konsumgüterindustrie bedient. Die galvanische Verchromung erfolgt inzwischen in großem Umfang durch Einsatz von Chrom(III)elektrolyten, während der Ersatz für die Vorbehandlung – also das notwendige Beizen des Kunststoffs vor der eigentlichen galvanischen Abscheidung – noch in den Kinderschuhen steckt.
Im Unternehmen des Vortragenden laufen Seite etwa zehn Jahren Versuche mit unterschiedlichen Verfahren von namhaften Anbietern zur Vorbehandlung. Bei den Verfahren zeigt es sich, dass in der Regel eine höhere Anzahl an Einzelschritten für die Behandlung erforderlich ist. Dies lässt erkennen, dass die bisherige Technologie unter Einsatz von Chrom(VI) optimal für die Kunststoffvorbehandlung ist. Damit wird die Einführung in bestehende Anlagenumgebungen erheblich erschwert. Im Unternehmen des Vortragenden wurde dazu von 2020 bis 2022 Anlagen vollständig umgebaut, gefördert mit öffentlichen Geldern. Mit der entstandenen neuen Beschichtungsanlage kann Kunststoff sowohl mit der klassischen Prozessfolge als auch mit der verfügbaren neuen Vorbehandlungstechnik behandelt werden. Dies ermöglicht eine maximal flexible Gestaltung mit neuen Vorbehandlungsverfahren.
Schema einer neuen Beschichtungsanlage mit der erforderlichen hohen Flexibilität zur Prüfung neuer Verfahren der Vorbehandlung (Bild: M. Wagner)
Ein wichtiger zusätzlicher Schritt bei den meisten chrom(VI)freien Verfahren ist das Tauchen in einer Quellerlösung, mit der der Kunststoff oberflächlich angelöst wird. Nach dem Quellen wird in einer Beizlösung zum Beispiel mit Kaliumpermanganat (KMnO4) in Phosphor- oder Schwefelsäure weiter behandelt. Eventuell wird Mathansulfonsäure als Zusatz eingesetzt. Zudem wird eine chemische Behandlung (Oxamat) zur Aufarbeitung erforderlich. Diese Zusammenstellung lässt erahnen, dass die erforderliche Menge an Chemikalien (in der Summe) deutlich ungünstiger ist, als das beim bisherigen Verfahren mit Chrom(VI) der Fall ist. Um die entstehenden Abwässer zu behandeln, ist zudem eine deutlich aufwändigere Verfahrenstechnik notwendig.
Die entstehenden Beizbilder der Oberfläche zeigen mit den Alternativen eine merklich geringere Aufrauung der Oberfläche, woraus sich eine reduzierte Haftung der aufgebrachten Metallschicht ergibt. Daraus würde die Notwendigkeit resultieren, den Kunststoff in seinem Aufbau den neuen Beizwirkungen anzupassen – Arbeiten, die die Hersteller des Kunststoffgranulats durchführen sollten. Schließlich ist es nötig, die Isolierung der Galvanikgestelle vor dem Beschichten durch einen zusätzlichen Tauchschritt zu schützen, da die neuen, alternativen Vorbehandlungsmedien die Gestellbeschichtung angreifen.
Die Oberflächen werden mit den neuen Verfahren (4 Kunststofftypen rechts) nicht in der selben Qualität aufgeraut, wie mit der klassischen Technologie mit Chromtrioxid (Bild: M. Wagner)
Um im ersten Beschichtungsschritt nach der Vorbehandlung eine brauchbare Belegung mit Palladium zu erzielen, muss mit einem zusätzlichen Conditioner gearbeitet werden. Zwar können damit brauchbare Beschichtungen hergestellt werden, allerdings zu deutlich höheren Kosten. Diese höheren Kosten in Verbindung mit der Tatsache, dass die Umstellung nicht zwingend gefordert wird, haben dazu geführt, dass bisher kein Endkunde die Umstellung fordert. Einziger gravierender technischer Nachteil ist, dass eine selektive (partielle) Beschichtung von Mehrkomponentenkunststoffen mit den alternativen Verfahren bisher nicht möglich ist.
Ein neues Verfahren (Okuno), das von SurTec vertrieben wird, liefert deutlich bessere Ergebnisse, sowohl bei konventionellem Kunststoff als auch bei Mehrkomponentenkunststoff. Auch hier wird mit Queller gearbeitet. Allerdings neigt bei diesem Prozess das benötigte Verfahren der chemischen Nickelabscheidung zur Instabilität. Zudem besteht eine höhere Gefahr der Gestellbelegung sowie die Notwendigkeit zum Einsatz eines speziellen Aktivators für die Belegung mit Palladium.
Inzwischen wird seitens der Behörden die Übernahme von Chrom(VI) von Anhang XIV in Anhang XVII in Betracht gezogen, wodurch unter Umständen die bisher geleisteten Arbeiten weitgehend hinfällig werden würden. Zum Abschluss wies Marvin Wagner darauf hin, dass die Umstellung nur bei einem Beschichter nicht sinnvoll ist, da Endkunden stets mehrere Lieferanten für beschichtete Bauteile akzeptieren. Es muss also eine Umstellung auf breiter Front erfolgen, um hier den Endkunden eine brauchbare Alternative bieten zu können. Zudem müssten alle Nutzer von verchromten Kunststoffen stets berücksichtigen müssen, dass die Verwendung von Chrom(VI)verbindungen nicht verboten ist, sondern autorisierungspflichtig ist.
Chromtrioxid als Präzedenzfall
Als Vertreter des ZVO sowie des CETS richtete Dr. Malte Zimmer den Blick wieder auf die regulatorischen Größen von Chromtrioxid auf Basis der europäischen Chemikalienverordnung REACh. Dabei wies er einführend darauf hin, dass sich die regulatorische Situation als äußerst chaotisch darstellt. Ihren Ursprung hatte der bürokratische Umgang mit Chromtrioxid 2010 in der Feststellung von dessen Toxizität. Diese beruht unter anderem darauf, dass Chromtrioxid für die Branche der Galvanotechnik - also insbesondere für die Mitarbeiter der Betriebe - gefährlich sein soll. Die Aussage basiert auf der Messung zum Anteil von Chromtrioxid in der Umgebungsluft bei der galvanischen Abscheidung in Betrieben. Allerdings sind die statistischen Daten (besonders die Standardabweichung) eigentlich ohne Aussage. Genau genommen gibt es keine überhöhten Werten in Galvanikbetrieben. Die Priorisierung von Chromtrioxid in Anhang 15 REACh basiert auf einer fragwürdigen Anwendung der wissenschaftlichen Daten, vor allem von Krankheitsfällen durch Chromtrioxid. Hier zeigt es sich, dass die Galvanotechnik so gut wie keine Krankheitsfälle aufweist, im Gegensatz zu Branchen wie dem Schweißen. Die Aufnahme von Chromtrioxid in Anhang 14 REACh folgte dann im April 2013, wodurch der sogenannte Sunset Date für die Autorisierung auf den 21. September 2017 festgelegt werden konnte – ab diesem Datum war also eine explizite Zulassung für die Verwendung erforderlich.
Die Aktivitäten zur Autorisierung waren bis 2017 durch 49 Anträge mit 82 Verwendungen gekennzeichnet. Dagegen lassen sich jedoch über 1000 industrielle Standorte benennen, die Hartchrom oder vergleichbare Anwendungen nutzen. Bei genauer Betrachtung zeigt es sich, dass die Fragestellungen der Behörden an die Anwender nicht beantwortbar sind, da sie die falschen Inhalte aufweisen. Dies wurde von den Behörden erkannt und in der Nachfolge geändert. Allerdings war hier der Schwerpunkt, den Aufwand für die Behörden zu verringern (nicht für die Betriebe!). Fragwürdig findet der Vortragende die Argumentierung deutscher Behörden, dass sie lediglich die Vorgaben der EU umsetzen müssen. Korrekt ist aber, dass die nationalen Behörden die Vorgaben zur Erstellung der endgültigen EU-Regeln durchführen. Hier waren die deutschen Behörden – zum Leidwesen der Industrie – vor allem bei Chromtrioxid und PFAS – sehr aktiv.
Besonders kritisch ist nach Meinung von Dr. Malte Zimmer die in der Regel lineare Denkweise, die die entstehenden Nachteile durch Änderung einzelner Punkte unter dem Oberbegriff Green Deal nicht oder nicht ausreichend beachtet. Hier wird häufig sehr wenig Positives beziehungsweise vermehrt ein hoher Anteil an Nachteilen erreicht. Problematisch sind nach Ansicht des Vortragenden die bei den derzeitig betrachteten EU-Regulatoren kritisch zu sehenden Wechselwirkungskreise, die nur mit der Charakterisierung chaotisch belegt werden können.
Das System wird noch dadurch weiter verschlechtert, dass diverse Behörden durch ihre Tätigkeiten die schon bestehenden unübersichtlichen Beziehungen zunehmend chaotischer machen können. Derzeit ist nach Ansicht von Zimmer nicht erkennbar, dass das Versagen dieses chaotischen Systems verhindert wird. Aktuell wird dies durch IED 2.0 und BREF noch verstärkt. Als krasses Beispiel der behördlichen Unvernunft ist unter anderem die Schlussfolgerung aus Anhang 14 anzusehen: So muss beim Stoff PFAS nach den Gefährdungsbeurteilungen der deutschen Behörden pro Person eine Menge von wenigstens 10 000 Litern aufgenommen werden! Daraus ist tatsächlich zu schließen, dass PFAS vollkommen ungefährlich ist und die Panikmache den wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge vollkommen unberechtigt ist.
Ebenso wird die aktuell in Arbeit befindliche Neuerung der BREF nach Ansicht des Vortragenden dazu führen, dass in breitem Umfang zur Verhinderung oder Erschwerung bestehender Technologien der Oberflächentechnik unsinnige Vorgaben (z. B. benötige Wassermenge oder Strommenge) aufgelegt werden. Aufgrund dieser großen Zahl an sehr kritisch zu sehenden Entscheidungen oder Vorgehensweisen ist Zimmer davon überzeugt, dass nationale und europäische Behörden dringend eine Überarbeitung ihrer Ziele und Regelungen vornehmen müssen, damit die deutsche Industrie die nächsten Jahre bewältigen kann.
MMO-Anoden in Chrom(III)systemen – Entwicklung und Langzeiterfahrungen
Zum Abschluss des ersten Tages gab Christian Kurrle, Umicore Galvanotechnik, Schwäbisch Gmünd, seine Erfahrungen zu Praxis, Innovationen und Regulierungen durch den Einsatz von Chrom(III)verfahren wider. Bei der MMO-Oberfläche einer entsprechenden Anode handelt es sich um eine durch mehrere Schritte unter Einwirkung von thermischer Energie erzeugte Deckschicht auf Titanstreckmetall als Basis. Die MMO-Schicht selbst wird durch Tauchen oder Aufspritzen metallhaltiger Lösungen und anschließendes Tempern hergestellt und besteht aus Iridium und Tantal. Die Eigenschaften der Oberfläche lassen sich durch die Zusammensetzung (unterschiedliche Anteile an Iridium und Tantal) variieren. Wichtig ist die Festlegung der maximalen Stromdichte der galvanischen Abscheidung beim Anwender und die Beachtung der günstigen Stromverteilung über die Anode sowie die Einwirkung des Elektrolyten aufgrund dessen Zusammensetzung.
Beim Einsatz der MMO-Anoden macht sich freiliegendes Titan an den Schnittkanten negativ bemerkbar, da dort verstärkt Chrom(III) zu Chrom(VI) oxidiert wird. Die Anreicherung des Elektrolyten mit Chrom(VI) wiederum führt zur Bildung von matten Chromschichten. Die Bildung von Chrom(VI) wird zudem durch zu hohe anodische Stromdichten verstärkt.
Funktionstüchtige (l.) und beschädigte Oberfläche einer MMO-Anode in Aufsicht (Bild: Ch. Kurrle)
Querschliff durch eine funktionstüchtige MMO-Schicht (r.) sowie fehlerhafte Schicht durch Oxidbildung auf Titan (Bild: Ch. Kurrle)
Positiv würde sich auf die Lebensdauer einer Anode die Erhöhung der Dicke der MMO-Schicht auswirken. Darüber hinaus ist eine mechanische Beschädigung der MMO-Schicht unbedingt zu vermeiden. Allerdings führt eine höhere Schichtdicke zu einem deutlichen Anstieg des Übergangswiderstands, so dass die Schichtdicke auf einen Maximalwert begrenzt werden muss. Eine höhere Schichtdicke wird zudem durch den hohen Preis von Iridium als metallische Komponente in der MMO-Schicht eingeschränkt, so dass die gegensätzlichen Parameter (Dicke, elektrischer Widerstand, Metallkosten) optimiert werden müssen. Als Weiterentwicklung folgte eine Schicht mit geringerem Anteil an Iridium. Inzwischen sind die daraus entstandenen Anoden seit etwa zwei Jahren im Einsatz, ohne Anzeigen von Ausfall. Zudem ist es nun möglich, das restliche Iridium von abgearbeiteten Anoden zu entfernen und zu recyceln.
Bei einem Einsatz in einer Produktionsanlage bei BIA unter Praxisbedingungen hat sich gezeigt, dass die Anodenanschlüsse im Laufe der Nutzung oxidieren können. Dadurch erhöht sich der Übergangswiderstand, durch den die Anodenoberfläche vom Titansubstrat abplatzen kann. Erkennbar ist dieser Fehler an einer Erhöhung der Gleichrichterspannung. Die Fehlerbildung kann in gewissem Umfang durch eine erhöhte Pressung beim Verschrauben zwischen Anodenanschluss und Anodenschiene an der Abscheideposition vermieden werden. Darüber hinaus hat es sich im Einsatz gezeigt, dass eine sorgfältige Lagerung in Ruhezeiten die Lebensdauer der Anoden verbessert.
-wird fortgesetzt-


Die wichtigsten Abläufe zur Erfüllung der Vorgaben aus der REACh-Verordnung, zum Beispiel im Hinblick auf die Verwendung von Chrom(VI)verbindungen(Bild: Dr. Heermann)

Typischer Aufbau einer Anlage zur galvanischen Abscheidung von Chrom aus Chrom(III)elektrolyten(Bild: O. Daub)

Neu entwickelte Elektrolyte auf Basis von Chrom(III)verbindungen zur Abscheidung von Hartchrom zeigen eine deutlich verbesserte Streufähigkeit(Bild: O. Daub)

Schema einer neuen Beschichtungsanlage mit der erforderlichen hohen Flexibilität zur Prüfung neuer Verfahren der Vorbehandlung(Bild: M. Wagner)

Die Oberflächen werden mit den neuen Verfahren (4 Kunststofftypen rechts) nicht in der selben Qualität aufgeraut, wie mit der klassischen Technologie mit Chromtrioxid(Bild: M. Wagner)

Funktionstüchtige (l.) und beschädigte Oberfläche einer MMO-Anode in Aufsicht(Bild: Ch. Kurrle)

Querschliff durch eine funktionstüchtige MMO-Schicht (r.) sowie fehlerhafte Schicht durch Oxidbildung auf Titan(Bild: Ch. Kurrle)