REACh und die Verchromung und kein Ende – oder doch?

Oberflächen 05. 04. 2025
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Von Klaus Schmid, Fraunhofer IPA

Wann erfolgte jetzt gleich nochmal die Aufnahme von Chromtrioxid in dieListe der für eine Zulassung in Frage kommenden besonders besorgniserregenden Stoffe? Und was ist seither nicht alles zu diesem Thema passiert… Zum ersten war das der 15. Dezember 2010 und zum anderen haben sich die meisten mit der Verchromung befassten Kolleginnen und Kollegen inzwischen beispielsweise ein ganz brauchbares Verständnis für Behörden-Englisch erarbeitet, fast jedem gehen Begriffe wie Candidate List of Substances of Very High Concern for Authorisation oder Recommendations for inclusion in the Authorisation List recht geläufig in die Gehörgänge. Dazwischen gab es und gibt es immer noch zahlreiche andere Entwicklungen und Irrungen und nicht zuletzt Wirrungen, die sicher nie langweilig waren. Was wenigstens eine Sache ist, die man zu der Thematik positiv erwähnen kann. Aktuell kann vorsichtig geschlossen werden, dass sich das Thema Verchromung und REACh langsam einer gewissen Art von Abschluss nähert, vielleicht gibt es ja vorher noch einen dramatischen Höhepunkt. Wie lange das aber noch genau dauert und was dabei rauskommt, ist noch nicht bekannt; alles andere wäre ja wohl auch zu einfach. Ein gewisser Anteil Sarkasmus sollte bei diesem Thema erlaubt sein, schließlich hat der Autor dieser Zeilen in den letzten 10 Jahren einen großen Teil seiner Arbeit dazu eingesetzt, zahlreichen Industriebtrieben mit Rat und noch mehr mit Tat in diesem sowohl regulatorisch als auch vor allem technologisch äußerst schwierigem Terrain weiterzuhelfen.

Was sind jetzt aktuell belastbare Fakten, um ein Quo Vadis Chrom VI zu erschließen? Und, fast noch wichtiger: was ergibt sich noch an Handlungsoptionen für die Branche?

Nun, Fakt 1 ist beziehungsweise war, genau gezählt am 8. Oktober 2024, dass insgesamt 579 Autorisierungsanträge bei der EACH anhängig waren, 222 davon zur Verwendung von Chrom(VI). Das sind genau 38,3 % der gesamten Anträge. Wenn berücksichtigt wird, dass auf der Authorisation List neben Chrom(VI) insgesamt 59 SVHC-Stoffe stehen, gewinnt man ein Bild von der Bedeutung dieses Stoffes für die industrielle Anwendung. Von diesen 222 Anträgen zu Chrom(VI) wiederum waren zum damaligen Zeitpunkt gerade einmal 101 entschieden, das sind lediglich 45 %; der Rest befand sich und befindet sich immer noch im unentschiedenen Zustand. Vor diesem Hintergrund war es durchaus nachvollziehbar und folgerichtig, dass die EU-Kommission bereits am 27. September 2023 der ECHA ein Mandat zur Erstellung eins Annex XV restriction dossier bezüglich Chrom(VI) erteilt hat. Im gesamten REACh-Regelwerk gibt es ja zwei unterschiedliche Mechanismen, um die Verwendung von Chemikalien einzuschränken, entweder die Authorisation oder die Restriction. Diese beiden Mechanismen schließen sich dabei gegenseitig aus.

Somit ergibt sich Fakt 2: egal wann genau es passiert, Chrom(VI) wird über kurz oder lang von Anhang XIV (Authorisation) in den Anhang XVII (Restriction) wandern, und zwar formal betrachtet mehr oder weniger simultan. Die im Rahmen dieser Restriction dann festgeschriebenen und zu erwartenden Verwendungsbeschränkungen beziehungsweise Verwendungsbedingungen werden dann die zukünftigen Einsatzmöglichkeiten von Chrom(VI) dauerhaft bestimmen. Daran wird es nichts mehr zu rütteln geben. Sämtliche zu diesem Zeitpunkt eventuell noch gültigen Autorisierungen werden obsolet werden. Daraus folgende stellen sich also zwei Fragen: zum einen wie diese anzunehmenden Verwendungsbeschränkungen beziehungsweiese -bedingungen genau aussehen und zum andern, wann die Übertagung von Chrom(VI) in Anhang XVII stattfinden wird.

Bezüglich der in Zukunft zu erwartenden Verwendungsbeschränkungen für die relevanten Chrom(VI)verbindungen ist zeitnah eine gewisse Aufklärung zu erwarten. Am 11. April 2025 ist die ECHA gehalten, ihr Dossier bezüglich Restricting the use of certain chromium (VI) substances zu übermitteln, das dann innerhalb etwa eines Monates auch veröffentlicht werden wird. Ab etwa Mitte Mai ist dann wenigstens bekannt, welche Vorstellungen die ECHA hat. Wiederum nach etwa einem Monat, also ab Mitte Juni, wird dann die sechsmonatige öffentliche Consultation starten.

Und hier kommt jetzt Fakt 3: Diese sechs Monate, aller Voraussicht etwa von Mitte Juni bis Mitte Dezember 2025, sind die letzte Möglichkeit für die gesamte Branche, auf den regulatorischen Prozess und damit die Ausgestaltung der kommenden Restriction für Chrom(VI) Einfluss zunehmen. Somit sind alle Betroffenen aufgerufen, diese Gelegenheit letztmalig noch zu nutzen. Es ist noch nicht sicher sagbar, wie die Consulation inhaltlich genau gestaltet ist, aber wie auch bei den Autorisierungen selbst kann vorrausgesetzt werden, dass alles an belastbaren Zahlen, Daten und Fakten bezüglich möglicher Alternativen und durchgeführter Substitutionsbemühungen relevant sein kann. Je spezifischer diese Informationen sich auf genau abgegrenzte Bauteilgruppen beziehen, desto besser.

Nach Abschluss der Consultation wird die Zeitschiene schwierig. Im Endeffekt sind alle eingegangenen Beiträge von der EACH beziehungsweise genauer RAC und SEAC zu prüfen und zu berücksichtigen. Es lässt sich natürlich nicht vorhersagen, wie viele Kommentierungen mit welchem Umfang eingehen werden. Im besten Fall könnte eine Restriction etwa ab Ende 2026 in Kraft treten. Wie realistisch dieser beste Fall (best case) ist und ob es sich hier wirklich um den best case handelt, mag der geneigte Leser selbst entscheiden. Eine möglichste schnelle Restriction würde aber natürlich endlich Klarheit für alle schaffen.

Es ist allerdings - Fakt Nummer 4 – zu bedenken, dass der gesamte Prozess auch deutlich länger laufen kann. Beispiele abgeschlossener Prozesse zum Beispiel für Mikroplastik zeigen, dass hier durchaus auch noch ein paar Jahre mehr als Zeitraum für die Bekanntgabe der Entscheidung möglich sind, was unter Umständen wirklich schlimmer wäre und auf einen Zeitpunkt beispielsweise auch Ende 2029 herauslaufen würde. In Konsequenz könnten sich zunehmend Situationen ergeben, dass die gewährten Autorisierungen von Betrieben ablaufen, bevor die Restriction in Kraft tritt. Rein formal müssten hier wohl noch Reviews beantragt werden – soweit sich derzeit die möglichen Verläufe abschätzen lassen.

Um die gute Tradition eines positiven Ausblicks aufrecht zu erhalten, lässt sich die Situation vielleicht so zusammenfassen: Eine letztendliche Klärung der zukünftigen Verwendungsbeschränkungen beziehungsweise Verwendungsbedingungen für Chrom(VI) ist definitiv in Aussicht, wenn auch nicht kurz- so doch mittelfristig. Das Jahr 2025 bietet der Branche dabei nochmals die Möglichkeit, durch Präsentation von möglichst aktuellen, fundierten Zahlen, Daten und Fakten im Rahmen von Kommentierungen einen hoffentlich positiven Einfluss auf den gesamten Prozess zu nehmen.

Quellen:

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