Simulation metallorganischer Gerüstverbindungen (MOFs)

Werkstoffe 08. 10. 2024
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Aufgrund der komplexen Strukturen der als MOFs bekannten mikroporösen Kristalle waren zuverlässige Simulationen ­ihrer Eigenschaften bislang schwierig. Die Lösung dafür liefert Machine Learning, berichtet die TU Graz.

Wasserstoffspeicherung, Wärmeleitung, Gasspeicherung, CO2- und Wasserabscheidung – metallorganische Gerüstverbindungen (Metal-
Organic Frameworks oder kurz MOFs) haben außergewöhnliche Eigenschaften aufgrund ihrer einzigartigen Struktur in Form von mikroporösen Kristallen, die trotz ihrer geringen Größe eine sehr große Oberfläche aufweisen. Das macht sie für Forschung und praktische Anwendungen äußerst interessant. MOFs sind allerdings sehr komplexe Systeme, deren genaue Simulation bislang nur mit viel Zeit- und Rechenaufwand bewältigbar war. Ein Team um Egbert Zojer vom Institut für Festkörperphysik der TU Graz hat laut einer Mitteilung der TU Graz mittels maschinellen Lernens diese Simulationen wesentlich verbessert, wodurch die Entwicklung und Anwendung neuartiger MOFs enorm beschleunigt wird. Ihre Methode haben die Forschenden im zu Nature Research gehörenden Fachmagazin npj Computational Materials vorgestellt.

Bisher quantenmechanisch illusorisch

Für die Simulation gewisser Eigenschaften von MOFs ist es nach Aussage von Egbert Zojer notwendig, riesige Superzellen zu simulieren. Das gelte beispielsweise bei der Berechnung der Wärmeleitung in MOFs, die für fast alle Anwendungen sehr hohe Relevanz habe. Die simulierten Superzellen enthalten laut Zojer oft zehntausende oder sogar hunderttausende Atome. Für diese riesigen Systeme sei es notwendig, die Bewegungsgleichungen fünf bis zehn Millionen Mal zu lösen. Unter Einsatz zuverlässiger, quantenmechanischer Methoden ist es allerdings völlig illu­sorisch, zehn Millionen Mal die Kräfte zu berechnen, die hunderttausend Atome auf­einander ausüben, beschreibt Egbert Zojer die Herausforderung, die es zu lösen galt.

Bisher kamen für solche Berechnungen Kraftfelder zum Einsatz, die häufig anhand von Experimenten parametrisiert worden sind. Die mit solchen Kraftfeldern erzielten Ergebnisse erweisen sich in der Regel allerdings als wenig zuverlässig. Durch den Einsatz von maschinengelernten Potenzialen ändert sich dies nun grundlegend. Diese werden unter Ausnützung eines neu entwickelten ­Zusammenspiels von existierenden, teilweise an der Universität Wien ­entwickelten Algorithmen an quantenmecha­nische Simulationen angepasst. Zum materialspezifischen maschinellen Lernen der Potenziale müssen die quantenmechanischen Simulationen nur für vergleichsweise wenige und deutlich kleinere ­Strukturen durchgeführt werden. Dadurch laufen die Berechnungen um viele Größenordnungen schneller und es wird möglich, die Kräfte in den riesigen Superzellen auf modernen Supercomputern viele Millionen Mal zu simulieren. Der entscheidende Vorteil dabei ist laut Mitteilung der TU Graz, dass es zu keinem relevanten Verlust an Genauigkeit im Vergleich zu quantenmechanischen Berechnungen kommt.

Effizientere Suche nach den ­gewünschten Eigenschaften

Für das Beispiel Wärmeleitung von MOFs bedeutet das: Durch die neu entwickelte Simulationsstrategie wird es möglich sein, die relevanten Materialeigenschaften schon vor der Synthese der MOFs zu simulieren und damit zuverlässig maßgeschneiderte Strukturen am Computer zu entwickeln. Für die Forschung an komplexen Materialien stellt dies einen großen Sprung nach vorn dar, der es Forschenden beispielsweise erlauben wird, das Zusammenspiel der Metalloxidknoten und der halbleitenden organischen Linker für den Wärmetransport zu optimieren. So wird es auch einfacher, komplexe Herausforderungen zu überwinden. So müssen MOFs je nach Anwendungsfall beispielsweise gute oder schlechte Wärmeleitfähigkeiten aufweisen.

Ein Wasserstoffspeicher etwa muss Wärme gut ableiten können, während in thermoelektrischen Anwendungen gute elektrische Leitung mit möglichst geringer Wärmeableitung kombiniert werden soll. Neben der Simulation der Wärmeleitfähigkeit sind die neuen, maschinengelernten Potenziale auch ideal zur Berechnung von anderen dynamischen und strukturellen Eigenschaften von MOFs geeignet: Dies umfasst unter anderem kristallographische Strukturen, elastische Konstanten, Schwingungsspektren sowie Phononen, die für die thermische Stabilität von MOFs und für ihre Ladungstransporteigenschaften eine entscheidende Rolle spielen.

Quantitativ zuverlässige Zahlen

Wir haben jetzt Tools, von denen wir ­wissen, dass sie uns auf unglaublich effiziente Art und Weise quantitativ zuverlässige ­Zahlen liefern,sagt Egbert Zojer Damit können die Forschenden in den Simulationen systematisch die Strukturen der MOFs verändern und sich gleichzeitig sicher sein, dass die Simulation der Eigenschaften der neuen Materialien auch akkurat sein werden. Dies wird es uns erlauben, kausalitätsbasiert zu verstehen, welche Veränderungen der atomistischen Struktur die gewünschten Effekte generieren, so Egbert Zojer.Falko Schoklitsch

Originalpublikation

S. Wieser, E. Zojer: Machine learned force-fields for an Ab-initio quality description of metal-organic frameworks; npj Comput Mater 10, 18 (2024), https://doi.org/10.1038/s41524-024-01205-w

Kontakt

Egbert Zojyer, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn., TU Graz, Institut für Festkörperphysik,E-Mail: egbert.zojer@tugraz.at

Text zum Titelbild: Die Simulation der Wärmeleiteigenschaften von MOFs erfolgt durch die neue Methode mit sehr hoher Genauigkeit (Bild: IF/TU Graz)

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