Mit dem Sunset Date 21. September 2021 darf Chromtrioxid gemäß der europäischen REACh-Verordnung grundsätzlich nicht mehr verwendet oder in Verkehr gebracht werden, sofern keine Autorisierung für die Verwendung erteilt wurde. Verbunden hiermit ist die Suche nach Alternativen, die das Chromtrioxid ersetzen können, entweder als Chemikalie selbst oder als aufgebrachte Beschichtung, das heißt durch eine andere Beschichtungstechnologie.
Diese Situation sollte aktuell jedem bekannt sein, der Chrom(VI)verbindungen nutzt. Weniger bekannt ist das für die Anwender des Endprodukts Chrom in metallischer Form, da dieses von dem Verbot nicht betroffen ist. Damit ist auch die Motivation für die Suche nach einer anderen Beschichtung als Ersatz für metallisches Chrom bei den Anwendern als eher gering einzustufen.
Der Workshop der EFDS – Europäische Forschungsgesellschaft Dünne Schichten e. V. – zum Thema Drohendes Chrom(VI)verbot setzt die Industrie unter Druck | Perspektiven mit der Dünnschichttechnologie fasste einen Teil des aktuellen Standes zusammen und trägt zur Entwicklung von zukünftigen Strategien bei.
Hintergrund und Anlass
Die in der Gesetzgebung der Chemikaliensicherheit einmalige Situation, dass das metallische Chrom als Anwendung unkritisch ist, erschwert den Umgang mit der gefährlichen Chemikalie sichtlich. Kunden der verchromenden Betriebe sehen nicht die Notwendigkeit, eine funktionierende Beschichtung zu ersetzen.
Lediglich die Unsicherheit in der Lieferfähigkeit macht die Kunden verstärkt auf die Situation aufmerksam. Das Nutzungsverbot von Chrom(VI)verbindungen hat die Diskussion hinsichtlich einer möglichen Weiterverwendung deutlich intensiviert. Deutlich geworden ist die Notwendigkeit einer juristischen und wirtschaftlichen Aufarbeitung, deren Ergebnisse zu möglichen Reaktionen aller beteiligten Gruppen führen wird.
Die aktuellen Bewertungen erfordern eine möglichst sichere und belastbare Informationssammlung. Ziel ist es, jede Anwendung zu beschreiben und hinsichtlich der Notwendigkeit der weiteren Nutzung von Chromtrioxid zu bewerten. In der gesamten Beschichtungstechnologie wird jedoch spätestens seit dem Ende der 1990iger Jahre nicht mehr die Beschichtung als solche betrachtet, sondern die Realisation der gewünschten Eigenschaften und Funktionen. Damit werden verschiedene Technologien erfolgreich genutzt und haben auch bereits zu Erweiterungen der Produktspektren geführt. Weiterhin erfolgreich eingesetzt werden aber auch die klassischen Verfahren, die sich bewährt haben und die für die unterschiedlichsten Anwendungen optimiert worden sind.
Einige Technologien, die in Konkurrenz zueinander stehen, sind beispielsweise:
- Trivalente Chrombeschichtungen (Cr(III))
- Dünnschichttechnologien (PVD und CVD)
- Hochleistungspolymere und organische Beschichtungen
- Zink-Nickel-Legierungen und andere anodische Beschichtungen
- Anodisierung
- Umweltfreundliche Passivierungen
- Nanobeschichtungen
Im Detail werden dabei unter anderem folgende Beschichtungen bereits erfolgreich eingesetzt:
- Vernickelung und sonstige galvanische Verfahren
- Dreiwertiges Verchromen
- Einbau von Nanopartikeln beziehungsweise unterschiedliche Schichtmodifikationen
- Härten unter Anwendung der Technologien Aufkohlen, Carbonitrieren, Cyanisieren, Nitrieren oder Borieren
- Chemische Abscheidung aus der Gasphase (CVD)
- Thermische Hochgeschwindigkeitsverfahren (z. B. Laserauftragschweißen)
- Physikalische Abscheidung aus der Dampfphase (PVD)
- DLC-Beschichtung (bekannt als Diamantbeschichtung)
- Plasmaspritzen
- Allgemeine Laser- und Schweißbeschichtungstechnologie
- Thermische Spritzschichten
- Lackierung
Zu beachten ist, dass nicht nur die Beschichtung selber in der Diskussion steht, sondern auch die Änderung beziehungsweise die Anpassung des Substrats selbst. So wird untersucht, ob die Art des Stahls als häufigstes Substrat angepasst werden kann (rostfreier Stahl beziehungweise Schnellarbeitsstahl oder ob das Produkt als solches in Design und Ausführung überhaupt noch eine Beschichtung benötigt).
Eine abschließende Bewertung zum Vergleich der Technologien ist derzeit nicht möglich. Grund hierfür ist nicht nur der technologische Aspekt, weitaus wichtiger ist die Bewertung des mit der Anwendung verbundenen Risikos. Es soll unbedingt vermieden werden, eine Regrettable Substitution durchzuführen, damit die Alternative nicht ein gleiches oder vielleicht sogar höheres Risiko erzeugt. Doch ein belastbarer Vergleich des Risikos der einzelnen Beschichtungstechnologien ist nur sehr schwer möglich. Auch aufgrund der Vielzahl von Alternativen ist dies absehbar nicht zu erwarten. Damit hat die Verwendung von Chrom(VI)verbindungen juristisch gegenüber den anderen Technologien allerdings einen Nachteil.
Typischerweise werden folgende Bereiche zur Bewertung der Anwendung herangezogen:
- Gesundheitsschutz
- Umweltschutz
- Rechtliche Compliance
- Verbesserung der Corporate Social Responsibility
- Kosteneinsparungen
- Innovation und technologische Entwicklung
- Reduktion von Haftungsrisiken
Die aktuell genutzten Datenquellen sind zum einen die Angaben, die bei der Registrierung der Stoffe angegeben worden sind, und die eingereichten Anträge auf eine Ausnahme vom Verbot, also durch eine Autorisierung von speziellen Anwendungen (Details siehe ECHA-website).
Besonders die Verwendung der Chromsäure zur Verchromung hat sich als so weit verbreitet gezeigt, dass zum einen eine Erfassung aller relevanten Anwendungen bisher nur bedingt möglich ist und zum anderen die Bewertung möglicher Substitutionen der Chromschicht zum spezifischen Produktersatz aufgrund der weiten Verbreitung problematisch ist. Letzteres liegt wesentlich daran, dass viele Anwendungen auf die Verwendung einer Chromschicht ausgerichtet worden sind. Hierdurch wurden im Lauf der Jahre Optimierungen ermöglicht, die nur schwer zu substituieren sind.
Allerdings hat sich auch gezeigt, dass viele Anwendungen nicht zwingend den Einsatz von Chrom(VI)verbindungen erfordern. Damit wird jede Anwendung sich hinsichtlich des Nutzens rechtfertigen müssen. Diese Diskussion wird durch den Begriff Essential Use beschrieben.
Ausgehend von der Betrachtung der Chrom(VI)verbindungen müssen Alternativen nachweisen, dass diese hinsichtlich des chemischen Risikos sicherer sind. Eine Evaluation des Risikovergleichs ist wie die Bewertung des Ersatzes von Chromschichten aufgrund von fehlenden Daten nur schwer möglich, wenn auch notwendig.
Die Diskussion zum Austausch der Chrombeschichtungen aufgrund der REACh-Verordnung muss deshalb grundsätzlich als Bewertung einer betrieblichen Weiterentwicklung durch technologische Entwicklungen behandelt werden. Eine alleinige Betrachtung des Risikos ist nicht ausreichend, sollte aber alle Beteiligten motivieren, sich der Thematik zu stellen.
Zur Realisierung einer Substitution sind neben der Diskussion nach REACh damit eher die klassischen Aspekte zur Innovationsbereitschaft relevant (siehe Kasten). Diese sind vielfach zusammengefasst und diskutiert worden und sollen hier nicht weiter ausgeführt werden. Verschiedene Umfragen und Untersuchungen zeigen, dass Neuerungen nur sehr zögerlich eingeführt werden, wenn bestehende Strukturen verändert werden müssen. In Kombination mit der REACH Verordnung beschreibt dies die geringe Motivation beim Endanwender, die Chromschicht zu ersetzen bzw. in Frage zu stellen. Es ist also nicht zu erwarten, dass wirkliche Veränderungen erfolgen werden solange eine Substitution nicht zwingend vorgeschrieben wird.
Ein Ende der Diskussion zum Stand der weiteren Verwendung von Technologien auf Basis von Chrom(VI) ist aktuell nicht absehbar. Allerdings haben andere Beschichtungstechnologien ihre Eignung als Ergänzung und teilweise als Ersatz der Chromschicht durchaus nachgewiesen.
Die von der ECHA veröffentlichten Daten zeigen, dass mehr als die Hälfte der Registrierungsdossiers als potentielle und vielversprechendste Alternative die Technologien unter Einsatz von Chrom(III)verbindungen angeben. Etwa ein Viertel sehen PVD, CVD, DLC und chemisch abgeschiedenes Nickel als Alternative. Weitere Nennungen umfassen spezielle Untersuchungen, die nur für eine einzelne Anwendung genutzt werden können. Die Angaben der Autorisierungsanträge bestätigen dieses Bild.
Da die Substitution nur bedingt technologisch erfolgt, sind als wesentliche Alternative für zukünftige Beschichtungen die Verfahren auf Basis von Chrom(III)verbindungen zu erwarten. Diese Bewertung basiert im Wesentlich auf dem Wunsch der Anwender, die metallische Chromschicht beizubehalten. Nichtsdestoweniger werden die anderen Verfahren ihre jeweiligen Potenziale verstärkt entwickeln und in den Prozess einbringen.
Ergebnisse des Workshops
Der Workshop hat einen Beitrag dazu geleistet, die aktuelle Leistungsfähigkeit verschiedener Beschichtungstechnologien zusammenzufassen und mögliche weitere Entwicklungspotenziale aufzuzeigen.
Die technologischen Eigenschaften der Beschichtungen haben sich als wichtig, aber nicht entscheidend für die Bewertung einer möglichen Substitution erwiesen. Wesentlich ist der Vergleich der Risikobedingungen der Technologien inklusive der darin eingesetzten Substanzen. Jedoch noch wichtiger sind die juristischen Bedingungen für eine zukünftige Verwendung.
Einführend gab Malte Zimmer vom Zentralverband Oberflächentechnik e. V. (ZVO) einen Überblick über die aktuell zu berücksichtigenden Vorschriften, die von Beschichtungsbetrieben einzuhalten sind. Er zeigte auf, das im Bereich der Nutzung der Chrom(VI)verbindungen diskutiert wird, nicht eine Einzelanwendung in den Vordergrund zu stellen sondern Bereiche, die als Ganzes bewerten werden können (Beschränkung). Diese müssen die grundsätzlichen Vorteile für die Gesellschaft nachweisen (essential use). Damit verbunden ist neben der Betrachtung der Chemikaliensicherheit das verstärkte Einbeziehen der Umweltgesetzgebung und die damit verbundenen Betriebsbedingungen. Dies gelte für alle Betriebe, unabhängig von der verwendeten Substanz.
Den Stand der am meisten gewünschte Alternative der Technologie auf der Basis von Chrom(III)verbindungen fasste Martin Leimbach, TU Ilmenau, zusammen. Die Technologie hat seit der Autorisierungspflicht große Fortschritte gemacht. Im Bereich der dekorativen Anwendung konnten auch bereits Ergebnisse erzielt werden, die mit Schichten aus klassischen Chrom(VI)verfahren vergleichbar sind. Allerdings sind im Bereich der Elektrolytzusammenfassung und Produktionssicherheit im Hinblick auf die Einschätzung der Gesamtgefährdung noch weitere Entwicklungen notwendig.
Das Potenzial der PVD-Technologie wurde von Ottmar Zimmer vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS dargelegt. Der wesentliche Vorteil dieser Technologie ist die breitere Anwendung für verschiedene Schichtsysteme und Substrate. Allerdings sind die Kosten derzeit noch höher als für die klassische Verchromung. Jedoch sind die Erfahrungen bei speziellen Anwendungen sehr positiv. Die Flexibilität der Schichteigenschaften ist für die Anpassung an diese Anwendungen von großem Vorteil.
Matthias Janke von der Oerlikon Balzers Coating Germany GmbH bestätigte diese Vorteile. Im Bereich der Luftfahrt und in einigen Bereichen der Automobilfertigung erfolgten erfolgreiche Entwicklungen und Anwendungen. Die Technologien müssen jedoch an die Produkte genau angepasst werden, sind dann aber sehr erfolgreich.
Erfahrungen mit der erfolgreichen Substitution von galvanisch abscheidenden Chrom(VI)prozessen durch PVD stellte Romain Waidelich von Inorcoat Germany dar. Verschiedene industrielle Beispiele zeigen, dass eine Umstellung erfolgreich durchgeführt werden kann.
Auch Ron Dielis, Ionbond Netherlands B. V., berichtete über erfolgreiche Anwendungen, welche ebenfalls angepasst werden müssen. Derzeit sei allerdings ein kompletter Ersatz der Verchromung durch eine geeignete Alternative trotz aller Nachteile nicht möglich - es ist einfach zu gut. Langfristig könnte sich dieses Bild aber aufgrund der Entwicklung neuer Funktionen verändern.
Da eine Beschichtung, insbesondere die Verchromung aus Chom(III)elektrolyten, häufig mit einer Nickelschicht verbunden ist, ist für eine Risikobewertung die Nickellässigkeit zu betrachten. Jan Michael vom Institut für Korrosionsschutz IKS Dresden GmbH stellte entsprechende Untersuchungen an verchromten Kunststoffbauteilen vor. Die Ergebnisse zeigen, dass in diesem Bereich Schichten aus Chrom(III)elektrolyten noch nicht zufriedenstellend sind. Die Nickellässigkeit von Bauteilen mit Schichten aus Chrom(III)verfahren ist tendenziell immer höher als diejenige von Schichten aus Chrom(VI)elektrolyten. Während Bauteile mit Schichten aus klassischen Chrom(VI)elektrolyten keine Überschreitung des Grenzwerts der Nickellässigkeit nach DIN EN 12472 zeigen, fällt bei Schichten aus Chrom(III)verfahren eine Überschreitung des Grenzwerts auf.
Annika Wagner, Rübig GmbH & Co. KG, berichtete über PACVD- und Nitrierverfahren sowie DLC-Beschichtungen für Kolbenstangen als Verschleiß- und Korrosionsschutz sowie über die Verwendungen von DLC-Schichten als Alternative für Schwarzchromschichten. Hinsichtlich des Korrosionsschutzes waren die durch PACVD-Beschichtung hergestellten Schichten vergleichbar denen der Chrombeschichtungen, im Salzsprühtest teilweise sogar besser. Die DLC-Beschichtungen weisen einen niedrigeren Korrosionsstrom auf und sind damit als Alternative für die Hydraulikzylinder erfolgversprechend. Als Alternative für die Schwarzchrombeschichtungen haben die DLC-Schichten ebenfalls ein Potenzial.
Als neue Technologie stellte Martin Fenker vom Forschungsinstitut für Edelmetalle & Metallchemie fem das Magnetronsputtern mit zwei Sputterquellen vor. Hergestellt wurden Refraktärmetall-Magnesiumnitridschichten. Möglich ist damit die Anpassung des Schichtsystems an die gewünschte Anwendung, in diesem Fall durch die Zulegierung von Magnesium. Dabei steigert die Zugabe von Magnesium signifikant die Korrosionsbeständigkeit der Stahlproben mit Nitridschichten. Es sei möglich, dass durch Zulegieren von Magnesium die PVD-Schichten eine ernstzunehmende Alternative zu Hartchrom werden können.
Eine ebenfalls neu entwickelte Technologie stellte Konrad Bienk von der CemeCon Scandinavia A/S vor. Ähnlich wie das Magnetronsputtern wird das high-power impulse magnetron sputtering (HiPIMS)-Verfahren die PVD-Technologie an spezielle Anwendungen anpassen. In den Bereichen Medizintechnik, Automotive, Packaging und Elektronik konnten bereits positive Entwicklungen durchgeführt werden.
Zusammenfassung und Ausblick
In der Abschlussdiskussion wurde als wesentliche Größe die fehlende Verlässlichkeit der Entscheidungen über die Durchführung der verschiedenen Aspekte der REACh-Verordnung identifiziert. Die im Workshop dargestellten Beispiele zeigten die Potenziale eines möglichen Ersatzes der Chrom(VI)technologie auf. Solange jedoch keine Entscheidung über die Umsetzung des Chrom(VI)verbots gefallen ist, besteht nach Ansicht der Alternativenanbieter kein Bedarf, sich mit der Verchromung zu intensiv zu befassen.
Die derzeitigen Alternativangebote sind ausreichend und können in vielen Fällen die Chromschicht ergänzen oder ersetzen. Weiterhin sind die Anwendungsmöglichkeiten der verschiedenen Technologien so vielfältig, dass derzeit ein Ersatz der Verchromung kein wirklich zentrales Thema ist.
Ein weiteres Hindernis ist die Notwendigkeit, dass die Substitution das Risiko verringern muss. Die zur Bewertung dieser Anforderung notwendigen Kriterien sind derzeit nicht eindeutig.
Aufgrund der vielfältigen Aspekte bei der Anwendung der Verchromung kann ein Ausblick nur bedingt gegeben werden. Hinsichtlich der Substitution ist nicht zu erwarten, dass diese allein durch die REACh-Verordnung zu machen ist. Regrettable Substitutions sind ebenso zu vermeiden wie unkalkulierbare Effekte auf die vorhandenen Ressourcen, sei es Material, Energie oder Wiederverwertung.
Allerdings kann erwartet werden, dass die Risikobetrachtung für alle Technologien eine zunehmende Bedeutung gewinnen wird. Nötig sind dafür neben der technologischen Weiterentwicklung die Erfassung und vergleichende Bewertung von Risikodaten in der Produktion und der allgemeinen Umwelt.