Die Qualitätsprüfung von dekorativen Bauteilen erfolgt typischerweise durch einen manuellen Sichtvergleich zwischen Bauteil und Prüfmuster. Durch die manuelle Durchführung der Qualitätsprüfung entsteht ein zeit- und kostenintensiver Prüfvorgang. Die Ermittlung von messbaren Qualitätsmerkmalen ermöglicht die Automatisierung des manuellen Prüfvorgangs. Zusammen mit der A&T Manufacturing GmbH und der SHL AG forscht das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover deshalb an einem Messsystem zur Bewertung von subjektiven Qualitätsmerkmalen auf dekorativen Schliffoberflächen.
Bauteile mit dekorativen Schliffoberflächen werden beispielsweise für Abdeckungen in Inneneinrichtungen oder Armaturen in Automobilen verwendet. An die Ausprägung des Schliffbilds werden hohe Anforderungen gestellt, die vom Auftraggeber mit einem Prüfmuster definiert werden. Nach der Fertigung der dekorativen Bauteile erfolgt die Anforderungsüberprüfung durch einen manuellen Sichtvergleich mit dem Prüfmuster. Dieser Prüfvorgang unterliegt der subjektiven Wahrnehmung des verantwortlichen Fertigungspersonals, sodass keine messbaren Qualitätsmerkmale dokumentiert werden können. Die Sichtprüfung erschwert zum einen die Festlegung von Fertigungstoleranzen sowie die Nachvollziehbarkeit des Prüfvorgangs. Zudem führt der manuelle Prüfvorgang zu hohen Personalkosten und zu einer Belastung des Personals durch repetitive Prüfabläufe. Durch die Automatisierung des manuellen Prüfvorgangs können zum einen die Kosten gesenkt, als auch Prozesse transparent gestaltet werden. Zudem ist die Automatisierung des Prüfvorgangs notwendig, um einen vollautomatisierten Prozess zur Herstellung von dekorativen Schliffbauteilen zu realisieren.
Für die Automatisierung der Qualitätsprüfung sind objektive Qualitätsmerkmale zu definieren. In dekorativen Anwendungen sind diese Merkmale häufig unzureichend bekannt, da durch den Auftraggeber nur ein Prüfmuster bereitgestellt wird. Aufgrund der fehlenden Merkmalsdefinition sind zudem keine Messprinzipien untersucht, die eine zuverlässige Ermittlung der Merkmale ermöglichen. Da die Bewertung des Schleifprozesses dekorativer Bauteile ohne messbare Merkmale nicht möglich ist, existiert nur unzureichendes Prozesswissen. Eine weitere Herausforderung entsteht durch die zunehmende Variantenvielfalt von dekorativen Bauteilen, welche die Generalisierbarkeit eines automatisierten Messsystem voraussetzen.
Im Forschungsprojekt AuDeko wird durch die A&T Manufacturing GmbH, die SHL AG und das IFW die automatisierte Fertigung dekorativer Bauteile untersucht. Ein wesentlicher Bestandteil der Prozessautomatisierung ist die Erforschung eines Messsystems für die Qualitätsprüfung von dekorativen Schliffoberflächen. Am IFW erfolgte zunächst die Ermittlung von messbaren Qualitätsmerkmalen, welche die dekorativen Schliffoberflächen objektiv beschreiben. Hierzu wurden an einem Versuchsstand die Stellgrößen Arbeitseingriff, Schleifhubanzahl, Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit systematisch variiert und die subjektive Veränderung der Schliffoberfläche erfasst. Die beobachteten Merkmale sind Mattheit, Welligkeit, sowie die Länge, Tiefe und Richtung der Schliffriefen. Im nächsten Schritt wurde ein Messsystem für die Erfassung der Oberflächenmerkmale untersucht. Die Aufnahme der Schliffmerkmale erfolgt hierzu mit einer Industriekamera. Die erfassten Bilddaten werden schließlich mithilfe von Algorithmen der Bildverarbeitung in Abhängigkeit der Grauwertverteilung in Kenngrößen umgewandelt.
Robotergeführtes Messsystem zur Bewertung von dekorativen Schliffoberflächen (Bild: IFW)
In der Abbildung ist dargestellt, dass die Industriekamera am Versuchsaufbau des IFW mit einem kollaborativen Roboter geführt wird. Hierdurch erfolgt eine Anpassung des Messsystems an die hohe Variantenvielfalt von dekorativen Bauteilen. Die Industriekamera nimmt durch entsprechende Bahnplanung orthogonal und mit gleichbleibendem Abstand zur Bauteiloberfläche Bilddaten auf. Der Abstand zur Oberfläche wird dabei gering gewählt, sodass die Form des Bauteils auf den Bilddaten nicht erkennbar ist. Anschließend werden die Einzelbilder zu einem Gesamtbild zusammengefügt. Durch die beschriebene Bahnplanung ist die Form des Bauteils im Gesamtbild nicht mehr erkennbar. Hiermit ist es möglich, die Algorithmen der Bildverarbeitung von ebenen Oberflächen auf alle anderen Oberflächenformen zu transferieren und die Qualitätsprüfung somit generalisierbar zu gestalten.
Zukünftig wird das robotergeführte Messsystem im Projekt AuDeko in eine automatisierte Fertigungszelle zur Herstellung von dekorativen Bauteilen integriert, um den anwendungsnahen Einsatz zu demonstrieren. Hierzu werden Handlungsabfolgen definiert, die in Abhängigkeit der Messergebnisse den Prozessablauf in der Fertigungszelle bestimmen. Für die Nachvollziehbarkeit der Messdaten wird zudem eine Visualisierung der Kenngrößen realisiert.
Das Projekt Adaptive Roboterschleifzelle zur Herstellung von Dekorschliffen auf komplex geformten Aluminiumprofilen wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert.Jan Geggier
Kontakt:
Jan Geggier, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, E-Mail: geggier@ifw.uni-hannover.de
- www.ifw.uni-hannover.de