Abwasserbehandlung in modernen Galvanisierungsprozessen

Oberflächen 08. 12. 2022
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Von Terry Clarke, Managing Director MacDermid Envio Solutions

Die dunkle Ära in der Geschichte der Oberflächenveredelung – was ominös klingt, bezeichnet häufig die Zeit der weit verbreiteten Verwendung von Cyanid, sechswertigem Chrom und Cadmium in der Galvanisierung. Tatsächlich aber waren viele dieser Stoffe trotz der bekannten Sicherheitsrisiken relativ einfach zu verwenden und zu entsorgen.

Fortschritte in der modernen Galvanotechnik haben zu technisch fortschrittlichen und kommerziell erfolgreichen Entwicklungen geführt. Sie bieten unübertroffene Leistungsmerkmale, wie beispielsweise hohe Korrosionsbeständigkeit, gleichmäßige Schichtdicke und hervorragende Schichtverteilung, was noch vor 20 Jahren undenkbar gewesen wäre. Diese Vorteile spiegeln sich in der Langlebig­keit und Zuverlässigkeit von Alltagsgegenständen wie Autos, Elektronik und Haushaltsgeräten wider. Ohne sie könnte unsere moderne Welt nicht so funktionieren, wie wir es gewohnt sind: Es ist im Wesentlichen nicht mehr notwendig, Alltagsgegenstände ständig reparieren beziehungsweise warten zu lassen. Viele moderne Oberflächenveredelungsverfahren haben jedoch auch Nachteile; beispielsweise sind die daraus entstehenden Abwässer oft viel schwieriger zu behandeln als ihre Vorgänger.

Die Übeltäter

Wenn heute über die modernen Verfahren der Oberflächenbeschichtung gesprochen wird, stehen vor allem zwei Technologien im Fokus: Zink-Nickel-Beschichtungen für Korrosionsschutz sowie dreiwertige Chrombeschichtungen für dekorative Anwendungen sind hochmoderne Beschichtungsverfahren, die in erster Linie entwickelt wurden, um dem Bedarf an verbesserter Arbeitssicherheit und höheren Leistungsstandards in der Beschichtung gerecht zu werden. Sie erfüllen ­beide Ziele hervorragend, stellen die Anwender aber auch vor einige der schwierigsten Herausforderungen bei der Abfallbehandlung.

Die Behandlung von Zink-Nickel

Im Fall von Zink-Nickel-Verfahren enthält der Prozess erhebliche Mengen an Komplexbildnern, damit Nickel auch bei einem pH-Wert, der normalerweise weit über dem optimalen Bereich liegt, in Lösung bleibt. Alkalisches Zink-Nickel ist angesichts dieser ­optimalen Löslichkeit unterhalb von pH 10 eine besondere Herausforderung: Alkalische ­Systeme arbeiten in einem sehr hohen pH-Bereich und müssen daher starke Komplexbildner enthalten, um die Löslichkeit der Nickelionen zu gewährleisten. Während diese Komplexbildner für die Produktionsumgebung kein Problem darstellen, sind sie in Abwasserströmen sehr schwierig zu handhaben. Viele Anwender entscheiden sich deshalb dafür, ihre Zink-Nickel-Abfälle vom restlichen Abwasser zu trennen und sie von externen Unternehmen behandeln zu lassen. Diese verbrennen die Abfälle in der Regel, statt sie chemisch zu behandeln.

Bei einer Behandlung vor Ort wird üblicherweise Natriumhypochlorit verwendet, um die Komplexbildner teilweise zu zerstören und damit die Löslichkeit von Nickel zu verbessern. Dies wird durch eine weitere Behandlung zur Änderung des pH-Werts möglich. Dabei entsteht Nickelhydroxidschlamm, der zu einem Filterkuchen gepresst und dann deponiert werden kann. Leider ist diese Methode langsam und damit zeitintensiv. Die Hypo­chloritreaktion ist ebenfalls langsam, so dass dieses Verfahren durchaus vier bis acht Stunden Behandlungszeit in Anspruch nehmen und große Mengen an Abfallschlamm erzeugen kann.

Bei sauren Zink-Nickel-Verfahren treten sehr ähnliche Probleme auf, da vergleichbare Konzentrationen an Komplexbildnern erforderlich sind, um die erforderliche Löslichkeit von ­Nickel zu gewährleisten. Genau wie bei den alkalischen Verfahren ist eine externe Abwasserbehandlung üblich - wobei Anwender mit geringen Mengen an Abwasser Hypo­chlorit verwenden.

Bei Vorliegen von größeren Mengen an Zink-Nickel-Abwasser besteht zudem die Möglichkeit, in eine Vakuumverdampfungsanlage vor Ort zu investieren und so die Menge des zu behandenden Abwassers zu minimieren. Dies hat den Vorteil, dass ein Teil des Zink-­Nickel-Spülwassers, das normalerweise zur Aufbereitung bei einem externen Dienstleister versandt wird, wiederverwendet werden kann. Angesichts der steigenden Energiekosten sehen allerdings viele Unternehmen die notwendigen Investitions- und Betriebs­kosten für die Verdampfung als einen kritischen Faktor an.

Verbesserte Abwasserbehandlung

Fachleute aus verschiedenen Arbeitsgebieten bemühen sich, eine Lösung für dieses spezielle Problem der Abwasserbehandlung zu finden. In Europa hat sich eine kleine Anzahl von Unternehmen mit einer Universität zusammengeschlossen, um das Problem zu charakterisieren und zusammen an einer Lösung zu arbeiten. Die Arbeiten befinden sich allerdings noch in einem sehr frühen Stadium.

Ein neuer Ansatz

Die beste Option wäre, alternative Chemikalien mit leichter zu zerstörenden Komplex­bildnern zu entwickeln. Angesichts der eng gefassten chemischen Parameter, innerhalb derer Zink-Nickel-Prozesse zur Optimierung der Legierungszusammensetzung und -verteilung ablaufen müssen, dürfte dies jedoch kaum Erfolg versprechen. Sinnvoll ist dagegen ein Ansatz, bei dem chemisches und abwassertechnisches Fachwissen kombiniert wird.

An einer entsprechenden Variante arbeitet MacDermid Envio Solutions, ein relativ neuer Bereich der Element Solutions Inc. MacDermid Envio Solutions verfügt auf der einen Seite über das chemische Know-how von MacDermid, auf der anderen Seite besitzt das Unternehmen durch die Übernahme von DMP im Jahr 2020, einem Spezialisten für Abwasserbehandlungsanlagen mit umfassenden Kenntnissen in der Abwasseraufbereitung, das abwassertechnische Fachwissen. MacDermid Envio Solutions arbeitet derzeit an der industriellen Erprobung eines völlig neuen Ansatzes für die In-situ-Behandlung von Zink-Nickel-Abwässern. Die ­industrielle Erprobung des zum Patent angemeldeten Konzepts begann im September 2022 und wird voraussichtlich im vierten Quartal 2022 beziehungsweise ersten Quartal 2023 abgeschlossen sein.

Der neue Ansatz nutzt eine modulare Anordnung kleiner (Behandlungs-)Zellen, von denen jede für die schrittweise ­Neutralisierung von Zink-Nickel-Komplexen ausgelegt ist. Sowohl Spülwasser als auch dekantierte Konzentrate können in dem in sich geschlossenen System behandelt werden, bevor der Abwasserstrom wieder in das ­herkömmliche chemische Abwasseraufbereitungssystem des Anwenders geleitet wird. Labortests haben gezeigt, dass dieser Ansatz die komplexierten Nickel- und Zinkverbindungen zu 100 Prozent freisetzt, so dass die ­Metalle durch eine standardmäßige pH-Fällung leicht und vollständig entfernt werden können. Das System ermöglicht die Anwendung dieses Verfahrens bei Anwendern jeder Größe und stellt sicher, dass eine künftige Produktionserweiterung problemlos nachgerüstet werden kann.

Dreiwertiges Chrom

Bei der galvanischen Abscheidung von dreiwertigem Chrom besteht ein ähnliches Problem wie bei Zink-Nickel. Das komplexierte Chrom ist für die notwendige Prozesschemie stark gebunden, um eine effiziente Abscheidung zu gewährleisten. Dies erschwert jedoch die Abfallbehandlung. Im Gegensatz zu Zink-Nickel liegen Chromionen in mehreren Formen als komplexierte Verbindungen vor, was die Wirksamkeit einer einzelnen chemischen Behandlung bei der Abfallbehandlung einschränkt. Während einige dieser Stoffe auf eine Behandlung mit niedrigem pH-Wert rea­gieren, verbleiben andere im Abwasser. Umgekehrt sprechen einige Chromkomplexe auf eine Behandlung mit höherem pH-Wert an, während andere davon unbeeinflusst bleiben. Durch die Einstellung des pH-Werts sowohl in hohen als auch in niedrigen Bereichen werden nicht alle komplexierten Chrom­ionen freigesetzt, weshalb herkömmliche Behandlungen oft nur teilweise wirksam sind. Eine weitere Komplikation besteht darin, dass die dreiwertigen Chemikalien verschiedener Anbieter eine Reihe von unterschiedlichen Komplexbildnern verwenden können, was die chemische Behandlung weiter erschwert.

Derzeit arbeitet ein Team der MacDermid Envio Solutions in den USA an einer neuen Methode für die Behandlung von dreiwertigem Chromabfall. Durch die Kombination von chemischen und apparativen Ansätzen lassen sich erhebliche Fortschritte bei der Behandlung erzielen. Dieses neue System soll noch in diesem Jahr bei mehreren Anwendern in der industriellen Produktion in großem Maßstab getestet werden.

Ausblick: Abwasserbehandlung in der Oberflächenveredelung

Es liegt auf der Hand, dass die Fortschritte in der Oberflächenveredelung die ­erfahrensten Forscher weiterhin vor die ­Herausforderung stellen werden, die Sicherheit von chemischen Prozessen zu verbessern sowie die von den Endverbrauchern geforderten Leistungssteigerungen zu erzielen. Da die Palette der umweltverträglichen Chemikalien immer kleiner wird, ist der Einsatz von komplexeren chemischen Verfahren sicher der beste Weg, um diese Ziele zu erreichen. Im Gegenzug muss mit neuen Ansätzen der Abwasseraufbereitung Schritt gehalten werden, um eine zunehmend kostspielige und energieintensive Behandlung außerhalb des Standorts zu vermeiden. Schließlich muss das bei der Oberflächenveredelung verwendete Wasser in einem sauberen und nachhaltigen Zustand in die Umwelt zurückgeführt werden.

Text zum Titelbild: Anlage zur chemisch-physikalischen Behandlung von Abwasser in der Galvanotechnik (Bild: MacDermid Envio Solutions)

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