Wachstum von Nanolöchern dank Heliumstreuung erstmals sichtbar

Werkstoffe 06. 11. 2022
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Wissenschaftler der TU Graz in Kooperation mit der University of Surrey konnten erstmals das Wachstum von hexagonalem Bornitrid beobachten und dokumentieren. Das Material findet vor allem in der Mikroelektronik und Nanotechnologie seine Anwendung.

Atomar dünne 2D-Materialien für Anwendungen in der Mikroelektronik oder Nanotechnologie werden gezüchtet, indem Gas auf einer heißen Metalloberfläche zersetzt wird. Diesen Wachstumsvorgang zu beobachten, ist aufgrund der hohen Temperaturen und der schnellen Umwandlung des Gases allerdings äußerst schwierig.

Forschende der Technischen Universität Graz haben sich nun mit Kollegen und Kolleginnen der University of Surrey zu einem erfolgreichen Team aus Theorie und Experiment zusammengetan und konnten erstmals das Wachstum des Materials Hexagonales Bornitrid (h-BN) beobachten und dokumentieren. Hexagonales Bornitrid wird vor allem in der Mikroelektronik und Nanotechnologie, der Photonik- und Leistungselektronik, in Brennstoffzellen und als Dielektrikum für Feldeffekttransistoren eingesetzt.

Regelmäßig angeordnete Nanoporen

Die Gruppe rund um Anton Tamtögl vom Institut für Experimentalphysik der TU Graz beobachtete das Wachstum mittels Helium­spektroskopie – einer höchst empfindlichen Analysetechnik zur Untersuchung von Mate­rialoberflächen und darauf stattfindenden Reaktionen mit einer bisher unerreichten Detailgenauigkeit und Zeitauflösung. Selbst schnelle Bewegungen von Atomen und Molekülen auf Kristalloberflächen – einschließlich Quantenbewegungen von Protonen und ballistische Diffusion von Molekülen – können so untersucht werden.

Bei ihrem Experiment mit h-BN kamen sie zu einem unerwarteten Ergebnis: Hexagonales Bornitrid besitzt eine wabenförmige 2D-Kristallstruktur, die mit der Struktur von Graphen, also einer einatomigen Lage von Kohlenstoffen, identisch ist. Statt der Kohlenstoffatome hat das Sechseck aber abwechselnde Bor- und Stickstoffatome. Die Wissenschaftler beobachteten beim Wachstumsprozess, dass die geordnete Struktur von h-BN aus regelmäßig angeordneten Löchern, sogenannten Nanoporen entsteht. Dies ist nach Mitteilung der TU Graz das erste Mal, dass diese offene Struktur identifiziert und ihre Rolle während des Wachstums von h-BN beobachtet wurde.

Wir waren erstaunt, dass die Messungen anstelle des erwarteten Beugungsmusters von hexagonalem Bornitrid eine ganz ­andere Struktur zeigten, die wir nun einer neuartigen Phase von h-BN zuordnen, erklärt Anton Tamtögl, der das Experiment leitete. Eine neue Phase für ein so bekanntes und technologisch wichtiges 2D-Material zu finden, sei wie die Entdeckung einer völlig neuen Schmetterlingsart im eigenen Garten, ergänzt Adrian Ruckhofer, der die Experimente im Rahmen seiner Doktorarbeit durchführt.

Experiment in Kombi mit ­quantenmechanischen Berechnungen

Weil sie von ihren experimentellen Ergebnissen so überrascht waren, suchten die Forschenden der TU Graz die Hilfe der Theorie und wollten bestätigen, dass ihre Beobachtungen überhaupt rechnerisch möglich sind. Marco Sacchi von der University of Surrey führte dann die quantenchemischen Berechnungen mit dem nationalen ARCHER2-­Supercomputer durch und bestätigte, dass die beobachtete Struktur auch mathematisch die eindeutig bevorzugte ist. Wir haben bewiesen, dass die Kombination von Experimenten und quantenchemischen Berechnungen neue und wichtige Erkenntnisse über das Wachstum von 2D-Materialien liefern kann, sagt Marco Sacchi. Und die Forschenden planen bereits, ihre Methode für die Untersuchung des Wachstums anderer 2D-Materialien einzusetzen.Birgit Baustädter

Originalpublikation:

A. Ruckhofer, M. Sacchi, A. Payne, A. P. Jardine, W. E. Ernst, N. Avidor and A. Tamtögl: Evolution of ordered nanoporous phases during h-BN growth: controlling the route from gas-phase precursor to 2D material by in situ monitoring; Nanoscale Horiz. 7 (2022), 1388-1396; https://doi.org/10.1039/D2NH00353H

Kontakt:

Anton Tamtögl, Institut für Experimentalphysik, TU Graz, E-Mail: tamtoegl@tugraz.at

Adrian Ruckhofer, Institut für Experimentalphysik, TU Graz, E-Mail: ruckhofer@tugraz.at

 

(Bild: TU Graz/Anton Tamtögl et al.)

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