Europäischer Forschungsrat ERC fördert Grundlagen-Forschungsprojekt zu grünem Stahl

Werkstoffe 07. 06. 2022
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Prof. Dierk Raabe, Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE), erhält für sein Projekt ROC einen mit 2,5 Millionen Euro dotierten Advanced Grant vom Europäischen Forschungsrat (ERC). Der Preis ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung des Europäischen Forschungsrats und ermöglicht Raabe, seine Grundlagenforschung zu intensivieren, um den effizientesten und nachhaltigsten Weg zur Herstellung von grünem Stahl zu finden. Das Akronym ROC steht für Reducing Iron Oxides without Carbon by using Hydrogen-Plasma (Reduzierung von Eisenoxiden mit Wasserstoffplasma, anstelle von Kohlenstoff).

Durch Wasserstoffplasma bis zu acht Prozent der globalen ­Treibhausgasemissionen einsparen

Die globale Stahlindustrie ist nach den Worten von Raabe der größte Einzelverursacher von Treibhausgasen und verantwortlich für acht Prozent der weltweiten Kohlendioxid­emissionen. Stellen Sie sich vor, welche Auswirkungen es hätte, wenn wir diese Emissionen um 80 Prozent oder noch mehr reduzieren könnten, sagt Raabe. Deshalb freut er sich sehr über diese renommierte Auszeichnung. Die Hebelwirkung sei enorm, denn schon kleine Schritte könnten helfen, gigantische Mengen an Emissionen im schnell wachsenden globalen Metallurgiesektor zu vermeiden, in dem jedes Jahr mehr als 1,8 Milliarden Tonnen Stahl produziert werden. Dieses Problem lässt sich Raabe zufolge nicht durch Trial-and-Error lösen. Es erfordere tiefe Einblicke in die zugrundeliegenden Mechanismen, um eine 3500 Jahre alte Industrie innerhalb weniger Jahre neu zu erfinden. Heute werden 70 Prozent des Eisens durch die ­Reduktion von Erzen in riesigen Hochöfen mit Kohlenmonoxid als Reduktionsmittel gewonnen, wobei ein Eisen-Kohlenstoff-Gemisch entsteht. Dieses wird weiter in Konvertern veredelt, indem der größte Teil des Kohlenstoffs entfernt wird. Dadurch wird das Roheisen zu Stahl. Sowohl bei der Reduktion als auch bei der Veredelung entstehen enorme Kohlen­dioxidemissionen.

Die Industrie erforscht derzeit mehrere neue Methoden zur Herstellung von Eisen, die kohlenstoffhaltige Reduktionsmittel ersetzen. Dies geschieht zum Beispiel durch Direktreduktion im festen Zustand mit Erdgas oder Wasserstoff. Der Prozess ist jedoch langsam und viele der zugrundeliegenden Reduktionsmechanismen sind nicht gut verstanden. Das Projekt ROC basiert auf zwei Ansätzen: zum einen der Verwendung von Wasserstoffplasma anstelle von Kohlenstoff als Reduktionsmittel für Eisenerz, so dass nur Wasser als Nebenprodukt anfällt, und zum anderen der Verwendung von moderat reduzierenden elektrischen Lichtbogenöfen, die Reduktion, Schmelzen, Mischen und Entfernen von Verunreinigungen in einem einzigen Prozessschritt kombinieren. Das Ziel der Forschenden ist es, die physikalischen und chemischen Grundlagen der Reduktionsprozesse bis auf die atomare Skala zu erforschen. Dieses Verständnis wird es uns ermöglichen, die am besten geeigneten Reaktoren und Reduktionsmittel zu finden, um die höchsten Metallausbeuten bei geringstem Wasserstoff- und Energieverbrauch zu erzielen, erklärt Raabe.

Experimentelle und computergestützte Methoden erklären Reduktionsprozesse

Mit dem ERC Grant werden mehrere Stellen für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen finanziert, und alle Abteilungen des MPIE werden an dem Projekt beteiligt sein. ­Raabe und sein Team werden Laboröfen, Charakte­risierung auf atomarer Ebene sowie Simulations- und maschinelle Lernmethoden nutzen, um die Mechanismen und Grundlagen von Transport, Keimbildung, Phasenumwandlung, Verunreinigungen, verschiedene Erze und ihre Dispersionen sowie verschiedene Reduktions- und Plasmaparameter zu untersuchen. Der gesamte Stahlherstellungsprozess könnte auf Basis dieser Forschung kohlenstofffrei werden, wenn der Wasserstoff und der Strom aus nachhaltigen Quellen stammen und im Elektrolichtbogenofen kein Graphit verwendet wird.

Dierk Raabe studierte zunächst Musik und ­danach Metallurgie und Metallphysik an der RWTH Aachen, wo er 1992 promovierte und sich 1997 habilitierte. Anschließend erhielt Raabe ein Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft und arbeitete zwei Jahre lang als Postdoktorand an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (USA), bevor er 1999 als Direktor der Abteilung Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign an das MPIE kam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Multi­skalenanalyse von komplexen metallischen Werkstoffen und im Legierungsdesign, wobei er sowohl experimentelle als auch computergestützte Methoden kombiniert. Er hat mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2004, einen ERC Advanced Grant 2012 und die Acta Materialia Gold Medal 2022.

Text zum Titelbild: Das Innere eines Lichtbogenofens am MPIE: Das helle Licht in der Mitte zeigt das geschmolzene Eisenoxid, das umgebende grünliche Licht das Wasserstoffplasma. Das Projekt ROC zielt darauf ab, Stahl in einem einzigen Schritt mit Wasserstoffplasma anstelle von Kohlenstoff herzustellen(Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH)

Prof. Dierk Raabe ( Frank Vinken/Max- Planck-Gesellschaft)

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