Warum Kennzahlen immer wichtiger werden – und warum sie eine Basis für Innovation darstellen

Werkstoffe 09. 12. 2021
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Von Michael Hellmuth, Karlsruhe

Kennzahlen sollen dafür sorgen, dass nicht das Bauchgefühl für wichtige Entscheidungen verantwortlich ist. Oft führt das in Unternehmen dazu, dass eine Person am Ende des Monats hektisch Präsentationen zusammenstellt und die Zahlen in bunten Grafiken und Diagrammen aufbereitet. Dann werden diese Zahlen für kurze Zeit diskutiert, bevor sie abgelegt werden. Dieses Vorgehen führt dazu, dass die Aufbereitung von Kennzahlen mit hohem Zeitaufwand verbunden ist. Hinzu kommt, dass Zahlen nur punktuell betrachtet werden; dadurch lassen sich Zusammenhänge, insbesondere über längere Zeiträume, schwerer erkennen.

Mit zunehmender Vernetzung und Digitalisierung von Prozessen steigt die Menge an verfügbaren Daten. Der Datenberg am Ende des Monats wächst immer weiter und damit auch die Kombinationsmöglichkeiten der Zahlen. Es wird also immer schwieriger, kurz die richtigen Daten in den richtigen Zusammenhängen aufzubereiten.

Das Ziel muss daher sein, für die durch die Digitalisierung gewonnenen Zahlen die Komplexität zu reduzieren. Aus Zahlen sollen wieder Kennzahlen und anschauliche Diagramme werden, die für Menschen verständlich aufbereitet sind. Dafür stehen durch die Digitalisierung verschiedene Werkzeuge zur Verfügung. Aber eine automatisierte Verarbeitung und Aufbereitung von Daten reicht nicht aus; die höhere Komplexität muss durch bessere Visualisierung leicht erfassbar gemacht werden. Das beginnt bereits bei der Auswahl der Diagrammtypen, die mehr Fokus auf die Abbildung von Zusammenhängen legen (Abb. 1).

Abb. 1: Sunburst-Diagramm, das Umsatzpositionen eines Galvanikbetriebs mehrstufig aufschlüsselt

 

Im Folgenden werden einige Beispiele vorgestellt, wie Kennzahlen dabei helfen, einen schnelleren Überblick zu bieten, effektiver zu informieren und dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen.

1 Die Zahlen der Digitalisierung

Die Datenmenge, die in Unternehmen anfällt, wächst ständig an, weil heute alle modernen Komponenten eine Vielzahl an Daten zur Verfügung stellen. Digitalisierung sorgt über die Vernetzung der Komponenten für den Datenaustausch. An dieser Stelle wird nicht davon ausgegangen, dass es die eine Lösung für Digitalisierung gibt. Anders gesagt: Digitalisierung ähnelt mehr einer großen Lego-Kiste als einem Puzzle.

Bei einem Puzzle muss jedes Teil an einem bestimmten Platz sitzen – sonst passt das Gesamtbild nicht. In einer Lego-Kiste gibt es dagegen viele verschiedene Bausteine, aus denen jeder sich eine eigene kreative Lösung bauen kann; gleichzeitig gibt es Bauanleitungen, die verschiedene Teile passend kombinieren. Und alle diese Wege funktionieren.

2 Dashboards

Im oben aufgeführten Beispiel ging es darum, einmal im Monat Grafiken zu erstellen, die für Management-Besprechungen genutzt werden können. Das Ziel von Dashboards ist, diese Daten immer auf dem aktuellen Stand und immer verfügbar zu halten. Wichtig ist dabei, dass die Grafiken für die entsprechende Zielgruppe – beispielweise Management oder Vertrieb – frei zusammenstellbar sind. So können Dashboards flexibel auf den jeweiligen Bedarf zugeschnitten werden.

Dabei ist es wichtig, auch neue Darstellungsarten zu verwenden, um die Daten zum Leben zu erwecken (Abb. 2). In Verbindung mit Apps bietet sich außerdem an, die Dashboards auch mobil zur Verfügung zu stellen. Damit kann jederzeit und überall auf die aktuellen Daten zugegriffen werden.

Abb. 2: Bubblechart, in dem mehrere Kennzahlen abgebildet und in Zusammenhang gesetzt werden

 

Insgesamt bieten die Zahlen mit Dashboards einen schnelleren Überblick und sind damit eine bessere Grundlage für fundierte Entscheidungen.

3 Apps

Um Zahlen aufbereiten zu können, müssen diese zentral gesammelt werden. Das findet beispielsweise in ERP-Systemen statt. Mo­derne Lösungen zielen darauf ab, Daten vor Ort zu sammeln, also in der Produktion.

Apps wiederum ermöglichen die mobile Erfassung von Daten mit Handheld-Geräten. Beispielsweise können BDE-Rückmeldungen so mobil vor Ort an der jeweiligen Anlage erfolgen. Erfasste Daten werden direkt an das ERP-System geschickt, wodurch sich die Auftragsdaten aktualisieren und über den aktu­ellen Produktionsstand informieren. Auch die Dokumentation von Fotos, zum Beispiel von Artikelbildern, kann per App stattfinden, sodass die Informationen direkt an den passenden Artikel oder Betriebsauftrag im System angehängt werden. Viele Apps nutzen dabei Barcodescans, um Informationen zu übermitteln. Dazu ist jedes Smartphone in der Lage; in einer rauen Industrieumgebung sind ­Industriegeräte mit integriertem Barcodescanner geeigneter.

Die Erfassung über Apps lässt sich leicht in einzelne Arbeitsschritte integrieren und spart Mitarbeitern Laufwege zu Terminals oder ins Büro. Damit werden Daten dort erfasst, wo sie anfallen.

4 KI-Maschinenbelegung

Kunden legen in zunehmendem Maße Wert auf Lieferungen just in time; gleichzeitig soll alles schneller gehen. Dies führt allerdings dazu, dass sich Wunschtermine oftmals nur bedingt bestätigen lassen. Um intern und extern verlässlichere Aussagen zu Lieferterminen machen zu können, bietet es sich an, Vorschläge für die Anlagenbelegung auto­matisiert zu erstellen. Denn Planer müssen nicht nur die Wunschtermine beachten, sondern eine Vielzahl von anderen Beschränkungen, zum Beispiel maximale Liegezeiten zwischen zwei Arbeitsschritten oder die Vermeidung von Rüstzeiten. Diese unterschiedlichen Beschränkungen kann ein Planungstool berücksichtigen. Dafür wird Constraint Programming eingesetzt, eine Methode aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI).

Gerade im Bereich der KI wurden in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht – einige Experten prognostizieren deshalb, dass KI bereits in wenigen Jahren hohe Marktanteile erreichen wird. Deshalb ist jetzt ein guter Zeitpunkt, sich mit dem Thema zu beschäftigen, um Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Mit den Beschränkungen und anstehenden Aufträgen generiert das Tool automatisierte Planungsvorschläge. Dadurch stehen kontinuierlich neue Planungsdaten zur Verfügung. Es bietet sich an, direkt eine grafische Auf­bereitung mitzuliefern (Abb. 3).

Abb. 3: Gantt-Diagramm eines automatisierten Planungsvorschlags

 

Möglich sind dabei verschiedene Darstellungen, zum Beispiel ein Gantt-Diagramm. Aufträge sind farbkodiert und die Anlagen werden als einzelne Zeilen aufgelistet. So kann der Weg eines Auftrags über mehrere Anlagen verfolgt werden. Auch die Freizeit, in denen Anlagen nicht genutzt werden, wird in diesem Diagramm angezeigt, damit die Zeit nicht versehentlich verplant wird.

Eine weitere Darstellung kann eine ­Heatmap (Abb. 4) sein, die über die Farbintensität anzeigt, wie stark eine Anlage an einem Tag ausgelastet ist. Darüber lassen sich gut längere Zeiträume darstellen, was beispiels­weise in der Planung für Bandgalvaniken notwendig ist. So können Planer auch lange Planungszeiträume überblicken und bessere Aussagen zu angefragten Terminen treffen. Darüber hinaus ermöglicht die Automatisierung die verlässliche Berücksichtigung einer Vielzahl an Beschränkungen und entlastet damit die Planer.

Abb. 4: Eine Heatmap zeigt die Anlagenauslastung über längere Zeiträume

 

Die Aufbereitung kann auch abhängig von der Zielgruppe sein: So kann beispielsweise für Mitarbeiter in der Produktion die Anzeige direkt an der Anlage auf einem Monitor erfolgen. Für Kunden dagegen könnte es online ein Portal geben – ähnlich wie bei Paketdiensten. Darüber hätten Kunden die Möglichkeit, ihre Aufträge einzusehen. So bleiben sie auch informiert, wenn Aufträge früher fertig werden oder sich einmal verzögern sollten.

5 RFID

RFID wird bereits in vielen Industrien eingesetzt, um Waren automatisiert zu verfolgen. In der Oberflächentechnik erwies sich der Einsatz lange Zeit als schwierig, denn die metallhaltige Umgebung stört die Funkverbindung der Transponder. Mit einer Dokumentenmappe, die außen an ­Gitterboxen und anderen Behältern angebracht wird, lässt sich ausreichend Abstand zwischen Metall und Transponder schaffen und damit eine ­sichere Verbindung erzielen.

RFID stellt im Gegensatz zu Barcodescans eine automatisierte Lösung dar, weil Mitarbeiter keine zusätzlichen ­Arbeitsschritte ausführen müssen und dementsprechend auch kein Gerät für die Erfassung benötigen. Die Rückmeldung erfolgt automatisch beim Transport, wenn die RFID-Transponder Antennen passieren. So können beispielsweise Waren auf Gabelstaplern bequem im Vorbeifahren erfasst werden.

6 Augmented Reality

Eine weitere Darstellungsform ist Augmented Reality (AR). Die Visualisierung durch Augmented Reality lässt sich mit Head-Up-Displays im Auto vergleichen: Je nachdem, was sich im Blickfeld befindet, ändern sich die angezeigten Informationen direkt im Sichtfeld des Nutzers.

Diese natürliche Form der Darstellung mit Augmented Reality wird von gängigen Smartphones unterstützt. Erweiterte Realität bedeutet hierbei, dass auf dem Display des Smartphones das aktuelle Kamerabild mit Datentafeln erweitert wird, auf denen zum Beispiel Prozessdaten eingeblendet werden.

Nicht überall in der Produktion sind Monitore verfügbar, über die Informationen angezeigt werden können. Augmented Reality ist ein praktisches Werkzeug, das Informationen auch dort liefert, wo keine Bildschirme vorhanden sind. Statt realer Monitore nutzt die Technologie dafür die eingeblendeten Datentafeln, also sozusagen virtuelle Bildschirme.

Abb. 5: Anzeige von Datentafeln im Prototyp der AR-App von Softec

 

Im Rahmen des Forschungsprojekts SmARtPlaS hat Softec einen App-Prototypen entwickelt, der mit Hilfe von AR in der Produktion diese Datentafeln darstellen kann (Abb. 5). Dazu können in dieser Umgebung Ankerpunkte gesetzt werden, an denen die Datentafeln quasi befestigt sind. Über die Verbindung zum ERP-System werden entsprechende Daten geliefert. Damit werden Wartungs- und Anlageninformationen direkt dort angezeigt, wo sie gebraucht werden, und es müssen in einer rauen Produktionsumgebung keine physischen Monitore installiert werden.

AR bietet somit komplett neue Möglichkeiten in den Bereichen Wartung, Schulung, Navigation und Lagerverwaltung.

7 Moderne Technik nutzen

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Zahlen, die uns die Digitalisierung zur Verfügung stellt, effektiver zu nutzen. Dabei spiegelt sich in vielen Ansätzen die selbe Idee wider: Technik soll nicht als Technik wahrgenommen werden, sondern als selbstverständliche Erweiterung der Realität. Die Informationen rücken in den Vordergrund für den Anwender, während die Technik immer mehr im Hintergrund verschwindet.

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