Remobilisierung von Fingergelenken durch KI-basierte Rekonstruktion

Medizintechnik 06. 06. 2021
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Im Projekt FingerKIt wird eine erstmals durchgängig automatisierte Prozesskette zur Herstellung von patientenindivi­duellen Implantaten entwickelt. Der Fokus liegt aktuell auf dem wachsenden Markt der Fingergelenksimplantate.

In Deutschland leiden mehr als fünf Millionen Menschen an symptomatischer Arthrose und rund 1,5 Millionen Menschen an rheumatischen Erkrankungen, die in fortgeschrittenen Fällen durch die entwickelte Technologie behandelt werden könnten. An die vergleichsweise kleinen Implantate werden dabei hohe Anforderungen bezüglich der ­individuellen Passung und der biomechanischen Belastung gestellt. Im Gegensatz zu den klassischen Endoprothesen für den Ersatz von Knie- und Hüftgelenken besteht im Bereich der Fingergelenke die Herausforderung darin, dass die Knochen hier wesentlich dünner sind. Es ist weitaus weniger Muskulatur zum Stützen der Implantate vorhanden, so dass die Gefahr der Implantatlockerung höher ist als bei Großimplantaten. Bisherige Formen der Therapie, sei es im Falle einer rheumatischen Arthritis oder eines Traumas, laufen sehr häufig auf eine Versteifung der Gelenke hinaus. Weniger als 20 Prozent der Patientinnen und Patienten sind schmerzfrei und die Komplikationsrate beträgt 40 Prozent. Eine für diese Indikation neue Therapieform zu ermöglichen und damit die Remobilisierung von Fingergelenken durch individuell angepasste Gelenkimplantate zu erreichen, ist das zentrale und technische Ziel des Konsortiums.

Die Fraunhofer-Institute MEVIS und IWM entwickeln zunächst ein Modell, um aus 2D-Röntgenaufnahmen eine 3D-Abbildung des geschädigten Gelenks zu erstellen. Mittels Simulationen wird dieses ­individuelle Implantat an die biomechanischen Anforderungen angepasst. Daraus erstellt das Fraunhofer IAPT ein Initialdesign des Implantats, das anschließend additiv gefertigt wird. Ziel ist es, einen Algorithmus zu trainieren, um aus den verfügbaren Simulationsdaten automatisiert individuelle Implantatdesigns für die additive Fertigung beziehungsweise Near-Net-Shape-Fertigung zu erzeugen. Die Fraunhofer-Institute IAPT und IKTS ent­wickeln Fertigungstechnologien anhand von ausgewählten Materialien mit dem Ziel, eine erhöhte Biokompatibilität und Osseointegration und damit eine verbesserte Anpassung des Implantats an die ursprünglichen Gelenk­eigenschaften zu erzielen.

Das Fraunhofer ITEM übernimmt gemeinsam mit den Fraunhofer-Instituten IWM und IKTS die fortlaufende Validierung der Implantateigenschaften und entwickelt hierzu entsprechende neue werkstoff- und anforderungsgerechte In-vivo-Modelle. Um von vornherein eine schnelle Übertragbarkeit in die klinische und industrielle Anwendung zu gewährleisten, arbeiten alle Institute während des Projekts gemeinsam an einer institutsübergreifenden, normgerechten, digitalen Dokumentation ihrer Prozesse.

Damit ermöglicht FingerKIt im Einklang mit der 4D-Strategie der Fraunhofer-Gesellschaft einen Paradigmenwechsel bezüglich der Wertschöpfungskette bei der Generierung von Individualimplantaten und ganz neue Formen der Patientenversorgung. Die erfolgreiche Etablierung der FingerKIt-Prozesskette eröffnet die Chance, die nach EU-Verordnungen über Medizinprodukte (MDR) notwendigen regulatorischen Vorgaben bereits bei der Prozessentwicklung zu berücksichtigen.

Das Projektkonsortium besteht aus den Fraunhofer-Instituten

  • für Additive Produktionstechnologien IAPT (Projektleitung)
  • für Keramische Technologien und Systeme IKTS
  • für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM
  • für Werkstoffmechanik IWM und
  • für Digitale Medizin MEVIS

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