Medizintechnik, Gesundheit und neueste Technologietrends

Medizintechnik 06. 06. 2021

Bericht über die Online-Clusterkonferenz des MicroTec Südwest e.V.Teil 2

Entwicklungen in der Mikromedizin sehen sich den Herausforderungen gegenüber, neben der Erzielung unterschiedlicher Funktionalitäten auch die Handhabung von Implantaten sicher und einfach zu gestalten sowie die Implantate gegen Reak­tionen im Körperinneren zu schützen. Ansätze hierzu basieren auf der Weiterentwicklung von LEDs, um beispielsweise Licht als Arbeitsmedium einzusetzen. Beim Einsatz von mechanischen Aktoren müssen zuverlässig arbeitende Umhüllungen die notwendige Flexibilität und zugleich den sicheren Schutz gegen Reaktionen mit Körperflüssigkeiten gewährleisten. Beim Einsatz von elektronischen Chips zur Messung von biologischen Reaktionen im Körper werden die Anforderungen an die Bauelemente noch dadurch erweitert, dass eine hohe Spezialisierung der elektronischen Komponenten zu akzeptablen Herstellkosten erreicht werden muss.

Fortsetzung aus WOMag 05/2021

Mikromedizintechnik

Mikroimplantate

Patrick Ruther, Institut für Mikrosystemtechnik IMTEK, Freiburg, gab einen Einblick in die Technologie zur Herstellung und zum Einsatz von LED-basierten Mikroimplantaten für optogenetische Anwendungen in der Biomedizintechnik. Als grundlegende Voraussetzung zur Anwendung der ­Verfahrenstechnologie müssen Zellen dafür optimiert werden, auf Licht reagieren zu können. Dies gelingt derzeit bei Versuchsmäusen, bei denen mit Licht unterschiedliche Reaktionen auf Muskeln oder Nerven ausgelöst werden können.

Ein Ziel ist beispielsweise, Herzflimmern abzustellen. Die Methode erlaubt es, durch Licht die selben Nervenreaktionen auszulösen, wie sie im Falle des Hörorgans durch Töne erzeugbar sind. Die dafür eingesetzten LEDs können als flexible Spitzensonsoren oder als Arrays ausgeführt werden. Die LEDs werden zum Beispiel im ersten Schritt auf einem Siliziumwafer hergestellt und anschließend von diesem in ein ­flexibles Kunststoffsubstrat (Epoxy, Polyimid) übertragen. Die Abmessungen der LEDs liegen im Bereich von einigen 10 µm bis wenige 100 µm. Die Bauteile werden für den Einsatz zum Beispiel auf einem Metallstift für die Einführung in Organe aufgebracht und abschlie­ßend verkapselt. Ein Einsatz im Hörorgan lässt sich dadurch realisieren, dass eine entsprechende LED-Reihe in die Hörschnecke eingebracht wird und damit ­unterschiedliche Frequenzen im Hörorgan angeregt werden.

Flexible Verkapselung für implantierbare Aktoren

Prof. Volker Bucher, Hochschule Furtwangen, arbeitet an der Verkapselung von Aktuatoren, wie sie beispielsweise zur Verlängerung von Knochen eingesetzt werden. Die besondere Herausforderung besteht darin, dass die Verkapselung flexibel sein muss, um die Bewegung der Aktuatoren mitgehen zu können. Die Beschichtung muss damit auf einer Umhüllung in Art eines Faltenbalgs aufgebracht werden und darauf sicher abdichten. Erreicht wurde dies zum Beispiel auf Latex.

Kompressionstests von mit Parylen (jeweils 3 µm Parylen C) und beschichteten, flexiblen Faltenbälgen (750 µm Latex (oben) bzw. 750 µm Polyisopren (unten)) für aktive Dis­traktoren (Bild: V. Bucher)

 

Kombinationsschicht aus fünf Multilagen aus je 15 nm Aluminiumoxid (Al2O3) und 5 nm Titanoxid (TiO2) (Bild: V. Bucher)

 

In Vorversuchen hat sich eine mittels Atomlagenabscheidung (ALD) erfolgte Beschichtung mit Parylen als aussichtsreich heraus­gestellt. Die Deckschichten müssen dabei neben dem Abdichten gegen Feuchtigkeit auch aus Spannungen bis über 100 V sicher abisolieren. Als mögliche Lösung ergibt sich auch eine Kombinationsschicht aus Parlyen und ALD, beispielsweise durch Wechselschichten aus Aluminiumoxid und Titanoxid, aufgebracht mittels ALD-Technik. Versuche zeigen, dass die Schichten eine sehr gute Barriere gegen Feuchtigkeitsdurchgang darstellen, auch über einen längeren Zeitraum; inzwischen wurden sichere Lebensdauern der Systeme von etwa 20 Monaten bei Körpertemperatur erreicht. Im Weiteren werden neben den chemischen und elektrischen Belastungen zusätzlich noch mechanische hinzugenommen.

Künstlicher Gehörgang mit Drucksensor

Dr. Marc Zinggeler vom Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM) in Muttenz, Schweiz, arbeitet an der Entwicklung von Hilfsmitteln zur Behebung von Hörproblemen, unter denen etwa 20 Prozent der Menschen in den Industrienationen leiden. Bisher geschieht dies zum Beispiel durch Ohrpassstücke, die allerdings über einen weniger guten Tragekomfort verfügen. Aus diesem Grund wird verstärkt an der Entwicklung von Gehörgangsmodellen mit Drucksensoren gearbeitet. Ein Ansatz besteht in der Herstellung von Sensorfolien, die im aufgerollten Zustand in den Gehörgang eingeführt werden.

CMOS-Bauteile

Dr. Philip J. Poole, Microdul AG, erläuterte die Herstellung von CMOS-Bauteilen für die Verwendung in der Medizintechnik. Die vorgestellten Bauteile zeichnen sich dadurch aus, dass sie speziell für jeden Einsatz entwickelt beziehungsweise optimiert werden, wobei stets ein Siliziumwafer das Ausgangsmaterial ist. Die Größen der CMOS-Bauteile liegen im Bereich von etwa 1 mm bis 2 mm Kantenlänge und verfügen zwischen 1000 und 3000 Transistoren. Je nach Größe des Chips werden Bondkontakte beziehungsweise deren Anordnung auf dem Chip unterschiedlich ausgeführt. Bei Bedarf werden auch mehrere ­Arrays pro Chip aufgebaut.

 

Einsatz des Chips von Microdul in einem Gerät zur Aufzeichnung von Körperfunktionen (Bild: P. Poole)

 

Anwendungsbeispiele für derartige Bauteile sind Geräte zur Aufnahme von Körperfunk­tionen wie Blutdruck und Puls oder Umweltdaten zu unterschiedlichen Analysezwecken, aber auch Steuerelemente für Uhren. Für den Einsatz der Bauteile beispielsweise zur Aufzeichnung von Körperfunktionen wird bei Spannungen zwischen 1,8 V und 4,5 V gearbeitet in einem möglichen Temperaturbereich zwischen - 40 °C und + 85 °C. Die Herausforderungen bei der Fertigung liegen in der Erhöhung der Entwicklungs- und Herstellungsgeschwindigkeit sowie in der Reduzierung der Herstellkosten. Die Bauelemente können so zu akzeptablen Kosten in Mengen von einigen zehntausend Stück hergestellt werden und erlauben die Nutzung fortschrittlicher Datenerfassung in Nischenbereichen.

Mikromechanischer ­Sterilisationszyklenzähler

Zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit gegen die Übertragung von Infektionen durch medizinische Gerätschaften wurden die Anforderungen an Operationsbestecke auf Basis der neuen europäischen Medizinprodukte-Verordnung verschärft. Die Dampfsterilisation (Autoklavierung) von wiederverwendbaren Instrumenten und Komponenten im klinischen und medizintechnischen Umfeld ist ein kritischer Prozess. In einem Projektvorhaben sollte ein Mikrosystem (MEMS) für die Erfassung von Sterilisationsereignissen konzeptioniert und aufgebaut werden. Daraus resultiert eine ­Neuentwicklung zur Erfassung von Sterilisationszyklen in der medizinischen Praxis, gefördert durch ein IGF-Vorhaben; Dr. Daniel Hoffman von Hahn-Schickard, Villingen-Schwenningen, der an diesem Thema mit Dr. Kenny Pagel vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, Dresden, gearbeitet hat, stellte das Projekt vor.

Ziel der Arbeit war die Herstellung eines ­miniaturisierten Zählers auf Basis eines mikroelektromechanischen Systems (MEMS). Für die Sterilisation medizinischer Gerätschaften wird ein fraktioniertes Vorvakuumverfahren genutzt, bei dem mit einer ­Arbeitstemperatur von 134 °C gearbeitet wird. Aufgrund des Temperaturwechsels zwischen Raumtemperatur und Sterilisationstemperatur bietet sich als thermischer Aktor ein Element aus einer Formgedächtnislegierung an. Für das MEMS-Gerät wird ein Bauvolumen von weniger als 5 x 5 x 1,2 mm3, eine Lebensdauer von 1000 Zyklen sowie ein elektrischer Auslesemechanismus angestrebt.

Sterilisationszähler als MEMS-Bauelement (Bild: D. Hoffmann)

 

Mit Drahtmaterial aus Nickel-Titan, bei der eine Phasenumwandlung zwischen Martensit und Austenit erfolgt, wurden Untersuchungen durchgeführt. Eine derartige Legierung erreicht eine vollständige Phasenumwandlung bei Temperaturen von mehr als 95 °C, wobei eine Überhitzung zu vermeiden ist. Des Weiteren ist eine Vorspannung des Aktors auf etwa 500 MPa notwendig. Für das entwickelte MEMS-Bauelement wird für das Zählwerk ein Zahnrad vorgesehen, das bei einem Durchmesser von 3 mm über 100 Zähne verfügt und einen Hub von 75 µm in Arbeitsposition ausführen muss. Hierfür kommt ein Draht mit einem Durchmesser von 100 µm und einer Länge von 3 mm zum Einsatz. Entstanden ist auf dieser Basis eine Bauelementvariante mit einer Starttemperatur von 40 °C und einer Endtemperatur von 140 °C, das die gesetzten Anforderungen erfüllt.

Fazit

Die digitale microTEC Südwest Clusterkonferenz 2021 bot den zahlreichen Teilnehmern ein umfassendes Programm, nicht nur zu Themen der Medizintechnik und Gesundheit. Dank Virtual Lounges kam auch das Netzwerken nicht zu kurz und durch eine Filterfunktion im Eventtool waren bilaterale Gespräche möglich. Dementsprechend positiv ist die Resonanz zur Veranstaltung bei Teilnehmern und Veranstalter.

Die nächste microTEC Südwest Clusterkonferenz wird am 18. und 19. Mai 2022 stattfinden, als Präsenzveranstaltung oder erneut digital.

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