Synergetische Analyse und Verbesserung von Ressourceneffizienz und Chemikalienmanagement in der Oberflächentechnik – Teil 3

Oberflächen 08. 04. 2021

Von Dr. Uwe König, Alexander Leiden, Berthold Seßler und Ernst-Udo Sievers

Die Anwendung der Untersuchungen zur Ressourceneffizienz und des Chemikalienmanagements in der Praxis wird am Beispiel der Verchromung im Bereich der Lohnbeschichtung aufgezeigt. Dazu wird im ersten Schritt unter Einsatz des Werkzeugs Artifical REACh Tool eine Modellierung der Arbeitsumgebung vorgenommen, wobei auf bekannte Beschreibungen der Arbeitsszenarien zurückgegriffen wird. Aus der Simulation lässt sich ableiten, dass der Parameter der Stromdichte für die galvanische Verchromung die aussagekräftigsten Werte bezüglich der Arbeitssicherheit einerseits und des Ressourcenverbrauchs andererseits liefert. Die Werte der Simulation werden durch Messwerte in Betrieben abgeglichen.

Fortsetzung aus WOMag 3/2021

3.4 Arbeitspaket 3: ­Datenerhebung bei assoziierten ­Anwendungspartnern

3.4.1 Generelle Entwicklung von Risikodaten am Beispiel Verchromung

Zur Beurteilung des Bewertungsmaßstabs von Expositionsmessungen wurden vorliegende Werte der Betriebe der galvanischen Verchromung ausgewertet. Die zeitliche Entwicklung zeigt Abbildung 16. Ausgewertet wurden 130 Datensätze von 62 Betrieben im Zeitraum 1990 bis 2007.

Abb. 16: Entwicklung der betrieblichen Expositionen am Beispiel Hartverchromen

 

Die Maßnahmen der Betriebe beruhten dabei auf den Erfahrungswerten anderer Betriebe und Empfehlungen der Aufsichtsbehörden. Gleichzeitig wurden die Messmethoden präziser, so dass es nur bedingt möglich ist, den Einfluss von getroffenen technischen Maßnahmen eindeutig zu benennen. Zu berück- sichtigen ist auch, dass die Messungen nur an den Produktionsstandorten, nicht an anderen Stellen des Betriebs durchgeführt wurden.

Im Rahmen der Diskussionen über die Auswirkungen der Chemikaliensicherheit wurde die Notwendigkeit deutlich, die Messungen in unterschiedliche Szenarien zu erweitern. Hier wird auf die Entwicklungen der Anträge zur Autorisierung von Chromaten zurückgegriffen, im Wesentlichen auf die Ausarbeitungen des VECCO. Tabelle 2 enthält die entwickelten, als typisch eingestuften Szenarien.

 

Der Vorteil dieser Zusammenstellung ist die gezielte Definition von Parametern, welche die Szenarien beeinflussen. Diese können technischer, organisatorischer oder personeller Natur sein. In allen Fällen besteht eine Verbindung zwischen Ressourcennutzung und Risikomanagement, sowohl hinsichtlich Umweltschutz als auch hinsichtlich Arbeitnehmerschutz.

Ein generelles Problem besteht in der Beschreibung von Szenarien, die messtechnisch nicht erfassbar sind. Hier wurde das ART Tool – Artifical REACH Tool [11] – genutzt. Diese erlaubt durch die Benennung typischer Parameter eine gezielte Modellierung. Ein daraus ermitteltes Ergebnis zeigt Abbildung 17.

Abb. 17: Typisches Ergebnis einer ART-Modellierung

 

Zur weiteren detaillierten Analyse wurde das Arbeitsszenario WCS 4 (Verchromungs­prozess) ausgewählt und im Detail analysiert. Die betrachteten Abhängigkeiten sind in Tabelle 3 aufgeführt. Dargestellt ist, ausgehend von den möglichen Variationen des ART Tool, eine Zusammenstellung der zu variierenden Parameter.

 

3.4.2 Datenerfassung und Auswertung Risikoanalyse

Zur weiteren Untersuchung wurden die Parameter Konzentration, Temperatur, Absaug­leistung sowie Stromdichte (nicht in ART, aber für Produktion wichtig) ausgewählt. Die gezielte Analyse der Daten zeigte, dass die einflussnehmenden Größen nicht eindeutig benennbar sind. Während die Simulation mit ART Tool eine mit der Konzentration zunehmende Exposition vorhersagt, zeigen die vorliegenden technischen Daten diesen Trend nicht (Abb 16). Verwendet wurden die in Tabelle 4 aufgeführten betrieblichen Daten für die Verchromung. Gleichzeitig ergibt die Modellierung mit dem ART Tool, dass kein Einfluss der Temperatur gegeben ist (Abb. 18). Dieses Ergebnis bestätigt, dass nur ein ganzheitliches Bild genutzt werden kann.

 

Abb. 18: Exposition in Abhängigkeit der Konzentration, simuliert nach ART und technische Daten

 

Die erste Analyse zeigt bereits die Notwendigkeit, die Einzelprozesse gezielt zu untersuchen. Im vorliegenden Fall ist als letzter technischer Parameter die Stromdichte verblieben. Diese ist aber im Produktionsprozess abhängig von den Produkten und nur bedingt variierbar.

Um eine Verbindung mit den Ressourcen­effizienzdaten zu erreichen, wurde die Absaugleistung als handhabbares Kriterium gewählt. Es ist als Einzelkriterium unabhängig vom Produktionsprozess, beeinflusst aber die Risikodaten Umwelt und Exposition sowie die Nutzung der Ressourcen.

3.4.3 Datenerfassung und ­Auswertung zur Ressourceneffizienz

Die Erhebung von Daten bei assoziierten Anwendungspartnern musste während des laufenden Betriebs erfolgen. Die Datenerhebung für die Risikobewertung erfolgte hierbei bei Parameteränderungen nach Einstellung eines Gleichgewichtzustandes für die Luftkonzentrationen in der Umgebung. Für die Erhebung von Daten für die Ressourcenanalyse waren aufgrund der sich träge einstellenden Änderungen wesentlich längere Zeiträume anzusetzen. Ein direkter Vergleich ist daher nicht immer gegeben.

Ressourcen-Datenerhebung bei assoziierten Anwendungspartnern:

  • Unternehmensprofil
    Energieversorgung (Art, Menge, Preis) mit den Optionen Stromversorgung, Öl und Gas, Wasser
    Materialeinkauf (Art, Menge, Preis) mit den Optionen Chemikalien, Anoden, Hilfsstoffe
  • Produktionsdaten
    Anlagen-Design (Aufstellung, Fläche, Zuluft, Abluft)
    Artikel-Design (Form, Fläche, Gewicht, Funktion, Schichtanforderungen)
    Durchsatzmengen (pro Tag – pro Jahr)
    Arbeitszeit (Tag, Jahr, Anzahl Schichten)
  • Prozessdaten
    Versorgungsprozesse mit den Optionen Kompressoren, Wärmeerzeugung, Kühlung
    Entsorgungsprozesse mit den Optionen Abwasserbehandlung, Abluft (inkl. Wärmerückgewinnung), Lage/Transport
    Maschinendaten (Einzelprozesse) mit den Optionen Temperaturen, Mitarbeiter pro Anlage, Produktdurchsatz (Fläche, Gewicht), Stand-by-Verbrauch (Energie, Druckluft), Anfahrtszeit /Ausfahrtszeit
  • Stoffströme (Einzelprozesse)
    Ressourceneingänge mit den Optionen Rohprodukt, Strom, Gas, Druckluft, Kühlung, Wasser), Materialeingang (Chemie, Anoden, Hilfsstoffe), Personaleinsatz Prozess
    Ressourcenausgänge mit den Optionen fertiges Produkt, Abfälle, Abwasser, Luft­emissionen, Rückführung in Elektrolyt

Die Daten für Ressourcenflüsse sind in Abbildung 19 am Beispiel Hartverchromung dargestellt. Die Auswertung der Daten ergibt Grundlagen für Maßnahmen, mit denen Potenziale für Effizienzmaßnahmen aufgedeckt werden. Die Ressourcenflüsse sind für gleiche Einheiten proportional dargestellt.

Abb. 19: Ressourcenflüsse bei der Hartverchromung

 

3.4.4 Betriebliche Datenerfassung

Im Rahmen dieses Arbeitspakets wurden bei den assoziierten Anwendungspartnern mit Hilfe des Datenerhebungsmoduls die notwendigen Daten zu Modellierung der Zusammenhänge zwischen Energie- und Ressourceneffizienz sowie dem Risiko durch Expositionen von Chrom(VI) ­aufgenommen. Zusätzlich wurden in Zusammenarbeit mit einem Messlabor bei zwei ­ausgewählten Betrieben bei spezifischen Szenarien mit variabler Abluftleistung und ­Stromstärke Luftproben über eine Stunde hinweg entnommen. Dabei wurden an zwei unterschiedlichen Orten zeitgleich Messungen durchgeführt. Hierdurch sollte die Aussagemöglichkeit der Ergebnisse bewertet werden.

Abbildung 20 zeigt zunächst die Abhängigkeit der Exposition von der Stromstärke bei konstanter Absaugleistung, Konzentration und Temperatur. Der Verlauf der Kurve selbst wird durch die Art des Produkts bestimmt. Erwartet wird hauptsächlich eine Abhängigkeit von der Geometrie.

Abb. 20: Ergebnis einer betrieblichen Messung (Betrieb 1) als Abhängigkeit der Exposition von der Stromstärke für die Abscheidung

 

Von wesentlicher Bedeutung für das weitere Vorgehen ist allerdings der Unterschied der beiden Kurven an den ausgewählten Messorten. Obwohl der grundsätzliche Verlauf innerhalb der Fehlergrenze als vergleichbar angesehen wird, zeigt sich in den Absolutwerten ein deutlicher Unterschied. Es wird angenommen, dass die Strömungsverhältnisse außerhalb der Produktionslinie wesentlichen Einfluss haben auf die Datenerfassung.

Damit ist für die weitere Interpretation ein einzelner Wert nicht ausreichend aussagefähig. Für eine verlässliche Bewertung ist die Abhängigkeit der Exposition von den gewählten Parametern von Relevanz. Erst wenn diese dargestellt sind, können die Kontrollmessungen bei den Betrieben gezielt durchgeführt werden.

Die weitere Messreihe untersuchte gezielt die Abhängigkeit der Exposition von der Leistung der Absaugung entlang der Produktionslinien. Da deren Einstellung wesentlich den Energieverbrauch bestimmt, kann hierdurch eine Bewertung der technischen Parameter hinsichtlich der Leistungsfähigkeit durchgeführt werden. Ziel ist es, eine Exposition unterhalb der aktuellen Bemessungsgrenze von 1 µg/m3 zu erreichen und gleichzeitig die Absaugleistung auf den geringst notwendigen Verbrauch einzustellen.

Die Experimente wurden bei beiden Betrie­ben bei bekannter ­Elektrolytkonzentration und -temperatur durchgeführt. Beide Betriebe nutzen allerdings unterschiedlich leistungsfähige Absauganlagen. Abbildung 21 zeigt das Ergebnis.

Abb. 21: Abhängigkeit der Exposition von der Leistung der Absaugung an der Prozessposition bei einer betrieblichen Messung (Betriebe 1 und 2)

 

Die Exposition nimmt bei beiden Betrieben mit zunehmender Absaugleistung exponentiell ab. Der grundsätzliche Verlauf ist vergleichbar. Die Ergebnisse zeigen allerdings auch, dass die Absolutwerte unterschiedlich sind. Es wird erwartet, dass auch in diesem Fall die lokalen Bedingungen der Messorte wesentlich sind. Den größten Einfluss werden lokale Luftströme und -verwirbelungen haben.

Die Ergebnisse zeigen ferner, dass durch die Kenntnis des Verlaufs der ­Abhängigkeiten eine gezielte Steuerung der ­Absaugleistung möglich ist. Nach Erreichen eines stabilen Werts ist keine wesentliche ­Verringerung der Exposition bei weiterer Steigerung der Absaugleistung mehr zu erwarten; eine weitere Steigerung der Absaugleistung erhöht im Wesentlichen nur den elektrischen Leistungsbedarf. Die Anwendbarkeit dieser Annahme muss mit Kontrollmessungen überprüft werden, die aber bei Kenntnis der Abhängigkeiten gezielt durchgeführt werden können.

Die Messungen haben ebenfalls gezeigt, dass beim Unterschreiten einer Mindestleistung für die Abluft die Belastung in der Umgebungsluft je nach örtlichen Gegebenheiten unterschiedlich stark ansteigt. Die Einflussgrößen hierfür sind unter anderem:

  • Kennfelder der Ventilatoren
  • Druckverlust in der Abluftanlage bis zur Entnahmestelle bei unterschiedlichen Durchflussgeschwindigkeiten (Durchmesser Rohrleitung, eingebaute Winkel, Einbauten für Tropfenabscheidung)
  • Ein- und Ausfahren von Ware im Elektro­lyten
  • Überfahren der Abscheideposition durch einen Transportwagen
  • Unterschiedliche Stromstärken bezogen auf die Elektrolytoberfläche
  • Unterschiedliche Elektrolytbewegung
  • Unterschiedliche Schaumbildung durch Zugabe von Netzmittel zum Elektrolyten

-wird fortgesetzt-

Literatur

[11] ART Consortium: The Advanced Reach Tool; www.advancedreachtool.com, abgerufen am 18.07.2020

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