Nachhaltige und sichere Batterien: Forschung am Lebenszyklus

Werkstoffe 06. 03. 2021
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KIT bündelt fächerübergreifende Expertise in zwei neuen Batterie-Kompetenzclustern

Recycling und optimierte Rohstoffkreisläufe, Zweitnutzung und ein wissensbasiertes Zelldesign sollen Lithiumionen-Batterien zukünftig nachhaltiger und sicherer machen. Die Grundlagen dafür schaffen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Verfahrenstechnik und Materialwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit gemeinsamer Forschung zum Batterielebenszyklus. Die neuen Forschungsprojekte sind Teil der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) neu geschaffenen Batterieforschungscluster greenBatt und BattNutzung.

Batteriezellen mit einer dauerhaft hohen Leistungsfähigkeit können den ökologischen Fußabdruck von Anwendungen wie der Elektromobilität erheblich verringern. Denkbar ist es auch, solche Zellen nach Gebrauch weiterzunutzen, etwa in großen Netzspeicherverbunden. Doch nicht alle Zellen sind für solche Second-Life-Szenarien geeignet, der Langzeitbetrieb erfordert das perfekte Zusammenspiel von zahlreichen Komponenten und Materialien: Beim dauerhaften Laden und Entladen einer Batterie finden nach Aussage von Prof. Hans Jürgen Seifert vom Institut für Angewandte Materialien – Angewandte Werkstoffphysik des KIT unweigerlich auch unerwünschte Seitenreaktionen statt. Wenn das ihr Verhalten nachteilig beeinflusse, spreche man von Degradation oder Alterung. Man könne sie nicht ganz verhindern, aber durch ein entsprechendes Zelldesign verzögern und abmildern. Seifert und sein Team analysieren die Zersetzungsmechanismen im besonders reaktiven Elektrolyt anhand der damit einhergehenden Gasbildung. Durchgeführt werden hochpräzise kalorimetrische Messungen, also die Bilanzierung von Wärmemengen im Betrieb einer Batterie sowie deren thermodynamische Modellierungen. Ziel des Projekts sind präzise Vorhersagen zum Zellverhalten bei der Nutzung erklärt Seifert: Mit unseren Modellen können dann sichere und nachhaltige Batterien wissensbasiert entwickelt und zügig in den Markt gebracht werden. 

Degradation verstehen und steuern

Ein besseres Verständnis der Degradationsprozesse hilft auch dabei, verlässlichere Lebensdauerprognosen für Lithiumionen-Zellen zu erstellen. Entsprechende Testreihen sind aber äußerst zeitaufwendig. Als ­Lösung würden Testverfahren benötigt, in ­denen die Alterung beschleunigt ablaufe, sagt Prof. Thomas Wetzel vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik. Der Wohlfühlbereich der Zellen liegt ihm zufolge bei etwa 25 °C. Wenn man sie Hitze oder Kälte aussetze, alterten sie deutlich schneller. Die Komplexität der Alterungsprozesse und der thermischen Bedingungen in den Zellen machen es bislang aber schwierig, Ergebnisse beschleunigter Prüfverfahren auf konventionelle Verfahren zu übertragen. Wetzel und sein Team identifizieren nun geeignete Bedingungen und Parameter, die möglichst wenig zusätzliche Alterungsmechanismen auslösen und sich deshalb als Marker eignen. Mit Hilfe dieses thermischen Fingerabdrucks einer Batteriezelle soll es möglich werden, die Alterung auch in beschleunigten Testreihen verlässlich vorherzusagen.

Neue Ansätze für das Batterierecycling

Ein weiterer Schwerpunkt der neuen Cluster sind ein recyclinggerechtes Batteriedesign sowie die Weiterentwicklung von Recyclingverfahren und Rohstoffkreisläufen. ­Derzeit existieren nach Aussage von Prof. Hermann Nirschl vom Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik (MVM) des KIT zwei Verfahrenswege zum Recycling von ­Lithiumbatterien. Beim pyrometallurgischen Ansatz würden die Zellen bei hohen Temperaturen eingeschmolzen. Das sei robust und sicher, die erreichbare Recyclingquote sei jedoch begrenzt. Potenziell höhere Recyclingquoten versprächen die mechanischen Ansätze, also das Zerkleinern und Sortieren. Diese sind Prof. Nirschl zufolge aber grundsätzlich mit höheren Sicherheitsrisiken behaftet, und die Materialtrennung sei ­bislang nur mäßig selektiv. Am MVM werden einzelne Prozessparameter und ­Prozessketten des mechanischen Recyclings hochaufgelöst ­simuliert, verglichen und mit dem Ziel optimiert, ein wirtschaftlich tragfähiges, umweltschonendes und ­funktionserhaltendes Batterierecycling zu ermöglichen. Dabei berücksichtigen sie innovative Ansätze wie Schockwellen, Ultraschallverfahren oder Nassmahlung, die eine hohe Materialselektivität, eine Erhaltung von Funktionsmaterialien und durch den Einsatz von Wasser auch eine hohe Sicherheit garantieren. Zukünftig können günstige Designmerkmale für Batterien direkt aus den Simulationsergebnissen abgeleitet werden.

Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe

Wo die derzeitigen Verfahren beim Batterierecycling an Grenzen stoßen, kann die Ausbeute durch eine bessere ­Kombination von mechanischen mit thermischen Verfahren weiter erhöht werden. So arbeitet das Forschungsteam von Prof. Wilhelm Schabel der Thin Film Technology des KIT an thermischen Recyclingprozessen für flüchtige organische Komponenten in Elektrodenschichten. Wir wollen wertvolle Rohstoffe zurückgewinnen, die bei der bisherigen Aufbereitung von Batteriezellen nicht ausreichend berücksichtigt wurden, sagt Schabel. Gemeinsam mit unseren Projektpartnern werden wir hinsichtlich Recyclingquote auch die Behandlung des Schredderguts bei Temperaturen bis 500 °C optimieren. Experimente mit neuen spektroskopischen Messmethoden sollen dabei zu einem grundlegenden Verständnis der Mikro- und Makroprozesse in den Elektrodenschichten während des Recyclingprozesses führen. Außerdem soll eine geeignete Strategie für eine weiterführende thermische Behandlung zur Abtrennung auch von schwersiedenden und in den Schichtstrukturen langsam diffundierenden Komponenten gefunden werden. Unsere experi­mentellen Erkenntnisse werden wir jeweils konsequent in Simulationsmodelle überführen, betont Schabel. Nur so könne man zur Optimierung zukünftiger Recyclingprozesse beitragen.

Batteriesysteme intelligent überwachen

Neben der Nachhaltigkeit steht auch die ­Sicherheit von Batteriesystemen im Fokus der Arbeit in den neuen Forschungsclustern. Sicherheitskritische Defekte auf Zell­ebene ereignen sich zwar nur selten, können aber schwere Folgen haben – wie etwa beim Lithium-Plating: Ausgelöst werde der Effekt durch die Anlagerung von metallischem Lithi­um in der Anode, erklärt Prof. Ulrike Krewer vom Institut für Angewandte Materialien – Werkstoffe der Elektrotechnik. Das kann ihr zufolge zu einem massiven Kapazitätsverlust führen, im Extremfall auch zu Kurzschlüssen oder sogar zu einem Zellbrand. Damit es nicht so weit kommt, können Zellen während des Betriebs überwacht und ­geprüft werden. Allerdings wurden solche Online-Verfahren bislang vor allem im Labor eingesetzt und sind auf Systemebene wenig sensitiv. Krewer und ihr Team entwickeln nun verbesserte Analysealgorithmen für die Praxis. Dabei berücksichtigen wir nicht­lineare Vorgänge beim Betrieb einer Batterie, ­diese Daten wurden bislang kaum zur Diagnose genutzt, so Krewer.

Gemeinsame Forschung im ­Auftrag der Bundesregierung

Bei der Ausgestaltung des Dachkonzepts Forschungsfabrik Batterie hat die deutsche Bundesregierung zuletzt vier neue Kompetenzcluster für die Batterieforschung geschaffen, die insgesamt mit 100 Millionen Euro gefördert werden. Das KIT koordiniert dabei bundesweite Forschung zu flexiblen Produktionssystemen im Kompetenzcluster InZePro (Intelligente Batteriezellproduktion) und zu leistungsstarken Batterien im Cluster AQua (Analytik/Qualitätssicherung). Auch die Beiträge des KIT in den Forschungsclustern greenBatt (Recycling/Grüne Batterie) und BattNutzung (Batterienutzungskonzepte) basieren auf der engen Zusammenarbeit unterschiedlicher Institutionen. Beteiligt sind unter anderem verschiedene Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, die Hochschule Ingolstadt, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), die TU Braunschweig, die TU Clausthal, die TU Freiberg, die Technische Universität München (TUM), die Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) sowie das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Ulm (ZSW). Weitere Informationen zu diesem Themenbereich sind zu finden unter: www.bmbf.de/de/
batterieforschung-in-deutschland-662.html
mhe

Text zum Titelbild: Ein verbessertes Verständnis des Lebenszyklus ermöglicht die beschleunigte Entwicklung von ausdauernden, recyclingfähigen und sicheren Lithiumionenbatterien (Foto: Laila Tkotz, KIT)

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