Verständnis von Materialien verbessert Hüftimplantate

Medizintechnik 09. 06. 2020
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Forschungsteam am Max-Planck-Institut für Eisenforschung MPIE veröffentlicht neueste Erkenntnisse zur Materialabnutzung in Hüftimplantaten

2015 wurden in den Industrieländern 1,8 Millionen Hüftoperationen durchgeführt. Aufgrund der höheren Lebenserwartung wird die Zahl der Hüftendoprothesen schätzungsweise auf 2,8 Millionen bis 2050 ansteigen. Am Ende des letzten Jahrtausends hielten künstliche Hüftprothesen nur etwa zehn Jahre. Seitdem haben sich Ärzte verstärkt mit Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zusammengetan, um länger haltbare Implantate zu bauen, mit dem Ziel, Revisionsoperationen nach der Implantation zu vermeiden. Die Forscher befassen sich unter anderem mit der Freisetzung von winzig kleinen Metallpartikeln und Ionen aus dem Implantat in das umgebende ­Gewebe, ein Prozess, der durch kombinierte Mikrobewegungen und Korrosion zwischen den modularen Teilen der künstlichen Hüfte beschleunigt wird. Um die zugrundeliegenden Mechanismen auf atomarer Ebene zu identifizieren, analysierten Dr. Michael Herbig, Leiter der Gruppe Materialwissenschaft der mechanischen Kontakte am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE), und sein Team, Kobalt- und Titanlegierungen, die in Hüft­implantaten verwendet werden. In Zusammenarbeit mit Professor Alfons Fischer und Professor Markus Wimmer vom Rush University Medical Center in Chicago, USA, modellierten die Wissenschaftler die Belastungen und die Umgebung des Hüftgelenks experimentell im Labor. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Advanced Science veröffentlicht.

Hüftimplantate bestehen nach den Worten von Dr. Shanoob Balachandran oft aus einem kobalthaltigen Gelenkkopf, der auf einem Schaft aus einer Titanlegierung befestigt ist. Dr. Shanoob Balachandran, Erstautor der Publikation zusammen mit seiner Kollegin Dr. Zita Zacharia, ist wie Zacharia Postdoktorand der Gruppe Mechanische Kontakte. Kombinierte Reibung und Korrosion an der Verbindungsstelle von Kopf und Schaft führen zur Freisetzung von ­Metallpartikeln und Ionen in den Körper des Patienten. Das umliegende Gewebe wird gereizt, was eine Revisionsoperation des Implantats erforderlich machen kann, erklärt Balachandran. Mit Hilfe mehrerer hochauflösender Mikroskopietechniken konnte gezeigt werden, dass die Reibung zwischen Oberschenkelkopf und -schaft zu einem Relief auf der Oberfläche der Titanlegierung führt. Die Unebenheiten ragen nach Aussage von Herbig aus der Oberflächen der Titanlegierung heraus und verkratzen die gegenüberliegende Oberfläche der Kobaltlegierung. Dadurch werde deren natürliche Schutzschicht verletzt und es komme zur weiteren Korrosion des Kobaltkopfes. Und dies wiederum führe zur Freisetzung von Metallionen. Aber wie kann dieser Prozess gehemmt werden und wie beeinflussen die in der Gelenkflüssigkeit vorhandenen Proteine die Auflösung der Legierungen? Dies wäre der nächste Schritt unserer Forschung, um den Weg für die Entwicklung tribokorrosionsbeständiger Legierungen für medizinische Anwendungen zu ebnen, so Zacharia.Yasmin Ahmed Salem

Originalpublikation:

Shanoob Balachandran, Zita Zachariah, Alfons Fischer, David Mayweg, Marcus A. Wimmer, Dierk Raabe, Michael Herbig: Atomic Scale Origin of Metal Ion Release from Hip Implant Taper Junctions; Advanced Science, 1903008 (2020), https://doi.org/10.1002/advs.201903008

 

Der kobalthaltige Hüftkopf, der oft bei Hüftendoprothesen verwendet wird, kann sich an der Verbindungstelle zum Hüftschaft aus einer Titanlegierung durch Reibung abbauen. Bei der Messung der Titanlegierung mittels Atomsondentomographie (rechts) entdeckten die Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler des MPIE, dass verschiedene Oxide, die Bestandteile der Kobaltlegierung (Kobalt, Chrom) und das Grenzflächenmedium (Chlor) in die Titanoberfläche eingebracht werden (© S. Balachandran, Z. Zachariah, et al.: Advanced Science 2020, 1903008)

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