Additiv gefertigtes Raketentriebwerk mit Aerospikedüse für Microlauncher

Werkstoffe 04. 04. 2020
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Microlauncher sind eine Alternative zu herkömmlichen Trägerraketen. Die mittelgroßen Transportsysteme können Nutzlasten bis zu 350 Kilogramm befördern; künftig sollen sie kleine Satelliten in den Weltraum bringen. Forscherinnen und Forscher am Dresdner Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS haben gemeinsam mit Raumfahrtexperten der TU Dresden ein additiv gefertigtes Raketentriebwerk mit Aerospike-Düse für Microlauncher entwickelt. Der skalierte Prototyp aus Metall soll 30 Prozent weniger Treibstoff als konventionelle Triebwerke verbrauchen.

Der Markt mit kleinen Satelliten wird in den kommenden Jahren boomen. Großbritannien plant im Norden Schottlands den ersten Weltraumbahnhof auf europäischem ­Boden und auch der Bundesverband der Deutschen Industrie hält einen ­Weltraumbahnhof hierzulande für sinnvoll. Von dort sollen kleine bis mittelgroße Trägerraketen Forschungsinstru­mente und kleine ­Satelliten ins All bringen. Diese Microlauncher sind für eine Nutzlast von bis zu 350 Kilogramm ausgelegt. Eine effiziente Art, diese Microlauncher anzutreiben, sind sogenannte Aerospike-Triebwerke. ­Diese stellen nicht nur eine erhebliche Massereduktion, sondern auch eine signifikante Treibstoffersparnis in Aussicht.

Im Laufe der letzten beiden Jahre hat ein Forscherteam des Fraunhofer IWS zusammen mit dem Institut für Luft- und Raum­fahrttechnik der TU Dresden ein solches ­Aerospike-Triebwerk entwickelt, gefertigt und getestet. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Besonderheit: Treibstoffinjektor, Brennkammer und Düse werden per Laser Powder Bed Fusion (L-PBF), einem additiven Fertigungsverfahren, Schicht für Schicht hergestellt. Die Düse selbst besteht aus einem stachelförmigen Zentralkörper, über den die Verbrennungsgase beschleunigt werden.

Die technologische Konzeption der Aero­spike-Triebwerke ist erstmals in den 1960er Jahren aufgekommen. Aber nur durch die Freiheiten der additiven Fertigung und die Einbettung dieser in konventionelle Prozessketten ist es uns möglich, so effiziente Triebwerke überhaupt herzustellen, sagt Michael Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Additive Manufacturing Center Dresden (AMCD), das gemeinsam vom Fraunhofer IWS und der TU Dresden betrieben wird.

Aerospike Rocket Engines versprechen eine Treibstoffeinsparung von etwa 30 Prozent gegenüber konventionellen Raketen. Darüber hinaus sind sie kompakter als konventionelle Systeme, wodurch die Masse des Gesamtsystems sinkt. In der Raumfahrt ist jedes eingesparte Gramm Gold wert, da man weniger Treibstoff in den Orbit mitnehmen muss, erläutert Mirko Riede, Gruppenleiter 3D-Generieren am Fraunhofer IWS und Kollege von Michael Müller. Je schwerer das Gesamtsystem, desto weniger Nutzlast könne transportiert werden. Die Dresdner Aerospike-­Düse des Fraunhofer IWS und der TU Dresden passt sich auf dem Weg von der Erde in den Orbit besser an die Druckverhältnisse an. ­Dadurch ist sie effizienter und benötigt weniger Treibstoff als herkömmliche Triebwerke.

Additiv gefertigte Düse

Bei der Herstellung der Rakete aus Metall haben sich die Forscher für die additive Fertigung entschieden, da das Triebwerk nach Aussage von Mirko Riede eine sehr gute Kühlung und innenliegende Kühlkanäle erfordert. Dieses komplexe regenerative Kühlsystem mit innenliegenden, verschlungenen Strukturen lasse sich konventionell nicht fräsen oder gießen. Das Pulver wird Schicht für Schicht aufgetragen und anschließend selektiv per Laser aufgeschmolzen. So entsteht nach und nach das Bauteil inklusive der ­einen Millimeter breiten Kühlkanäle, die der Kontur der Brennkammer folgen. Das Pulver wird nachträglich aus den Kanälen herausgesaugt. Die Anforderungen an das Metall: Es muss bei hohen Temperaturen fest sein und Wärme gut leiten können, um eine optimale Kühlung zu gewährleisten. In der Brennkammer herrschen Temperaturen von mehreren Tausend Grad Celsius, insofern ist eine aktive Kühlung erforderlich, erläutert Michael Müller.

In dem Projekt CFDμSAT, das im Januar 2020 startete, legen die Wissenschaftler des Fraunhofer IWS und der TU Dresden den Fokus auf das Einspritzsystem, um die Effizienz der Antriebssysteme weiter zu steigern. Assoziierte Partner im Projekt sind die ArianeGroup und die Siemens AG. Die Fertigung der Injektoren stellt besonders hohe Anforderungen an Design und Fertigung. Wie Müller erklärt, nutzt man die Treibstoffe erst zur Kühlung des Triebwerks, sie erwärmen sich und werden dann in die Brennkammer eingebracht. Dabei würden flüssiger Sauerstoff und Ethanol separat zugeführt und über einen Injektor zusammengeführt. Das so entstehende Gasgemisch werde gezündet. Es dehne sich in der Brennkammer aus, ströme dann durch einen Spalt in der Brennkammer und werde über die Düse entspannt und beschleunigt, erklärt Müller den Vorgang der Schubentwicklung.

Triebwerk im Heißfeuertest

Auf dem Teststand des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden testeten die Dresdner Forscher den Prototypen des Aerospike-Triebwerks bereits. Sie erzielten eine Brenndauer von 30 Sekunden. Das ist Müller zufolge ein besonderer Vorgang, denn bislang gibt es noch kaum Tests von Aero­spike-Düsen. Wir haben nachgewiesen, dass sich mittels additiver Fertigung ein funktionierendes Flüssigkeitstriebwerk herstellen lässt, so Müller.

Das Projekt ist ein Beispiel für die enge Kooperation der TU Dresden mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Rahmen des Wissenschaftsverbunds DRESDEN-concept. Im Projekt übernimmt die TU Dresden das Design und die Auslegung des Triebwerks, das Fraunhofer IWS ist im Vorhaben für die Prozesskette verantwortlich: Im ersten Schritt wurde das Design an den additiven Fertigungsprozess angepasst, anschließend folgte die Auswahl des Materials sowie die Ermittlung der Materialkennwerte. Per Laser Powder Bed Fusion wurde das Triebwerk aus zwei Komponenten gedruckt und an den Funktionsflächen nachbearbeitet. Im Anschluss wurden die Bauteile durch Laserstrahlschweißen gefügt und mit zerstörungsfreier Computertomografie auf Fehlstellen und andere Fehler überprüft. Beispielsweise lässt sich so feststellen, ob Kühlkanäle durch versintertes Pulver verstopft sind. Dies zeigt branchenübergreifend, wie AM-Verfahren sinnvoll in bestehende Prozessketten integriert werden können, um Entwicklungen voranzutreiben.

Design-Demonstrator: Die additiv gefertigte Aerospike-Düse (© Fraunhofer IWS)

Text zum Titelbild: Den Prototypen des Aerospike-Triebwerks testeten die Dresdner Forscher bereits auf dem Teststand des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden (© Fraunhofer IWS Dresden)

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