Moderne Oberflächenanalytik rund um den Beschichtungs­prozess - von Materialvorbehandlung bis Fehleranalytik

Werkstoffe 04. 04. 2020

Von Karsten Lamann und Dr. Birgit Hagenhoff, Tascon GmbH, Münster

Wichtige Materialeigenschaften wie etwa die Benetzbarkeit, das Oxidationsverhalten oder optische Eigenschaften von beispielsweise Metallen, Kunststoffen oder Keramiken werden von der chemischen Zusammensetzung der äußersten Zone ihrer Oberfläche in Tiefen von einigen Nanometern bestimmt. Die Auswahl geeigneter oberflächenanalytischer Verfahren kann helfen, Materialeigenschaften zu optimieren sowie die Ursachen für Produktfehler, zum Beispiel in Beschichtungsprozessen, zu identifizieren.

Drei Fragestellungen stehen wiederkehrend im Fokus, wenn es darum geht, Oberflächen zu charakterisieren, um Materialeigenschaften zu optimieren oder Ursachen für Produktfehler zu finden:

  • Welche Substanz (Identifizierung)
  • befindet sich wo (Lokalisierung)
  • und in welcher Menge ist diese Substanz vorhanden (Quantifizierung)?

    Der analytische Werkzeugkasten

Zur Beantwortung dieser Fragen steht eine Vielzahl oberflächenanalytischer Methoden zur Verfügung (Abb. 1). Die Methoden lassen sich grundsätzlich hinsichtlich ihrer Informationstiefe und ihrer lateralen Auflösung unterteilen. Die ­laterale Auflösung gibt dabei an, welchen Abstand zwei Detailbereiche einer Probe haben müssen, damit sie noch getrennt analysiert werden können. Zusätzlich kann eine Unterteilung der Methoden in chemisch- und physikalisch-charakterisierend vorgenommen werden. Alle in Abbildung 1 aufgeführten Werkzeuge sind heute Standardtechniken in der modernen Oberflächenanalytik. Allerdings gibt es nicht die eine, allumfassende Methodik, die sämtliche Fragestellungen beantworten kann.

Abb. 1: Oberflächenanalytische Verfahren, unterteilt nach erreichbarer Lateralauflösung und Informationstiefe; Verfahren, die chemische Informationen über die Probe liefern sind grün dargestellt, Techniken, die physikalische Informationen liefern sind blau dargestellt

 

Es ist vielmehr eine maßgeschneiderte Technikauswahl und -kombination nötig, um auftretenden Problemen adäquat zu ­begegnen. Hierbei ist eine fachliche Beratung bei der Wahl des geeigneten Verfahrens sowie bei der Interpretation der Ergebnisse sinnvoll. Da die Anzahl der verfügbaren Techniken des analytischen Werkzeugkastens und deren unterschiedliche Anwendungsmethoden sehr umfangreich ist, empfiehlt sich in der Regel eine Vorauswahl anhand der zu erwartenden Ergebnisse einer Untersuchung. Daher beschränken sich auch die vorliegenden Ausführungen auf eine leistungsfähige, aber im Vergleich zur REM/EDX oder XPS deutlich unbekanntere Technik – die ToF-SIMS.

Bei dieser vielseitig einsetzbaren und etablierten Technik aus dem in Abbildung 1 gezeigten Werkzeugkasten handelt es sich um die Flugzeit-Sekundärionenmassenspektro­metrie (ToF-SIMS). Zur Analyse werden Primärionen auf die Oberfläche der Probe beschleunigt, was unter anderem zu einer Emission von charakteristischen Sekundär­ionen aus der Probenoberfläche führt. Diese Sekundärionen werden entsprechend ihres Masse-zu-Ladungs-Verhältnisses (mass/u) getrennt und anschließend detektiert.

Die ToF-SIMS erlaubt die simultane Detektion von molekularen und elementaren Probenbestandteilen bis in den ppb-Bereich (ppb - parts per billion / 1 Teil pro 1 Milliarde Teilen) beziehungsweise fmol-Bereich (femto-mol = 10-15 mol). So ist es möglich, mit dieser Technik auch geringste Spuren von Atomen und Molekülen nachzuweisen und zu identifizieren. Mit einer Informationstiefe von etwa 1 bis 3 atomaren Monolagen ist die ToF-SIMS dabei ausgesprochen oberflächen­empfindlich. Ein Sputter-Abtrag der Oberfläche ermöglicht es - wenn gewünscht - die Informationstiefe auf mehrere Mikrometer zu erweitern (Abb. 1).

Neben der reinen Identifikation bietet die ToF-SIMS auch die Möglichkeit zur bildgebenden chemischen Analyse von Probenbereichen bis zu einer Größe von 9 x 9 cm2 sowie zur Tiefenprofilierung kleinerer Bereiche. Hierbei kann routinemäßig eine laterale Auflösung von < 300 nm und eine Tiefenauflösung von < 10 nm erreicht werden. Im Folgenden soll die Leistungsfähigkeit der ToF-SIMS anhand von zwei Praxisbeispielen aufgezeigt werden.

Vorbehandlung von ­Bauteilen im Beschichtungsprozess

Exemplarisch soll zunächst der Erfolg der Reinigung einer Edelstahloberfläche anhand der zugehörigen ToF-SIMS-Spektren beschrieben werden.

Die ­Spektrenausschnitte in Abbildung 2 zeigen, wie sich die chemische Zusammensetzung der Stahloberfläche durch den Reinigungsprozess (Tensidlösung und Ultraschall) verändert.

Abb. 2: Erfolgskontrolle einer Oberflächenreinigung mit dem ToF-SIMS-Verfahren; oben: vor der Reinigung; unten: nach der Reinigung

 

Auf der ungereinigten Oberfläche werden deutlich Mineralöl und Fette detektiert. Anhand des Spektrums negativ geladener Sekundärionen können sogar einzelne Fettbestandteile (z. B. Palmitat (255 u), Arachidat (311 u)) unterschieden werden. Nach dem Reinigen sind die Intensitäten der charakteristischen Mineralöl- und Fettsäuresignale erheblich reduziert. Wie obiges Beispiel zeigt, ist durch geeignete Prozesse eine zuverlässige Beseitigung von Fett- und Mineralölkontaminationen möglich. Allerdings können Rückstände der zur Reinigung verwendeten Substanzen (z. B. Tenside) zu einer neuerlichen Kontamination der Oberfläche führen. Dieses Beispiel zeigt, dass bereits vergleichsweise einfache Analysen an Bauteilen wichtige Aussagen bezüglich der technischen Sauberkeit des Produkts liefern können, um Produktausfälle zu minimieren.

Die Folgen von oben genannten Kontaminationen und ein gangbarer Analyseweg zur Identifizierung solcher Kontaminationen werden im folgenden Beispiel aufgeführt.

Ursachen für Beschichtungsstörungen identifizieren

Abbildung 3 zeigt eine typische Benetzungsstörung in einer lackierten Oberfläche, verursacht durch Oberflächenkontaminationen. Neben den oben genannten Fettsäuren und Mineralölrückständen gibt es eine Vielzahl von Verunreinigungen, die solche Fehlstellen verursachen können, wie beispielsweise Polysiloxane, perfluorierte Polyether, Sulfate oder Phosphate.

Abb. 3: Optisches Bild eines Kraters auf lackierter Oberfläche

 

Liefert die optische Analyse keine Hinweise auf die Ursache der Störungen etwa durch Partikel, so ist zu vermuten, dass eine chemische Kontamination die Oberflächenspannung und damit das Benetzungsverhalten des Lacks lokal verändert hat. In diesem Fall ist die ToF-SIMS die bevorzugte analytische Methode, um den Lack zielgerichtet auf chemische Veränderungen im Krater­bereich zu untersuchen. Abbildung 4 zeigt die Resultate einer ToF-SIMS-Analyse innerhalb und außerhalb des in Abbildung 3 gezeigten Lackkraters. In beiden Bereichen wird ein Polysiloxan nachgewiesen, das in diesem Fall ein Bestandteil des applizierten Klarlacks ist. Grundsätzlich sind Polysiloxane aber auch als kraterverursachende Substanzen bekannt, wobei die ToF-SIMS in der Lage ist, verschiedene Siloxanklassen zu unterscheiden.

Abb. 4: ToF-SIMS Spektrum (positive Sekundär­ionenpolarität) inner- und außerhalb des in Abbildung 3 gezeigten Kraters

 

Im hier vorliegenden Fall wird innerhalb des Kraters zusätzlich ein perfluorierter Poly­ether nachgewiesen (Abb. 4). Perfluorierte Polyether werden als Hochleistungsschmierstoffe eingesetzt und kommen unter anderem in Industrierobotern oder Transportbändern zum Einsatz. Bereits geringe Mengen dieser Schmierstoffe sind ausreichend, um die Benetzung von Oberflächen signifikant zu stören.

Fazit

Die Anwendung von oberflächenanalytischen Techniken führt zu einem aussagekräftigen Bild der chemischen Zusammensetzung einer Oberfläche. Dabei können die gewonnenen Ergebnisse entlang der gesamten Prozesskette genutzt werden: von Forschung und Entwicklung über Produktion, bis hin zu ­After-Sales. Die Anwendung der ToF-SIMS und die gezeigten Beispiele sind dabei nur kleine Ausschnitte aus einem leistungsstarken und umfangreichen analytischen Werkzeugkasten, der problemlos auf eine Vielzahl von Proben (Glas, Keramik, Kunststoff, Metall) anwendbar ist.

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