Reibungszahlen bei Schrauben und Muttern

Werkstoffe 05. 03. 2019

– Neue Normen (MBN 10544, VW 01131) und die Umsetzung in der REC Reibzahl-Prüfmaschine

Von Bernhard Reck und Daniel Egerding, Breidenbach

Eine Schraubenverbindung ist erst dann eine optimierte Schraubenverbindung, wenn das Verbindungselement – Schraube und Mutter –
so aufeinander abgestimmt sind, dass sie den maximalen Wirkungsgrad haben. Damit ist gemeint, dass die Schraube bei der Montage eine maximale und definierte Vorspannkraft aufbauen kann und in Folge durch die eigene Dehnung ähnlich einer Zugfeder die zu verklemmenden Bauteile zusammenhält. Gerade bei Anwendungen im Leichtbau (Automobilbau, Flugzeugbau), bei denen es darum geht, möglichst leichte und kleinere Schrauben einzusetzen sind diese Forderungen unumgänglich.

Unter der Maßgabe, dass eine Schraube/Mutter in vielen Fällen noch mit einem vorgegebenen Drehmoment montiert wird, ist die Vorspannkraft eine unbekannte Größe, die nur durch die Reibung im Gewinde und an der Auflage bestimmt wird. Folglich ist das Ziel, diese Reibungseigenschaften zu kennen, um damit die Vorspannkraft aus dem eingeleiteten Drehmoment zu berechnen.

Dafür kommt folgende Formel zum Einsatz:

(Quelle: DIN EN ISO 16047:2013-01)

Zur Bestimmung beziehungsweise Berechnung der Reibungszahlen, die eine dimensionslose Größe ergeben (z. B. 0.06 = gut geschmiert, bzw. geölt bzw. 0,3 = nicht geschmiert), wird eine Schraube-Mutter-Verbindung angezogen und zusätzlich zu dem Drehmoment die Vorspannkraft ermittelt. Zur Bestimmung der Gewindereibung (µth) und der Auflagen- oder auch Kopfreibung (µb) ist zusätzlich die Messung des Teilmoments (­Gewinde und/oder Kopf) erforderlich. Abgesehen von der messtechnisch nicht ganz trivialen Aufgabe, diese physikalischen Therme im Bereich der Teilmomente und der Vorspannkraft in einem verspannten ­Sensor (Mehrkomponenten-Messkopf) zu messen, sind auch die Einflüsse vor und während der Messung zu beachten. So kann es je nach Oberflächenbeschaffenheit sein, dass die Rotationsgeschwindigkeit, mit der die Schraube angezogen wird, die Vorspannkraft und folglich auch die Reibungszahl beeinflusst.

Auch äußere Einflüsse auf die Oberfläche wie Reinheit, Luftfeuchtigkeit oder Temperatur können diese Größen verändern und in Folge, je nach Randbedingung, zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Die aus der DIN 946 entwickelte und heute noch geltende DIN ISO 16047 beschreibt in der letzten Ausgabe (01.01.2013) die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Reibungszahlen. Sie gilt als der Standard und wird von den neueren und spezielleren Normen der Fahrzeughersteller stets als Referenz herangezogen.

Die in der Vergangenheit speziell von der ­Automobilindustrie entwickelten Prüfvorschriften zur Bestimmung der Reibungszahlen verfolgen jedoch – sofern man sich auf die Aussage der Verfasser stützt – das Ziel, mehr auf den praktischen ­Anwendungsfall ausgerichtet zu sein. Das begründet zunächst die deutlich schnelleren Einschraubdrehzahlen (200 U/min) beim sogenannten Voranzug. Diese mehr an der Praxis orientierte Vorgabe zeigt, insbesondere bei Oberflächenbeschichtungen mit starken Polymer­anteilen (PE/PA/PTFE…), einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die Reibungszahl verglichen mit geringen Drehzahlen (z. B. 20 U/min). Auch sind deutlich höhere Anzugsgeschwindigkeiten in der Praxis bekannt, bedingt durch andere Montagewerkzeuge, die mit Freilaufdrehzahlen von 2000 U/min und mehr die Schraube antreiben. Also ist auch dieser Einfluss (Anwendungsnahe Prüfung gemäß MBN 10544) zu analysieren und für die Optimierung einer Verschraubung sinnvoll.

REC® Universalschraubenprüfstand

 

Des Weiteren gehen die moderneren Richtlinien und Normen auch der Frage nach, wie sich die Oberflächenbeschichtung bei ­einem mehrfachen Montageprozess verhält. Dies könnten in der Praxis erforderliche Verschraubungen bei der Nacharbeit, im Service- oder Reparaturfall sein. Die Forderung, Beschichtungen über zweifache oder gar fünffache Montagefälle weitestgehend konstantzuhalten, ist in der Luft- und Raumfahrttechnik schon seit längerer Zeit Status Quo. Hier werden gleichbleibende Reibungszustände bei 15-fachen Wiederholverschraubungen gefordert und auch eingehalten.

Interessanterweise werden jedoch die Prüfabfolgen, im Besonderen die Forderung der Abschaltung nach dem schnellen Voranzug und dem langsameren Endanzug, immer spezieller. So werden Abschaltungen während des schnellen Voranzugs und dem langsamen Endanzug nicht mehr bei einem definierten Drehmoment gefordert, sondern bei einer definierten Vorspannkraft. Die Abschaltung bei der Vorspannkraft klingt zunächst plausibel, da nur so eine definierte Belastung (Spannung) an den Reiboberflächen sichergestellt und überprüft werden kann. Jedoch wird so die eigentliche geplante Montagevorschrift (ggf. Drehmoment oder Drehwinkel bei der Montage) gänzlich ausgehebelt und findet somit keine Beachtung mehr. Der Versuch, innovative Normen gepaart mit Praxisbezug zu generieren, wird hier also nicht vollständig erreicht.

Grundsätzlich steht damit fest, dass die ­ermittelte Reibungszahl abhängig von der verwendeten Prüfvorschrift wird. Damit werden sich also auch unterschiedliche Reibungszahlen einstellen, je nachdem, welche Prüfvorschrift angewendet wurde. Dies könnte durchaus für den Lieferanten von Verbindungselementen mittelfristig zu einem Haftungsrisiko werden.

Bedingt durch die stellenweise physikalisch extremen Forderungen (z. B. Voranzug mit 700 U/min, Stopp bei 2,8 kN) kommt es ­bedingt durch die kinetische Energie des Montagewerkzeugs

Ekin = ½ • J x ω2

(mit ω = Winkelgeschwindigkeit des Schraubwerkzeugs)

und der in der Regel unzulänglichen Bremsleistung des Motors zum sogenannten Überschießen. Das hat zur Folge, dass es je nachdem, welche Antriebsmaschine verwendet wird, zusätzlich zu stark unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bestimmung der Reibungszahlen kommen kann.

Beispiel für die Werte aus einer Verbindungsmessung

 

Die neueste Generation der REC Reibzahl-Prüfstände und Universal-Schraubenprüfstände, wie sie auf der Fastener Fair vom19. bis 21. März 2019 in Stuttgart erstmals vorgestellt werden, besitzen daher eine neuentwickelte prozessorgesteuerte Mess­technik, welche die geforderten Abschaltwerte (Drehmoment, Vorspannkraft, Drehwinkel oder sonstige Messgrößen) bereits bei der Messdatenerfassung überwachen und mittels hochdynamischem Komperator die Abschaltung der Antriebseinheit auslösen. Dazu werden die ­Antriebssysteme (z. B. Bosch Rexroth, Atlas Copco) zusätzlich modifiziert und die Bremsleistung der Systeme durch einen Eingriff in die Motorsteuerung optimiert. Damit lassen sich die derzeitigen Prüfvorschriften aus dem ­Hause Daimler (MBN 10544) sowie die neueste Volks­wagen-Prüfvorschrift (VW 01131) präzise mit nur minimalen Überläufen erfüllen. In Kombination mit dem REC Mehrkomponenten-Messsystem, das nachweislich über die geringste Übersprechneigung aller auf dem Markt befindlichen Reibwertmess-­Systeme verfügt, ergeben sich so reproduzierbare, verlässliche Messungen und Bestimmungen der Reibungszahlen gemäß der jeweils geforderten Prüfvorschrift.

Alle REC FAS T-Modelle bekommen zusätzlich ab sofort eine Bibliothek mit den für den Kunden relevanten Prüfvorschriften (z. B. DIN, VDA, Mercedes, Volkswagen, Scania oder ­eigenem Kundenwunsch). Damit lassen sich geforderte Prüfungen präzise und reproduzierbar wiederholen und Prüfzeiten deutlich verkürzen, sowie Fehler bei der Auswahl der entsprechenden Prüfparameter verhindern.

  • www.rec-engineering.de


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