Anforderungen an die Oberflächentechnik durch Elektromobilität

Oberflächen 05. 11. 2018
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Von Rainer Venz, Gütersloh

Mit Hilfe von Elektromotoren angetriebene Fahrzeuge waren bereits zu Beginn der Automobilität in breiterem Umfang auf dem Markt. Die hohe Energiedichte von Benzin und der unkomplizierte und schnelle Ladevorgang haben jedoch dem Verbrennungsmotor den Vorrang verschafft. Auch bei dem heute angestrebten Wechsel zur Elektromobilität ist eine deutliche Verbesserung der Ladekapazitäten von Speicher zur Stromlieferung gefordert. Der Leichtbau unter Verwendung von Aluminium unterstützt die Bemühungen zur Erhöhung der Reichweite von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Hierbei kommt der Oberflächentechnik die Aufgabe zu, den Schutz von Aluminium im Verbund mit Stahl sowie den Schutz von hochfesten Stählen gegen Korrosion zu gewährleisten. Vor allem mit Zinklegierungssystemen sind hier gute Ergebnisse zu erzielen.

1 Treiber der Elektromobilität

Durch die Erfindung der Bleisäurebatterie als erste wiederaufladbare Batterie durch den französischen Physiker Gaston Planté, wurde 1859 der Grundstein für die Elektromobilität gelegt. 1884 erfolgte die Herstellung des ersten Elektroautos mit einem speziellen Hochleistungsakku durch Thomas Parker in London. Vier Jahre später entstand das erste deutsche Elektroauto, der Flocken Elektrowagen. In den frühen 1900er Jahren hatten Elektrofahrzeuge in den USA hohe Beliebtheit. Zu dieser Zeit wurden 40 Prozent der Auto­mobile mit Dampf, 38 Prozent mit Strom und 22 Prozent mit Benzin betrieben. Die New York Times erklärt 1911, dass das Elek­troauto sauberer, leiser und wirtschaftlicher ist, als benzinbetriebene Autos.

Porsche hat bereits im Jahr 1900 sein erstes Elektroauto gebaut, das jedoch – wie seinerzeit üblich - noch deutlich mehr Ähnlichkeit mit einer Kutsche als mit einem Sportwagen hatte (Abb. 1). Erste Fahrzeuge mit Brennstoffzellen waren schon in den frühen 1970er Jahren auf den Straßen zu sehen. Auffällig waren die Wasserstofftanks, die liegend auf dem Dachgepäckträger transportiert wurden. Das wohl bekannteste Elektroauto ist das Mondfahrzeug (Lunar Roving Vehicle – LRV; Abb. 2), das Millionen von Menschen bei Fernsehübertragungen im Jahr 1971 gesehen haben und bei den Apollo-Missionen 15, 16 und 17 eingesetzt wurde.

Abb. 1: Elektrofahrzeug von Porsche

 

Abb. 2: Mondfahrzeug der NASA

 

Die frühen Elektrofahrzeuge standen vor den selben Herausforderungen wie heutige Modelle: lange Batterieladezeit, geringe Reichweite und die begrenzte Anzahl an verfüg­baren Ladestationen.

Ein gesteigerter Umweltgedanke und das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, im Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen zu haben, führte bereits vor einigen Jahren zu neuen Entwicklungen in der Automobilindustrie und deren Zulieferern. Nicht zuletzt durch die anhaltende Dieselaffäre ist die Reduktion von Schadstoffen aus Verbrennungsmotoren wieder verstärkt in den öffentlichen Fokus gerückt. Es gibt fast täglich neue Meldungen hierzu aus der Fachpresse. Die aktuellen Diskussionen um den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) von Fahrzeugen mit neuen Grenz­werten in der EU und in Deutschland, sowie drohende Fahrverbote treiben alternative Antriebskonzepte zusätzlich an.

2 Der globale Automobilmarkt

Seit China im Jahr 2000 erstmals mehr als eine Million Fahrzeuge im eigenen Land hergestellt hat, hat sich Asien – vor allem China – zur größten Automobilproduktionsregion entwickelt.

Für das Jahr 2018 wird ein weltweites Produktionsvolumen von etwa 97 Millionen Einheiten prognostiziert, davon werden etwa 51 Millionen im asiatischen Raum gefertigt. Alleine in China werden circa 28 Millionen Fahrzeuge hergestellt, was rund 29 Prozent der Weltproduktion entspricht. Die maximale Produktionskapazität in Asien beträgt derzeit rund 75 Millionen Einheiten, was einen weiteren Anstieg der Automobilproduktion in der Region verspricht.

Europa ist mit einer Produktion von knapp 20 Millionen Fahrzeugen die ­zweitgrößte Herstellerregion, gefolgt von Nordamerika mit etwa 17 Millionen. Osteuropa, Südamerika sowie die Region Mittlerer Osten und Afrika produzieren jeweils rund drei Millionen Fahrzeuge jährlich.

In den Jahren 2012 bis 2016 waren weltweit zwischen 2,5 Prozent und 3,8 Prozent - oder knapp vier Millionen - der produzierten Fahrzeuge mit alternativen Energiekonzepten ausgerüstet, wobei die Hybride den größten Anteil ausmachen (Abb. 3). Im Jahr 2017 gab es erstmals einen signifikanten Anstieg auf knapp fünf Prozent; die Prognose bis 2024 sieht einen permanenten Anstieg bis auf rund 20 Millionen Einheiten vor, was einem Anteil von 19,4 Prozent der globalen Produktion entspricht.

Abb. 3: Voraussichtliche Entwicklung der Antriebssysteme für den Zeitraum 2009 bis 2024 (Quelle: Autofacts 2018, Q3 Forecast Release)

 

Ob diese ambitionierten Prognosen tatsächlich erreicht werden können, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, für die es Stand heute teilweise noch keine fertigen Lösungen gibt. Der Verbraucher schaut nicht nur auf die Ladezeit der Batterien, sondern auch auf die Reichweite des Fahrzeugs mit einer Batterieladung. Hier fehlt es derzeit noch an ausreichender Ladeinfrastruktur, insbesondere an Schnellladesystemen und Wasserstofftankstellen. Mit steigender Anzahl von Elektrofahrzeugen, werden auch die benötigten Stellflächen für die zu ladenden Fahrzeuge größer. Ein Tankvorgang mit fossilen Brennstoffen ist an modernen Tankanlagen heute in wenigen Minuten komplett abgeschlossen, sodass das nächste Fahrzeug an die Zapfsäule nachrücken kann. Bei langen Batterieladezeiten von 30 Minuten oder sogar einigen Stunden – je nach Ladetechnologie – werden die Kunden nicht am Fahrzeug warten, sondern die Ladezeit anderweitig nutzen. Dadurch kann erwartet werden, dass Ladestationen deutlich länger als benötigt besetzt werden und damit nicht optimal ­genutzt werden können.

Die Hersteller haben dagegen andere Herausforderungen, wie die Lebensdauer und das Recycling von Stromspeichern. Wie bereits einige Fälle gezeigt haben, kann es bei Elektrofahrzeugen auch zu Bränden kommen. Somit muss die Sicherheit der Batteriepakete weiter verbessert werden. Dazu gehört auch, die Relativbewegung der einzelnen Batteriezellen gegeneinander zu minimieren, um mechanische Beschädigungen zu verhindern. Dadurch steigt die Anzahl von Verbindungselementen im Fahrzeug zukünftig an.

Die Verfügbarkeit von bestimmten Rohstoffen stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Für die Herstellung der benötigten ­Batterien nach heutiger Technologie würde im Jahr 2024 ein Bedarf an Kobalt entstehen, der den gesamten Weltverbrauch im Jahr 2017 aus allen Industriebereichen übersteigt. Wie der ständig steigende Rohstoffbedarf zukünftig gedeckt werden kann, ist noch unklar. Dabei spielt nicht nur das globale Vorkommen von Kobalt eine Rolle, sondern auch die Förder- und Herstellbedingungen in einigen Ländern. Ein großer Teil des Kobalts wird heute in der Republik Kongo abgebaut.

Der steigende Kobaltbedarf hat auch Einfluss auf die Oberflächentechnik, da bereits heute eine Kostenexplosion für Kobalt zu verzeichnen ist, das beispielsweise in Passivierungen oder als Legierungselement in einigen galvanischen Verfahren Anwendung findet. Des Weiteren ist auch die Verfügbarkeit von Kobalt für die Oberflächentechnik zu ­hinterfragen.

3 Die Antriebstechnologie

Neben den reinen Verbrennungsmotoren, die entweder mit Benzin, Diesel oder Gas, also fossilen Brennstoffen, betrieben werden, gibt es die rein elektrisch betriebenen Fahrzeuge und Hybride.

Rein elektrisch betriebene Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle – BEV) werden über externe Stromquellen betankt. Diese Fahrzeuge benötigen sehr große und schwere Batterien als Energiespeicher. Eine Alternative stellen die Brennstoffzellen (Fuel Cell Electric Vehicle – FCEV) dar. Bei diesem Typ wird die Energie in Form von bis zu 700 bar komprimierten Wasserstoff an Bord gespeichert. Die Brennstoffzelle erzeugt aus dem Wasserstoff die benötigte elektrische Energie, die wiederum die Elektromotoren antreibt. Für diese Technologie werden bedeutend kleinere Batte­rien verwendet.

Plug-In-Hypride (PHEV) und Range-Extended-Electro-Vehicle (REEV) verfügen sowohl über Elektro- als auch über Verbrennungsmotoren. Hier ist der Fahrer nicht von Ladestationen abhängig, sondern kann bei leeren Batterien auch rein mit dem Verbrennungsmotor fahren.

Alle Elektrofahrzeuge mit einer Batterie haben ein gemeinsames Problem: zusätzliches Gewicht. Bei Hybriden ist die Batterie zwar kleiner dimensioniert, dafür sind aber zwei Technologien parallel an Bord und verur­sachen dadurch zusätzliches Gewicht.

Forscher arbeiten weltweit daran, die Energiedichte von Batterien weiter zu optimieren. Um eine Strecke von 100 Kilometer zurückzulegen, werden beispielsweise bei einem Fahrzeug mit Brennstoffzelle etwa 570 Gramm Wasserstoff benötigt oder für rein elektrische Modelle rund 76 Kilogramm Batterien zur Energiespeicherung benötigt.

4 Bedeutung für die ­Oberflächentechnik

Elektrofahrzeuge und Hybride werden naturgemäß mehr elektrische und elektronische Komponenten benötigen. Hierfür werden vermehrt Leiterplatten und ­Steckverbinder verwendet, aber auch eine zuverlässige Masseanbindung oder eine zuverlässige elektrische Isolierung werden in bestimmten Bereichen benötigt. Bauteile mit einem Oberflächenschutz müssen hier einen möglichst langfristigen Verschleiß- und Korrosionsschutz bieten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich über den Nutzungszeitraum die elektrischen Eigenschaften verändern. Die Eigenschaften vorhandener Schichtsysteme müssen genau charakterisiert und bei Bedarf neue Entwicklungen angestoßen werden.

Ein Schlüssel zur erfolgreichen Einführung der Elektromobilität ist der Leichtbau (Abb. 4). Hierdurch kann zumindest ein Teil des zusätzlichen Gewichts der schweren Batterien kompensiert werden. Gewichtseinsparungen können auf verschiedene Arten umgesetzt werden. Eine Möglichkeit ist der verstärkte Einsatz von Leichtmetallen, wie Aluminium oder Magnesium. Im Jahr 1940 wurden durchschnittlich etwa 19 Kilogramm Aluminium in Automobilen verbaut, 1990 stieg die Menge auf 50 Kilogramm und 2016 waren es bereits über 150 Kilogramm je Fahrzeug. Es wird erwartet, dass dieser Anteil im Jahr 2020 bis auf 180 Kilogramm steigt. Aluminium wird beispielsweise für Kolben, Bremssättel, Motorblöcke, Rahmen- und Karosserieteile, Felgen, Wärmetauscher und ­diverse weitere Bauteile verwendet.

Abb. 4: Beispiel für den Anteil an Aluminiumteilen bei einem Fahrzeug (Quelle: Fotolia)

 

Leichtmetalle stellen für die Oberflächentechnik eine besondere Herausforderung dar, da sie nicht nur vor Eigenkorrosion geschützt werden müssen, sondern aufgrund ihres ­negativen Potentials auch galvanische Korrosion verursachen können, sobald sie mit einem Material mit anderem elektrochemischem Potential verbaut werden. Leichtmetalle können entweder elektrolytisch oxidiert oder mit einer anderen Schutzschicht überzogen werden, alternativ können die Komponenten im direkten Verbau geschützt werden.

Ein weiterer Ansatz für den Leichtbau ist die Verwendung von hoch- oder höchstfesten Stahlwerkstoffen, da vergleichbare mechanische Eigenschaften mit geringeren Dimensionen – und damit weniger Masse – erreicht werden können. Für solche Werkstoffe sind Vorbehandlung und Oberflächenschutz­systeme so zu wählen, dass die Gefahr der Wasserstoffversprödung minimiert wird.

Der Schutz und die Funktionalisierung von Bauteilen durch Oberflächentechnik ­sollte bereits während der ­Konstruktionsphase ­berücksichtigt werden. Dafür sind nicht nur Informationen über die jeweils betroffenen Komponenten wichtig, sondern auch Detailkenntnisse über Anschlussbauteile, Umgebungsbedingungen und Beanspruchung im Gebrauch erforderlich.

5 Komponenten

Nicht nur die Elektromobilität, sondern auch die Verwendung von immer mehr Assistenzsystemen führt zu einer immer größeren Anzahl an elektrischen und elektronischen Komponenten. Dazu kommen die elektrischen Antriebsmotoren, Batterien, Ladesysteme, Sensoren und die Steuerelektronik. In diesem Zusammenhang nimmt die Masse­anbindung eine immer bedeutendere Rolle ein. Hier gilt es, zuverlässige und gleichbleibende elektrische Eigenschaften zu erzeugen.

Bei den vollelektrischen Fahrzeugen ­fallen dagegen die klassischen Komponenten der Verbrennungsmotortechnologie weg, wie beispielsweise die Abgasführung, Tanks, Kraftstoffleitungen und natürlich der Verbrennungsmotor selbst.

Bei Hybriden sind zwei Systeme parallel verbaut. Dadurch verfügen die Hybride neben dem Verbrennungsmotor und den dazugehörigen Nebenaggregaten zusätzlich über Komponenten, die für ein Elektrofahrzeug ­erforderlich sind.

6 Verändertes Anforderungsprofil

In der Vergangenheit gab es für die meisten Oberflächen eine Hauptanforderung und dann noch Nebenanforderungen, die aber eine geringere Wichtigkeit für die eigentliche Bauteilfunktion hatten. Zukünftig wird es vermehrt Bauteile geben, an deren Oberflächenbehandlung mehrere ­verschiedene Eigenschaften mit gleichhoher Priorität erwartet werden. Zusätzlich gilt es, die Eigenschaften möglichst über die gesamte Bauteillebensdauer hinweg konstantzuhalten, und nicht nur in den vorgegebenen Toleranzen zu bleiben. Dies ist eine große Herausforderung, insbesondere an Oberflächen, die sich gewollt verändern, wie beispielsweise sich bei Korrosionsbelastung selbst ­opfernde Schichten. Jegliche Art von Korrosion wird die Leitfähigkeit der Oberfläche verändern. Hier sind Zink-Nickel-Legierungsschichten im Vorteil, da die Eigenkorrosion der Schicht lediglich einen Grauschleier erzeugt, aber keine voluminösen Korrosionsprodukte, wie sie bei unlegierten Zinkschichten entstehen.

Zusätzlich zur Korrosionsbeständigkeit und Leitfähigkeit, kommt der Einstellung gleichmäßiger Reibwerte eine große Bedeutung zu. Aufgrund immer neuer Substrate und Sub­stratkombinationen, müssen Verbindungselemente vermehrt gegen und in verschiedene Leichtmetalle verschraubt werden. Aufgrund von geplanten Wartungsarbeiten, werden teilweise auch Mehrfachanzüge ­gefordert.

7 Schichtsysteme

Die Oberflächenbranche wird zukünftig verstärkt an neuen Zink- und Zinklegierungssystemen arbeiten. Aufgrund der geringeren ­Gefahr, induzierte Wasserstoffversprödungen zu erzeugen, wird Zink-Nickel hier seine Marktposition weiter ausbauen. Bei den Passivierungen ist die möglichst lange Verzögerung der Schichtkorrosion im Fokus und bei Versiegelungen und Topcoats stehen die definierte Leitfähigkeit, die Optik und die Reibwerteinstellung in möglichst engen Grenzen im Vordergrund.

Allgemein sollten die Schichtsysteme möglichst dünn und gleichmäßig ausgeführt werden sowie mehrere Eigenschaften gleichzeitig darstellen können. Dies bedingt robuste und zuverlässige Prozesse, was eine gute Anlagentechnik und eine hervorragende Prozesschemie erfordert.

8 Zusammenfassung

Aus einer Reihe von Gründen wird die Elektromobilität sich durchsetzen. Welche Technologie dabei den größten Marktanteil haben wird, und in welcher Geschwindigkeit die Marktdurchdringung erfolgt, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass der Leichtbau eine wichtige Voraussetzung dabei sein wird.

Die Entwicklung in der ­Oberflächentechnik wird eine große Herausforderung für die Branche, da bislang nur wenig Felderfahrung mit Elektromobilen vorliegt und die Anforderungen an die Oberflächentechnik noch nicht final definiert sind.

 

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