EUROoC-Netzwerk für europäische Organ-on-a-Chip-Forschung

Medizintechnik 08. 10. 2018
  • Autoren dieses Artikels
  • 823x gelesen

Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB koordiniert den Aufbau eines europäischen Forschungsnetzwerks zur Förderung der Organ-on-a-Chip-Technologie. Diese ermöglicht die Nachbildung von menschlichen Organen im Kleinstmaßstab und gilt als zukünftige Alternative zu Tierversuchen und als eine Technologie mit großem ­Potenzial unter anderem für die Erforschung neuer pharmazeutischer Wirkstoffe und in der personalisierten Medizin. Da die Entwicklung von Organ-on-a-Chip multidisziplinäre Kompetenzen erfordert, zielt das EUROoC-Netzwerk insbesondere auf die fachübergreifende Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Organ-on-a-Chip-Systeme sind mikrofluidische Plattformen, die humanes Gewebe oder Organbausteine enthalten. Mit ihrer Hilfe können biologische Vorgänge im menschlichen Körper nachgebildet werden. Dadurch können sie wertvolle neue Erkenntnisse für die biomedizinische Grundlagenforschung liefern. Als Testsysteme eingesetzt, helfen sie bei der Entwicklung von neuen Arzneiwirkstoffen und stellen die Weichen für die personalisierte Medizin. Dabei kombinieren sie die Alleinstellungsmerkmale der klassischen Zell-Assays (menschliche Gene und Standardisierbarkeit) und der Tiermodelle (3D-­Gewebe und Blutkreislauf) und haben das Potenzial, die Übertragbarkeit der vorklinischen Resultate auf spätere klinische Phasen signifikant zu verbessern. Auf diese Weise können nicht nur Tierversuche reduziert, sondern auch die Entwicklung medizinischer Innovationen kostengünstiger, sicherer und schneller gemacht werden.

EUROoC-Netzwerk bündelt interdisziplinäre Expertise

Die Entwicklung und Anwendung von Organ-on-a-Chip-Systemen erfordert die Bündelung von verschiedenen Kompetenzen aus diversen wissenschaftlichen Bereichen – von der Biologie und Medizin über die Ingenieurwissenschaften bis hin zur Physik. Aufgrund dieses multidisziplinären Anspruchs wurde nun das EUROoC-Forschungsnetz­werk ins Leben gerufen, das von der EU im Rahmen des hoch kompetitiven Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Network (MSCA-ITN)-Programms gefördert wird und noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnimmt. In diesem Zusammenschluss bündeln Spezialisten aus unterschiedlichen Disziplinen ihre Kräfte über Länder- und Branchengrenzen hinweg.

Als die elf Hauptvertragspartner sind am Projekt neun aus dem akademischen Sektor, ein mittelständisches Unternehmen sowie eine Bundesbehörde aus dem Bereich gesundheitlicher Verbraucherschutz beteiligt. Weiterhin sind im Netzwerk zehn Partnerorganisationen eingebunden, hiervon drei akademische Einrichtungen, fünf aus dem industriellen Sektor sowie zwei weitere Regulierungsbehörden aus dem Bereich Human­arzneimittel.

Europäisches Schulungsprogramm für Organ-on-a-Chip-Systeme

Ein Schwerpunkt der Arbeit des Netzwerks liegt auf der fachübergreifenden Aus- und Weiterbildung junger Nachwuchsforscher. Wie Jun.-Prof. Dr. Peter Loskill erläutert, soll die nächste Generation an Forschenden in ­allen Aspekten der Entwicklung und Anwendung von Organ-on-a-Chip geschult werden. Der interdisziplinär ausgebildete Physiker leitet am Fraunhofer IGB die Forschungsgruppe Organ-on-a-Chip. Neben der wissenschaft­lichen Seite wird seinen Worten zufolge Wert darauf gelegt, dass Forscherinnen und Forscher auch lernen, wie sie ihre Entwicklungen kommerziell vermarkten können und wie sie mit regulatorischen und rechtlichen Aspekten umzugehen haben. Letztendlich wird dies dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit Europas in diesem zukunftsweisenden Forschungsfeld zu stärken.

Darüber hinaus arbeiten die beteiligten Forscherinnen und Forscher unter dem Dach des EUROoC an gemeinsamen Projekten. Das Ziel ist, fortschrittliche Organ-on-a-Chip-Systeme zu entwickeln, welche die Eigenschaften des jeweils nachgebildeten Organgewebes hinsichtlich Zelltypen, Mikroumgebung sowie organspezifischer Gewebestruktur und -funktion möglichst realitätsnah abbilden. Auch Konzepte zur Vernetzung von einzelnen Organ-on-a-Chip und zur Integration von Sensoren werden im Netzwerk erarbeitet.

Das MSCA-Programm ist aufgrund seines Bottom-up-Ansatzes und seiner wissenschaftlichen Exzellenz sehr beliebt, aber auch äußerst kompetitiv. Für die Ausschreibung im Januar 2018 bewarben sich über 1400 Projektkonsortien, die Förderquote lag deutlich unter zehn Prozent. Das Fraunhofer IGB übernimmt innerhalb von EUROoC die Gesamtkoordination. Der Zeitrahmen ist zunächst auf vier Jahre festgelegt.

Fraunhofer IGB und Attract

Am Fraunhofer IGB in Stuttgart wird seit einigen Jahren verstärkt in Richtung Organ-on-a-Chip-Technologie geforscht. 2016 wurde hierfür eine eigene Attract-Gruppe gegründet. Deren Leitung übernahm Loskill, der zusätzlich als Juniorprofessor an der Eberhard Karls Universität Tübingen tätig ist und zuvor in den Vereinigten Staaten an der University of California in Berkeley forschte. Attract ist ein internes Förderprogramm der Fraunhofer-Gesellschaft für besonders zukunftsweisende Forschungsfelder. Der Fokus liegt dabei auf dem strategischen Aufbau neuer Kompetenzen innerhalb der Forschungs­organisation.

  • www.igb.fraunhofer.de
 
 
Entwicklung von Organ-on-a-Chip-Systemen am Fraunhofer IGB(© Fraunhofer IGB)
 

Relevante Unternehmen

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top