Sauerstoff: Fluch und Segen für nanokristalline Legierungen

Werkstoffe 05. 09. 2018
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Plastische Verformung und Pulververarbeitungstechniken werden gebraucht, um kostengünstig nanostrukturierte Materialien mit maßgeschneiderter Zusammensetzung herzustellen. Diese Verfahren ermöglichen zudem Metalle zu kombinieren, die sich mit herkömmlichen Verfahren nicht mischen lassen. Dass plastische Hochverformung zur Legierungsentwicklung bisher nicht großflächig industriell verwendet wird, liegt am Sauerstoff, der während des Mischens der Pulver und während der plastischen Verformung in die Pulver beziehungsweise die Legierung hineindringt und ihre Morphologie, mechanischen Eigenschaften und thermische Stabilität beeinflusst. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE), vom Österreichischen Erich-Schmid-Institut für Materialforschung, von den Universitäten Leoben und Graz (Österreich) und der Chinesischen Hubei Universität wollen genau diese Beeinflussung nutzbar machen. Sie analysierten in-situ Kupfer-Eisen-Legierungen während des Glühens, um herauszufinden wann und wie sich Oxide bilden und wie sie genutzt werden können, um nanokristalline Materialien zu festigen.

Durch die Kombination verschiedener experimenteller und theoretischer Methoden, analysierten die Forscher das thermische Verhalten von Oxiden in nanokristallinen Kupfer- Eisen-Legierungen, die durch die plastische Verformung als metastabile feste Lösung vorlagen. Dabei wurde beobachtet, dass sich nanoskalige Kupfer- und Eisenoxide innerhalb der Körner bereits bei relativ niedrigen Temperaturen während einer Wärmebehandlung bilden. Wird die Temperatur erhöht, so zerfällt die metastabile, feste Kupfer-Eisen Lösung in eisen- und kupferreiche Phasen, wie Dr. Jazmin Duarte, Wissenschaftlerin in der Abteilung Struktur- und Nano-/Mikromechanik von Materialien die Untersuchungen erläutert. Die Kupfer- und Eisenoxide wachsen mit steigender Temperatur bis sie zirka 10 Nanometer erreichen. Beide Oxidverteilungen sind fast identisch, das heißt, dass Sauerstoff in einen bestimmten Bereich während des Glühens hineindiffundiert und so die Oxidation vorantreibt.

Zum ersten Mal ist nach Aussage von Prof. Gerhard Dehm, Direktor am MPIE, eine direkte Beobachtung der Oxidbildung in nanokristallinen Legierungen möglich. Um sicherzustellen, dass der Elektronenstrahl des eingesetzten Transmissionselektronenmikroskops oder die Probengröße keinen Einfluss auf den Oxidations- oder Ausscheidungsprozess haben, wurden auch vergleichende ex-situ Analysen durchgeführt und so die Ergebnisse bestätigt. Dies bedeutet, dass nun die Möglichkeit besteht, mechanische Eigenschaften über das gezielte Einschleusen von Sauerstoff in nanokristalline Legierungen zu beeinflussen. Sauerstoff, der bis heute als zu vermeidende Kontamination gesehen wurde, kann nun ganz bewusst zum Legierungsdesign verwendet werden. Die Wissenschaftler untersuchen nun wie Sauerstoff gezielt in Legierungen eingeschleust werden kann und wie sich die Mikrostruktur und damit einhergehend die mechanischen Eigenschaften mit steigendem Sauerstoffgehalt verändern. Solche maßgeschneiderten Mikrostrukturen können genutzt werden, um nanokristalline Materialien für unterschiedlichste Anwendungen mittels Sauerstoff durch extrem feine Oxidteilchen zu festigen.

Die Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH (MPIE) betreibt Grundlagenforschung an Hochleistungsmaterialien, insbesondere metallischen Legierungen und verwandten Werkstoffen. Das Ziel ist einen Fortschritt in den Gebieten Mobilität, Energie, Infrastruktur, Medizin und Sicherheit zu erreichen. Das MPIE wird von der Max-Planck-Gesellschaft und dem Stahlinstitut VDEh finanziert. Auf diese Weise verbinden sich erkenntnisorientierte Grundlagenforschung mit innovativen, anwendungsrelevanten Entwicklungen und Prozesstechnologien.

  • www.mpie.de

Text zum Titelbild: Dr. Jazmin Duarte analysiert die Sauerstoffverteilung in Legierungen mittels 3D-Atomsonde (Foto: Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH)

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