Aktuelle Regelungen in der Oberflächenveredelung

Oberflächen 05. 08. 2018

–Hilfestellungen zur Gefährdungsbeurteilung

Von Dipl.-Ing. Peter Michels, Technischer Aufsichtsbeamter, Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM), Köln

Die nasschemische Oberflächenbearbeitung verwendet einige Stoffe, die aufgrund ihrer Gefährdung für die Arbeitskräfte in Betrieben unter besonderer Beobachtung stehen. Dazu müssen die potenziellen Gefahren bekannt sein und bei der Auslegung von Anlagen und Arbeitsanweisungen berücksichtigt werden. Die kombinierten staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelungen geben der Branche konkrete Hilfestellungen zur Gefährdungsbeurteilung und Orientierung zum Stand der Technik. Es werden auch innovative verfahrenstechnische Hinweise zur Emissionsminderung gegeben.

Im Bereich der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) werden galvanotechnische Verfahren und das Eloxieren in unterschiedlichen Gewerbezweigen ausgeführt. Hierbei handelt es sich unter anderem Betriebe wie:

  • Lohngalvaniken, die im Kundenauftrag verschiedenste Veredelungen von Metall- und Kunststoffoberflächen für dekorative als auch technische Zwecke ausführen
  • Eloxalbetriebe, die Aluminiumprofile oder Bauteile (z. B. Reflektoren) gezielt anodisch oxidieren
  • Tiefdruckereien, die Tiefdruckzylinder für ihren Einsatz an Druckmaschinen je nach gewünschtem Druckmotiv hartverchromen
  • Betriebe mit Verfahren wie Verchromen, Eloxieren und Chromatieren zur Bearbeitung von Flugzeugbauteilen in der Luftfahrtindustrie
  • Betriebe für das Veredeln von Drähten und Bandmaterial für die Elektronik- und Kabel­industrie

Für eine Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sind unter anderem Informationen zu den eingesetzten Gefahrstoffen sowie Kenntnisse über Art und Umfang des Kontakts der Mitarbeiter zu den relevanten Stoffen erforderlich. Zu berücksichtigen sind dabei Gefährdungen durch Einatmen, Hautkontakt und Verschlucken, aber auch physikalisch-chemische Gefährdungen, etwa Brand- und Explosionsgefahren, durch entweichenden Wasserstoff im Prozess.

Auskunft zu den Gefahrstoffen geben die aktuellen Sicherheitsdatenblätter der Hersteller und Lieferanten. Weitere praktische Hilfestellungen zu den Eigenschaften von Gefahrstoffen bieten Gefahrstoff-Datenbanken, wie zum Beispiel die GESTIS-Stoffdatenbank des Institut für Arbeitsschutz (IFA) unter

www.dguv.de/ifa/gestis/index.jsp.

Zur Vorgehensweise bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sind die Technischen Regeln für Gefahrstoffe, TRGS 400 Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und der Leitfaden zur Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung (Bestell-Nr. S 017) der BG ETEM sehr hilfreich. Sie können unter

www.bgetem.de

heruntergeladen werden.

Um die gewünschte Oberfläche beziehungs­weise eine Oberflächenbeschichtung zu erhalten, ist eine Vielzahl von aufeinander ­abgestimmten Prozessen erforderlich. Die gängigsten Hauptprozesse und entsprechende Verfahren sowie relevante Einsatzstoffe lassen sich verkürzt gemäß Tabelle 1 darstellen.

 

In den jeweiligen Prozessschritten ­werden die Werkstücke in einer strengen ­zeitlichen Abfolge in die Elektrolyte (Bäder) eingetaucht. Diese sind wässrige Lösungen, bestehend aus den entsprechenden Metallsalzen (je nach abzuscheidendem Metall) sowie diverse Säuren oder Laugen. Bei der galvanischen Abscheidung von Metallen wird Gleichstrom angelegt und das Werkstück als Kathode geschaltet. Beim anodischen Eloxieren wird die Aluminiumoberfläche gezielt oxidiert, womit dieses Verfahren streng genommen nicht der Galvanotechnik zugeordnet wird. Die rein chemischen Prozesse werden als außenstromlos bezeichnet. Hierzu zählen beispielsweise das chemische Vernickeln, die Abkochentfettung, das Beizen, Passivieren und Phosphatieren.

Gefährdungsbeurteilungen sind immer arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogen durchzuführen, das heißt neben den Kenntnissen zu den relevanten Gefahrstoffen sind die verfahrenstechnischen Bedingungen entscheidend für die Exposition der Mitarbeiter (Abb. 1).

Abb. 1: Dosieren von Gefahrstoffen mittels Fasspumpe

Abb. 2: Automatische Gestellanlage mit Lüftungskabine am Transportwagen, bei der die Gestelle mit den Werkstücken mittels Transportwagen automatisch den jeweiligen Bädern zugeführt werden

 

Das Eintauchen der Werkstücke kann mittels automatischer Gestellanlage (Abb. 2), in einer Trommelanlage, mittels Kran oder auch von Hand erfolgen. Die Werkstücke werden dabei auf die sogenannten Warenträger (­Gestelle) gesteckt oder befinden sich bei der Anwendung von Trommelverfahren lose in einer Kunststofftrommel (z. B. Trommelzinkanlagen).

Gefährdungen

Hauptgefährdungen im Bereich der galva­notechnischen Verfahren sind:

  • Chemische Gefährdungen durch den Einsatz von ätzenden Säuren und Laugen, giftigen und krebserzeugenden Elektrolyten, unter anderem Cyanide, Chromsäure, Nickelverbindungen
  • Brand- und Explosionsgefahren aufgrund von Wasserstoffentwicklung, insbesondere beim Verchromen, der elektrolytischen Entfettung und beim Eloxieren. Die entstehende Wasserstoffmenge ist abhängig von der Stromausbeute
  • Mechanische Gefährdungen durch kraft­bewegte Transporteinrichtungen, Warenträgerbewegung und Trommelantriebe
  • Gefährdungen durch Lärm, etwa beim Schütten der Werkstücke aus einer Trommel
  • Schweres Heben und Tragen insbesondere in Handgalvaniken

Eine inhalative Gefährdung durch Gefahrstoffe in der Luft am Arbeitsplatz wird am Prozessbehälter insbesondere beeinflusst von:

  • Intensität einer Gasbildung beziehungsweise Wasserstoffentwicklung (Wirkungsgrad)
  • Temperatur des Elektrolyten
  • Oberfläche des Elektrolyten
  • Lufttechnische Bedingungen (z. B. Absaugungen oder Hallenlüftung)
  • Gefährdungsbeurteilung

Im Rahmen der nach Arbeitsschutzgesetz durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung sowie der nachrangigen, gefährdungsbezogenen Verordnungen wie Gefahrstoffverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung, sind die Gefährdungen arbeitsplatz- und tätig­keitsbezogen zu ermitteln, zu beurteilen und hieraus die erforderlichen Schutzmaßnahmen abzuleiten.

Für die Branche liegen nun aktuell eine Reihe konkreter, ineinander verzahnender Regelungen vor, um den Stand der Technik im Betrieb realisieren zu können. Für den Anwender wird hierdurch die praktische Durchführung der Gefährdungsbeurteilung enorm erleichtert, da nun konkrete Orientierungshilfen vorliegen (Abb. 3).

Abb. 3: Neue Orientierungshilfen für die Gefährdungsbeurteilung

 

DGUV Regel 109-602 Branche Galvanik – neue Generation berufsgenossen­schaftlicher Regelungen

Eine zukunftsweisende neue Generation berufsgenossenschaftlicher Regeln sind die sogenannten Branchenregeln. Für die Branche der Galvanik beziehungsweise der Oberflächenveredelung nimmt die ­Branchenregel DGUV Regel 109-602 nun eine ­aktuelle Schlüsselstellung ein (Abb. 4). Mit Blick auf das staatliche Arbeitsschutzrecht (hier TRGS 561) behandelt sie alle relevanten Gefährdungsfaktoren in der Branche und gibt prozess- beziehungsweise verfahrensbezogene Informationen zu Gefährdungen und hieraus abzuleitender Schutzmaßnahmen.

Abb. 4: Titelseite der DGUV Regel 109-602

 

Kapitel 3 Arbeitsplätze und Tätigkeiten – Gefährdungen und Maßnahmen ist unterteilt in:

  • Vorbehandlungsverfahren:
    Polieren/Glänzen/chem. Entgraten – Alkalische Entfettung – Dekapieren – Beizen
  • Oberflächenbehandlung:
    Hartverchromen – Glanzverchromen – Vernickeln – Verkupfern – Verzinken - Veredeln mit Gold und Silber – Verzinnen – Phosphatieren – Eloxieren
  • Nachbehandlungsverfahren:
    Passivieren/Chromatieren - Entmetallisieren

Abb. 5: Modularer Aufbau der Gefährdungen und Schutzmaßnahmen, gegliedert nach den Gefährdungsfaktoren

Abb. 6: Auszug aus Abschnitt 3.2.3 Glanzverchromen von Einzelbauteilen der DGUV-Branchenregel

 

Zum jeweiligen Verfahren sind dann, gegliedert nach den Gefährdungsfaktoren, die relevanten Gefährdungen und Schutzmaßnahmen beschrieben (Abb. 5 und 6). Die Schutzmaßnahmen folgen dem bekannten T-O-P-Prinzip (Technische - Organisatorische - Persönliche Schutzmaßnahmen):

Krebserzeugende Metalle

Im Hinblick auf die besonderen Gefährdungen durch krebserzeugende ­Gefahrstoffe beim Verchromen, Chromatieren und Vernickeln bietet Kapitel 5.4.4 der TRGS 561 Metalle (Tabelle 3) nur ein Beispiel für die gelungene Kooperation von staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Gremien (Tab.  2).

 

Bei Umsetzung aller in der Tabelle 2 aufgeführten Schutzmaßnahmen soll der Unternehmer davon ausgehen können, dass der neue Beurteilungsmaßstab für Chrom(VI)verbindungen sowie die Akzeptanzkonzentrationen für Nickel- und Cobaltverbindungen bei den aufgeführten Verfahren eingehalten werden.

Auf die Konkretisierung durch die DGUV Branchenregel wird direkt aus dem staat­lichen Regelwerk hingewiesen.

Fazit

Die kombinierten staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelungen geben der Branche konkrete Hilfestellungen zur Gefährdungsbeurteilung und Orientierung zum Stand der Technik. Es werden auch innovative verfahrenstechnische Hinweise zur Emissionsminderung gegeben. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Einsatz der Kathodenumhüllung (Abb. 7) beim Eloxieren (Abschnitt 3.2.11 der Branchenregelung und Infoschrift S 015 der BG ETEM). Mit dieser Maßnahme kann eine Gefahrstoffkonzentration ohne aufwändige lufttechnische Einrichtungen deutlich reduziert werden.

Abb. 7: Kathodenumhüllung am Eloxalprozess

 

Weitere Schriften zu diesem Themenkreis sind:

  • Technische Regeln Gefahrstoffe (TRGS) unter www.baua.de
  • BG ETEM-Schrift (S 015) Gefahrstoffe in der Galvanotechnik und der Oberflächenveredelung
  • BG ETEM-Schrift (S 018) Leitfaden zur Erstellung des Explosionsschutzdokumentes
  • Muster-Explosionsschutzdokumente Galvanik-Hartverchromen S 018-08 sowie S 018-08b
  • Muster-Betriebsanweisungen zur Galva­notechnik B 009, B 011, B 020 bis B 033 unter www.bgetem.de
  • BG ETEM-Software Praxisgerechte Lösungen (CD 003) mit Muster-Gefährdungsbeurteilung Branche Elektrolytische und chemische Oberflächenbehandlung, Galva­notechnik
  • TIPP 007 Arbeiten in der Galvanotechnik

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