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Oberflächen 10. 06. 2018
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Die REACh-Verordnung der Europäischen Union fordert von Unternehmen zahlreiche Daten zur Überwachung von gefährlichen Chemikalien. Moderne ERP-Systeme verarbeiten diese Daten, sodass Unternehmen immer den Überblick gewinnen und effizienter mit ihren Ressourcen umgehen können.

Im Zuge der REACh-Verordnung stehen viele Galvanikunternehmen vor einem Problem: Chromtrioxid wurde von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zu einem besonders besorgniserregenden Stoff erklärt. Deshalb soll die Nutzung stark eingeschränkt werden. Chromtrioxid (auch Chromsäure oder Chrom(VI)oxid genannt, CrO3) wird in Form einer wässrigen Lösung für eines der ältesten galvanischen Beschichtungsverfahren benötigt: die galvanische Verchromung mit den beiden Verfahrensvarianten der Hartverchromung und der dekorativen Verchromung. Hartverchromte Produkte sind besonders verschleißfest und bieten guten Korrosionsschutz. Deshalb finden sie in verschiedenen großen Industriezweigen Anwendung, zum Beispiel im Maschinenbau, der Automobil­industrie oder der Druckindustrie. Im Vergleich zu anderen Beschichtungen wie Kupfer, Zink oder Nickel besitzt Chrom sehr vielseitige Eigenschaften und kann - nach derzeitigem technischem Stand - nicht substituiert werden. Allerdings ist Chromtrioxid krebserregend, sehr giftig und erbgutschädigend. Genau deshalb wurde es von der ECHA als besonders besorgniserregender Stoff deklariert und ist im Rahmen von REACh zulassungspflichtig. Das heißt, um Chromtrioxid weiter verwenden zu können, müssen verschiedenste Auflagen erfüllt werden.

Keine Daten – kein Markt

Chromtrioxid ist nur ein Beispiel von vielen. Denn die REACh-Verordnung der EU regelt bis auf einige Ausnahmen die Verwendung aller Chemikalien in der EU. Bereits 2007 trat die Verordnung in Kraft und ersetzt damit alte Gesetze. REACh soll vor allem den Einfluss von Chemikalien auf Mensch und Umwelt überwachen und entsprechende Schutzmaßnahmen ermöglichen. Gleichzeitig soll aber auch Raum für Innovationen und Wettbewerb geschaffen werden. Der freie Verkehr auf dem Binnenmarkt spielt ebenfalls eine Rolle. Dazu sollen im Gegensatz zu bisherigen Regelungen alle Chemikalien systematisch in ihrer gesamten Lieferkette erfasst werden. Früher mussten Daten über Chemikalien nur auf Anfrage an entsprechende Behörden geschickt werden und wurden dann überprüft. Dieses System wird mit REACh umgedreht. Es gilt der Grundsatz: keine Daten – kein Markt. Das verschiebt die Verantwortung hin zu Herstellern, Importeuren und nachgeschalteten Anwendern in der Lieferkette. Verwendete Chemikalien müssen registriert, bewertet und anschließend die entsprechenden Daten zur ECHA geschickt werden – zur Zulassung, beziehungsweise Beschränkung. Im Englischen wird der Vorgang als Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals bezeichnet oder kurz REACh.

Die Regelungen von REACh erfordern demnach einen kontinuierlichen Datentransfer innerhalb der Lieferkette und zu Umweltbehörden. Die Verarbeitung dieser Daten lässt sich durch ein spezialisiertes ERP-System lösen. ERP-Systeme steuern, planen und optimieren sämtliche laufenden Geschäftsprozesse. Dabei verarbeiten sie zentral Informationen aus allen Unternehmensebenen und Prozess­schritten. Deshalb können Anforderungen durch REACh in ein ERP-System integriert werden.

Datentransfer bei REACh

Im Zentrum von REACh stehen die sogenannten Sicherheitsdatenblätter. Diese müssen in der gesamten Lieferkette weitergegeben und erweitert werden. Hersteller, beziehungsweise Importeure registrieren die Stoffe und führen eine Bewertung der Risiken durch. Im Sicherheitsdatenblatt ­werden diese Risiken und notwendige Informationen zur sicheren Verwendung des Stoffes aufgeführt – wie etwa bei einem Beipackzettel für ein Medikament. Nachgeschaltete Anwender müssen dann die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen treffen und angeben, wofür sie den Stoff verwenden und in welcher Menge. Für jede verwendete Chemikalie wird ein separates Sicherheitsdatenblatt benötigt – wird die selbe Chemikalie von verschiedenen Herstellern bezogen, muss jeder Hersteller ein eigenes Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung stellen.

Unter diese Regelungen fallen alle als gefährlich geltende Chemikalien und Stoffe, deren Jahresherstellung oder -import EU-weit eine Tonne überschreitet. Für besonders besorgniserregende Stoffe gilt zusätzlich die Auskunftspflicht an Verbraucher, wenn einer dieser Stoffe mehr als 0,1 Masseprozent eines Produkts ausmacht. Die Informationspflicht gilt in der gesamten Lieferkette und zur ECHA, die eingereichte Sicherheitsdatenblätter überprüft.

In modernen ERP-Systemen können Umwelt­eigenschaften zu einzelnen Materialien und Gefahrstoffen mit aufgenommen und übersichtlich dargestellt werden. ­Beispielsweise können entsprechende Informationen aus den Sicherheitsdatenblättern entnommen werden. Eine Angabe von Lagerhinweisen erhöht die Sicherheit im Betrieb und hilft im Fall eines Brandes auch der Feuerwehr. Informationen über den betriebsinternen Verbrauch können ebenfalls ergänzt werden. Es entsteht eine durchsuchbare Liste im ERP-System, die nach verschiedensten Parametern sortiert und gruppiert werden kann, zum Beispiel nach Lagerklassen oder Gefahrstoffkennzeichnungen. Zusätzlich kann über ein Suchfeld nach einzelnen Merkmalen gefiltert werden, um beispielsweise nur alle giftigen Stoffe anzuzeigen. Diese Darstellung liefert immer einen schnellen Überblick zu verwendeten Chemikalien sowie damit verbundenen Risiken und Sicherheitsvorkehrungen.

Präzise Überwachung des Materialverbrauchs

Neben den Risiken sollen auf Sicherheits­datenblättern auch die Verwendung und Menge eingesetzter Chemikalien nachvollziehbar beschrieben sein. Dabei zeigt sich in Unternehmen der Galvanotechnik allerdings ein Problem: Ein Artikel durchläuft während der Fertigung normalerweise mehrere Bearbeitungsschritte, beispielsweise in unterschiedlichen Elektrolyten zur Abscheidung von Metallen. Dabei kommt es je nach der Oberflächenbeschaffenheit eines Artikels zu Verschleppungen. Das heißt, dass Inhaltsstoffe einer Position teilweise in eine der darauf folgenden Medien geraten und sich so mit den darin vorhandenen Stoffen vermengen. Daten über Verschleppung und die Zusammensetzung der einzelnen Arbeitsmedien bilden die Grundlage für ­präzise Aussagen über die Stoffströme im Betrieb. Fertigungsprozesse werden dadurch transparenter und sind dementsprechend leichter für Umweltbehörden nachzuvollziehen.

Branchenspezifische ERP-Systeme können die Verschleppung einzelner Artikel berechnen. Dazu werden Artikel anhand ihrer Oberfläche in Verschleppungsklassen (gering, mittel, hoch) eingeteilt, denen verschiedene Verschleppungswerte zugeordnet sind. Mit diesen Daten können in einem ERP-System Verschleppungsfaktoren berechnet und -statistiken erstellt werden. Dabei sind mögliche Darstellungen die Verschleppung pro Artikel oder pro Auftrag. Mit diesen Daten können zum Beispiel Angaben zur Verschleppung pro Monat an einer bestimmten Anlage gemacht werden. Diese Daten lassen sich auch grafisch aufbereiten und ermöglichen eine Betrachtung über die Varianz von Verschleppung über längere Zeiträume oder von Anlage zu Anlage.

Ein modernes ERP-System hilft bei der Verarbeitung und Verwaltung der relevanten Daten für REACh – und das nicht nur unternehmensintern. Hohe Transparenz vereinfacht auch die Zusammenarbeit mit Umweltbehörden. Mitarbeiter können schnell die Sicherheitsvorkehrungen bei der Arbeit mit gefährlichen Stoffen überblicken und diese somit effektiv umsetzen. Die Unterstützung durch ein branchenspezifisches ERP-System hilft nicht nur dabei, die Pflichten im Rahmen von REACh zu erfüllen, sondern verbessert auch durch Optimierung die Ressourceneffizienz im Unternehmen langfristig.

 

Kontakt:

Softec AG, Emmanuel Moritz - Vorstand, COO;
E-Mail: moritz@softec.de

Text zum Titelbild: Gefahrenpiktogramme von Chromtrioxid

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