Parlamentarischer Abend des ZVO
Der ZVO hatte am 17. April 2018 zum dritten Parlamentarischen Abend in die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft (DPG) in Berlin eingeladen. Unmittelbar nachdem die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hatte, konnte sich der ZVO in den erneut gut besuchten Räumen – direkt gegenüber dem Deutschen Reichstag – mit namhaften Mitgliedern des Deutschen Bundestags, insbesondere aus den GroKo-Fraktionen, sowie mit hochrangigen Regierungsvertretern über die aktuellen Themen des Mittelstands austauschen.
Prominenter Ehrengast und Keynote Speaker war dieses Jahr MdB Oliver Wittke (CDU/CSU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Wittke ging in seiner Eröffnungsrede direkt auf die Themen es ZVO ein: Energiepreise, Bürokratieabbau und Rechtsumsetzung standen im Mittelpunkt. Zu Beginn verwies Wittke darauf, dass der Mittelstand der wichtigste Innovations- und Technologiemotor Deutschlands ist. Der innovative Mittelstand wird auch auf lange Sicht als Erfolgsmodell Made in Germany gelten. Mittelständische Unternehmen können weiterhin mit ihren bewährten Spezialisierungs- und Nischenstrategien erfolgreich bleiben. Um dies zu unterstützen, wird das Bundeswirtschaftsministerium an vielen verschiedenen Hebeln ansetzen, um Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Beschäftigung in der mittelständischen Wirtschaft weiter zu stärken.
MdB Oliver Wittke (CDU/CSU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (Bild: Spickermann/ZVO)
Vorsitzender des ZVO e.V. Walter Zeschky(Bild: Spickermann/ZVO)
Er betonte in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung einer produzierenden Industrie in Deutschland, da Deutschland nicht allein durch Dienstleistungsangebote den vorhandenen Wohlstand halten kann. Damit wird die Rolle der Oberflächentechnik als technisch ausgerichtete Schlüsselindustrie sowohl im handwerklichen als auch im industriellen Bereich unterstrichen und von der Politik wahrgenommen. Dass sich diese Sichtweise für eine führende Volkswirtschaft wie Deutschland auf lange Sicht auszahlt, haben die unterschiedlichen Einzelaktivitäten während der letzten großen Bankenkrise belegt, aus denen Deutschland deutlich gestärkt hervorging und die nach Ansicht von Oliver Wittke einen hohen Anteil an der derzeit guten Konjunkturlage haben.
Zu den hohen Energiepreisen betonte Wittke, dass sich die Abgeordneten der enormen Belastung bewusst sind und bei den anstehenden Überarbeitungen des EEG darauf besonders achten. Er verwies auf Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, der angekündigt hat, sich vordringlich darum zu kümmern, dass der Strompreis nicht weiter zum Problem für den industriellen Mittelstand wird. Gemeinsam mit den Betroffenen will das BMWi Lösungen für die vielen Mittelständler finden, die viel Strom verbrauchen, aber knapp unter bestimmten Schwellenwerten liegen.
Bezüglich Bürokratieabbau hatte Oliver Wittke ebenfalls klare Vorstellungen: Verfahren, beispielsweise Zulassungen, müssen schneller, einfacher und effektiver gemacht werden. Auch hier ist der Bundesregierung klar, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen durch die Bürokratie, die in vielen Fällen notwendig ist, weil sie Planungssicherheit und Genehmigungssicherheit schafft, deutlich stärker belastet sind, als große Unternehmen. Ein Fokus wird in diesem Zusammenhang auf den langfristigen Bestand von Vorgaben und Regeln gelegt; auch dies unterstützt die Planungs- und Genehmigungssicherheit. Hilfreich ist nach den Worten von Wittke, dass die Unternehmen mitteilen, welche bürokratische Regeln und Vorgaben einen zu hohen Aufwand im Vergleich zum daraus gewonnenen Nutzen bedeuten. Diese Informationen helfen den Ministerien dabei, ihre Arbeiten effizient zu gestalten. Ausdrücklich angesprochen wurden in diesem Zusammenhang beispielsweise die TA Luft und die TA Abstand. Hier wird seitens der Ministerien der Bestandsschutz im Auge behalten und damit wiederum auf Langfristigkeit beim Bestand der mittelständischen Industrie geachtet; die mittelständische Industrie ist im Übrigen nach Ansicht von Oliver Wittke eine der wichtigsten Säulen der deutschen Gesellschaft. Staaten wie Großbritannien oder auch die USA können auf diesen wertvollen Industriebereich nicht zurückgreifen und bedauern dies sehr.
Er machte darüber hinaus deutlich, dass viele Verfahren und Entscheidungen vor Ort getroffen werden. Hier muss es eine stärkere Abstimmung mit dem Bund geben. Zum Thema Rechtsumsetzung verwies er auf den Koalitionsvertrag: EU-Recht werde 1:1 umgesetzt, ein Draufsatteln wird es mit dem BMWi nicht geben.
Walter Zeschky, Präsident des ZVO, dankte dem Parlamentarischen Staatssekretär und forderte getreu dem Motto der Veranstaltung die neue Bundesregierung dazu auf, die Wahlversprechen jetzt auch rasch umzusetzen, um für den Mittelstand Überregulierung abzubauen und ihn vor neuer zu schützen. So sind Bürokratieabbau, transparente und realisierbare behördliche Vorgaben, aber auch eine Senkung des Strompreises aus Sicht der Oberflächentechnik die drängendsten Themen für die 19. Legislaturperiode.
Bürokratie abbauen - Prozesse transparenter gestalten!
Der ZVO wies auf die schiere Menge von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften hin, mit denen der Mittelstand tagtäglich zu kämpfen hat. Hinzu kommt, dass der Vollzug der unzählbaren Einzelvorschriften von jeweils unterschiedlichen Behörden übernommen wird, sodass der Überblick verloren geht. So werden auf nationaler und regionaler Ebene in intransparenten Prozessen Entscheidungen getroffen, die für Galvanikunternehmen große Folgen haben, die aber keiner ordentlichen parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Die dadurch entstehende Intransparenz führt dazu, dass bei Unternehmern in vielen Situationen der Überblick verloren geht. Dies ist zum Beispiel bei der nationalen Durchsetzung der EU-Vorgaben gemäß der Chemikaliengesetzgebung REACh zu beobachten. Es ist nicht eindeutig, welche Behörde/welches Ministerium für welche Aspekte zuständig ist und wie entsprechende Überprüfungen durchgeführt werden - zumal auf Seite der Behörde verschiedene Ebenen (EU-, DE-, Landesebene, bis hin zur Bezirksregierung) beteiligt sind. Eine zentrale Ansprechperson gibt es nicht. Intransparenz ist auch bei den Genehmigungsprozessen für neue Anlagen zu beobachten. Bürokratische Vorgaben und zähe Prozesse führen zu Planungsunsicherheit bei den Unternehmen.
Als weiteres Beispiel führte Walter Zeschky die Regelungen im Bereich des Umweltschutzes von Luft und Wasser an. So wurde in Deutschland im Rahmen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) ein Handlungsleitfaden der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) in Zusammenarbeit mit der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) ohne Beteiligung der Wirtschaft erstellt. In solchen Arbeitsgruppen werden Werte auf dem Papier definiert, die oft fernab der Realität sind. Wirtschaftliche Fragestellungen und Herausforderungen finden keine oder nur eine sehr unzureichende Beachtung. Als Resultat werden Werte festgelegt, die für die Industrie kaum umsetzbar sind.
Beatrix Brodkorb, Leiterin des Referats für Immissions- und Naturschutz, zeigte großes Verständnis für diese Herausforderungen, die im BMWi bekannt sind. Jedoch müssen zur Abhilfe zunächst die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden: Das BMWi muss sich ihrer Meinung nach vermehrt auch in diese Diskussionen in den Fachgremien einbringen.
Des Weiteren unterstrich der ZVO, dass eine 1:1-Umsetzung von EU-Recht von großer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und somit den Standort Deutschland ist. Eine Verschärfung der Vorlagen durch den Bund würde eine Benachteiligung gegenüber den Wettbewerbern im EU-Binnenmarkt zur Folge haben. Wenn aber einzelne Bundesländer oder gar Regierungsbezirke individuell eine diesbezügliche Verschärfung der Vorgaben vornehmen – was dato regelmäßig vorkommt – würde diese Schieflage des Wettbewerbs sogar innerhalb Deutschlands manifestiert.
Als besonders dringend sieht der ZVO die derzeitigen Regelungen im Zusammenhang mit der Energiewende an. Als Grundpfeiler der deutschen Energiewende wurde mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2000 ein Jahrhundertprojekt in Gang gesetzt. Ziel war, Strom aus regenerativen Quellen zu fördern. Dazu wurden Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien (EE) über einen Zeitraum von 20 Jahren garantiert sowie ein Einspeisevorrang festgeschrieben. Um diese Förderung über den voraussehbar defizitären Ertrag an der Strombörse hinaus zu finanzieren, wurde die EEG-Umlage eingeführt, welche die Kosten auf alle Endverbraucher verteilt. Um stromintensive Unternehmen vor internationalem Wettbewerb zu schützen (Standortnachteil: Energiepreis), wurden Ausnahmen von der Umlage (Besondere Ausgleichsregelung / Härtefallregelung) eingeführt. Durch die EEG-Umlage wird eine Kostenspirale verursacht, die insbesondere für den Mittelstand kaum noch verkraftbar ist. Höhere Produktionskosten aufgrund des steigenden Energiepreises können von Mittelständlern nicht an Kunden weitergereicht werden. Daher droht die Verlagerung von Produktionsstätten und ganzer Lieferketten ins Ausland.
Darüber hinaus sind umlagezahlende Unternehmen auf nationaler Ebene ihren von der Besonderen Ausgleichsregelung profitierenden Wettbewerbern gegenüber benachteiligt. Die Industrieprivilegien müssen auf die restlichen Verbraucher, inklusive die nicht privilegierten Industriebetriebe, umgelegt werden. So entsteht schon im nationalen Wettbewerb eine Schieflage, die sich im internationalen Vergleich noch verschärft. Eine entsprechende Überarbeitung des EEG muss nach Ansicht des ZVO schnellstmöglich in Angriff genommen werden.
Im Rahmen eines anschließenden Walking Dinner sprachen teilnehmende Verbandsmitglieder gezielt die anwesenden Politiker und Ministerialbeamte mit konkreten Erfahrungen und Beispielen an. Sie konnten aufzeigen, wie Galvanikbetriebe durch die aktuellen regulatorischen Entscheidungen auf regionaler, Länder- und Bundesebene betroffen sind und welche Konsequenzen dies auf die Branche hat.
MdB Dr. Georg Nüßlein (stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion) nahm die Punkte des ZVO mit Interesse und viel Verständnis für die Herausforderungen der mittelständischen Unternehmen auf. Er ist bereits seit vielen Jahren im regelmäßigen Austausch mit Galvaniken und sagte seine Unterstützung zu.
Nachhaltige Umgestaltung der EEG-Finanzierung dringend notwendig
Der ZVO verwies während der Gespräche erneut auf die ständig steigenden Strompreise, die maßgeblich durch die EEG-Umlage sowie die Netzentgelte geprägt sind. Für viele Mittelständler stromintensiver Industrien ist dies kaum noch verkraftbar. So sind die Strompreise im benachbarten Ausland nur halb so teuer wie in Deutschland. Der Verband forderte die Entscheidungsträger daher auf, eine Überarbeitung des EEG schnellstmöglich in Angriff zu nehmen, um eine nachhaltige Finanzierungslösung herbeizuführen.
MdB Joachim Pfeiffer (Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und Leiter der AG Wirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) konnte die vorgebrachten Argumente gut nachvollziehen und verwies darauf, dass das aktuelle EEG sukzessive überholt wird. Er forderte den ZVO auf, sich frühzeitig in die Diskussion einzubringen. Den Parlamentarischen Abend bezeichnete er als gelungenen Auftakt für die 19. Legislaturperiode.
Resümee
Mit seinem dritten Parlamentarischen Abend setzte der ZVO gleich zu Anfang der neuen Legislaturperiode wichtige Akzente. Auch das Format hat sich bewährt: Mehr als 20 Mitglieder des Deutschen Bundestages und Ansprechpartner aus den Bundesministerien haben in teils intensiven Diskussionen mit Verbandsmitgliedern eine Basis für weiterführende Gespräche gelegt. Es gilt in den kommenden dreieinhalb Jahren, auf dieser Basis aufzubauen. Nur ein strukturelles und langfristiges Miteinander schafft Verständnis und Vertrauen und kann tragbare Lösungen finden.
Daher wird der ZVO den konstruktiven Dialog mit den relevanten Ansprechpartnern in Brüssel, Berlin, aber auch vor Ort in den einzelnen Bundesländern fortführen und intensivieren, um die Entscheidungsträger nachhaltig auf die vitalen Notwendigkeiten der Branche aufmerksam zu machen und die Erfahrungen der Branche in den Entscheidungsprozess einzubringen. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass die Vertreter aus der Politik wohl erkannt haben, dass die Bürokratie für den Mittelstand die Effizienz der Arbeit schmälert und die Kosten der Energiewende, insbesondere aufgrund der hohen Strompreise, die oberflächentechnische Industrie sehr stark belastet.
- www.zvo.org
