Moderne nickelfreie Phosphatierverfahren und Entphosphatierverfahren für Verbindungselemente

Werkstoffe 08. 10. 2017
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Von Stefan Lenzer, Forst

Das Phosphatieren ist ein wichtiger Arbeitsschritt bei der Herstellung von Verbindungselementen durch Kaltumformung. Phosphatierungen gewährleisten das notwendige Umformverhalten, müssen aber zur Vermeidung der Versprödung vor einer Wärmebehandlung entfernt werden. Eine hohe Prozesssicherheit bieten neue Verfahren für das Entphosphatieren beispielsweise bei der Herstellung von hochfesten Schrauben. Nickelfreie Phophatierverfahren erhöhen die Arbeitssicherheit, vereinfachen die Abwasserbehandlung und tragen somit zur Senkung der Prozesskosten bei. Vorteilhaft ist hierbei, dass die vorhandenen Verfahrensabläufe durch die Verwendung der neuen Verfahren unverändert bleiben können.

Modern Nickel-Free Phosphating Processes and Phosphate-Stripping Processes for Connectors

Phosphating is an important process in the manufacture of connectors using cold-forming. It ensures the required formability but must be removed prior to heat treatment to avoid embrittlement. A new process for phosphate stripping ensures that complete removal is achieved, for example in the manufacture of screws made of high-strength steel. Nickel-free phosphating processes increase reliability and simplify subsequent effluent treatment, thus leading to a reduction in process costs. Worth noting is that the existing process sequence does not require modification when using the new phosphate stripping stage.

1 Vom Draht zur Schraube

Der Prozess zur Herstellung einer Schraube ist komplex und wie in Abbildung 1 angedeutete in viele kritische Einzelschritte und Prozesse gegliedert.

Abb. 1: Vom Draht zur Schraube

 

Vereinfacht dargestellt, wird der vom Walz­werk gelieferte Rohdraht im Drahtwerk gebeizt, phosphatiert und mit einem Schmiermittel für den anschließenden Drahtzug beschichtet. Die Phosphatschicht ist fest in der Metalloberfläche verankert und dient hier als Schmiermittelträger und Trennschicht zwischen Draht und Werkzeug. Im ­Drahtzug kommen weitere Schmierstoffe wie Pulverseifen oder Öle zum Einsatz. Dieser Prozess wird beliebig wiederholt, bis der Draht das annähernde Endmaß erreicht hat, wobei zusätzlich eine Zwischenwärmebehandlung zum Einsatz kommen kann.

Der Draht hat nun das annähernde Endmaß für die Weiterverarbeitung und wird der Schraubenherstellung zugeführt. Im Schraubenwerk wird dieser Draht unmittelbar vor der Umformpresse auf Endmaß eingezogen, das heißt reduziert, und das Verbindungs­element in einem Mehrstufenprozess umgeformt. Um eine Schraube (Abb. 2) herzustellen, wird anschließend das Gewinde gerollt.

Abb. 2: Typische Schrauben, wie sie in großen Mengen zum Einsatz kommen

 

Nach dem Kaltumformen werden die Verbindungselemente in der Regel gereinigt, entphosphatiert und einer Wärmebehandlung unterzogen, um die gewünschten Eigenschaften einzustellen.

Neben der weit verbreiteten galvanischen Beschichtung werden Schrauben alternativ auch phosphatiert. Dazu gehören Motorschrauben oder Verbindungselemente für die Antriebseinheit. Wenn die primäre Voraussetzung die Korrosionsbeständigkeit ist, werden meist Dickschicht-, Zink- oder Mangan-Phosphatierungen eingesetzt. In Kombination mit Korrosionsschutzölen erreichen sie bis zu 72 Stunden ohne Rotrost (also die Korrosion des Grundwerkstoffs unter Bildung von rot-braunen Eisenverbindungen als Korrosionsprodukt) im neutralen Salzsprühnebeltest. Wenn eine ­mikrokristalline Phosphatschicht erforderlich ist, empfiehlt sich Zink-Calcium-Phosphat. Dieses wird durch einen Korrosionsinhibitor oder einen Schmierstoff ergänzt, durch den sich ein definierter Reibwert einstellen lässt. Leichte bis mittelschwere Zink-Calcium-Phosphatschichten bieten eine korrosionsbeständige Basis und eine ausgezeichnete Haftung für nachfolgende Beschichtungen, wie beispielsweise Zink-Lamellenbeschichtungen.

Aufgrund der steigenden Anforderungen an die Teilequalität, Umweltverträglichkeit und Arbeitssicherheit werden alkalische Entphosphatiermittel und nickelfreie Phosphatierverfahren bevorzugt.

2 Entphosphatieren

Die beschriebenen Umformvorgänge hinterlassen auf dem Endteil einen sogenannten Phosphatziehspiegel, der aus Phosphat­resten und den eingesetzten Schmierstoffen besteht. Nach dem Kaltumformen werden die Verbindungselemente meist einer Wärmebehandlung unterzogen. Dieser Vorgang kann durch den verbleibenden Phosphatziehspiegel negativ beeinflusst werden.

2.1 Vermeiden des Teileversagens

Jeglicher verbleibende Phosphatrest, der während des nicht-oxidierenden Tempervorgangs noch auf der Oberfläche verbleibt, führt zur Diffusion von Phosphor in die Randschicht. Dies verstärkt die Empfindlichkeit der Bauteile für Spannungsrisskorrosion und erhöht die Wahrscheinlichkeit des Teileversagens, was insbesondere für hochzugfeste Verbindungselemente der Festigkeitsklasse 12.9 und höher gilt. Darüber hinaus geht aus der Volkswagen-Spezifikation VW 60250 Hochfeste Schrauben hervor, dass Schrauben der Zugfestigkeitsklasse 10.9 und höher vor der Wärmebehandlung entphosphatiert werden müssen. Gemäß DIN EN ISO 898-1 ist ein sichtbarer, feststellbarer weißer Bereich, auch Saum genannt, der mit Phosphor angereichert ist, nach der Wärmebehandlung nicht zulässig.

Um die beschriebenen Probleme zu verhindern, muss diese Schicht aus Restphosphat und/oder Schmiermittel vor der Wärme­behandlung entfernt werden.

2.2 Verfahrensablauf

Der Phosphatziehspiegel kann mechanisch durch Strahlen oder chemisch mittels saurer und/oder hochalkalischer Medien entfernt werden. Aufgrund des Risikos für einen Wasserstoff induzierten Sprödbruch werden ­saure Verfahren häufig ausgeschlossen und alkalische Verfahren vorgezogen. Der Prozessablauf einer typischen alkalischen Entphosphatierung besteht aus fünf Schritten: Entfetten, Entphosphatieren, Spülen, Spülen und Trocknen.

Als geeignete Anlagentechnik haben sich für den Chargenprozess Trommeltauch- und Zentrifugenanlagen bewährt. Für die kontinuierliche Entphosphatierung werden Schneckenreinigungsanlagen oder Kettendurchlaufanlagen direkt vor der Wärme­behandlung eingesetzt. Angeschlossene Ölabscheider verlängern die Badstandzeit ­erheblich.

2.3 Qualitätssicherung

Die erfolgreiche Durchführung der Entphosphatierung wird vor der Wärmebehandlung kolorimetrisch mit dem sogenannten Blautest überprüft. Die Intensität der Blaufärbung ist proportional zur noch vorliegenden Phosphatmenge. Nach der Wärmebehandlung wird unter dem Mikroskop der Schliff auf Anwesenheit des unerwünschten, weißen Saums geprüft (Abb. 3).

Abb. 3: Saumbildung durch Phosphor in der Randzone [6]

 

2.4 Prozesschemie

Entphosphatiermittel der neuen ­Generation arbeiten bei niedrigen Temperaturen von 65 °C, kurzen Prozesszeiten und bilden dabei nur wenig Schaum. Meist sind die Produkte einkomponentig aufgebaut und benötigen keine Zusätze wie Entschäumer oder Emulsionstrennmittel. Wenn die Entfettung und Entphosphatierung in einem Prozessschritt realisiert werden, kann ein Tensid zugesetzt werden.

3 Nickelfreie Phosphatierverfahren

Moderne Phosphatierverfahren werden als nickelfreie Produkte entwickelt, um die Abwasserbehandlung und die Arbeitssicherheit zu verbessern.

Nickelfreie Phosphatiertechnologien decken eine Vielzahl von Anwendungen zur Verbesserung des Korrosionsschutzes, der Verklebung und der Umformung ab. ­Diese ­Eigenschaften werden von der Automobil-, Luftfahrt- und Öl-/Gasindustrie sowie im Maschinenbau und der Metallbearbeitung gefordert. Die moderne, nickelfreie Phosphatiertechnologie wird unter anderem auf Verbindungselementen wie Schrauben zur Erzielung verschiedenster technischer Eigenschaften angewandt, um die Anforderung der OEMs zu erfüllen.

3.1 Einteilung der Phosphatierverfahren für die Schraubenbeschichtung

Phosphatüberzüge auf Metallen werden in der DIN EN ISO 9717:2013 [2] beschrieben. Die Norm teilt die Phosphatschichten nach ihren Schichtbildnern und Anforderungen ein:

  • Dickschicht-Zinkphosphatierung (Fe/Znph10/T4)
  • Mikrokristalline Zinkphosphatierung (Fe/ZnCaph6/T4)
  • Manganphosphatierung (Fe/Mnph15/T4)

Die DIN EN ISO 9717:2013 verwendet für die Beschreibung der Anforderungen für den Phosphatüberzug folgende Codierungen:

  • Fe/: Grundmaterial Eisen
  • Znph: Zinkphosphat
  • ZnCaph: Zink-Calcium-Phosphat
  • Mnph: Manganphosphat
  • ZAHL: Schichtgewicht in g/m2 gemäß ISO 3892
  • /T4: Anwendung von Fett oder Öl oder ­anderen Schmierstoffen

    3.2 Verfahrensablauf

Die Anzahl der Prozessschritte und die Art der eingesetzten Produkte sind abhängig von den spezifischen Anforderungen an die Phosphatschicht. Die nachfolgend skizzierte Behandlung wird jedoch für die meisten Anwendungen verwendet. Dieser Prozessablauf einer typischen Trommel-Tauchphosphatierung für die Schraubenbehandlung besteht aus zehn Schritten:

  • Entfetten
  • Spülen
  • Beizen
  • Spülen
  • Aktivieren
  • Phosphatieren
  • Spülen
  • Neutralisieren
  • Beölen
  • Trocknen

Der Einsatz von nickelfreien Phosphatierverfahren erfordert keine Prozessänderungen.

3.3 Konstante Reibwerte und Phosphatschichtqualität

Die nickelfreien Prozesse bilden Konversionsschichten auf Eisen und Stahl, welche die Anforderungen für Verbindungselemente hinsichtlich des Schichtgewichts, des Reibwerts und Korrosionsschutzes erfüllen. Beispielsweise ergeben sich mit den entsprechenden Schmierstoffen die folgenden Reibwerte für zwei Varianten der Phosphatschicht:

  • Dickschichtiges Zinkphosphat in der Regel im Bereich von 0,12 bis 0,30
  • Mikrokristallines Phosphat innerhalb des Bereichs von 0,08 bis 0,16 (Tab. 1)

Abbildung 4 zeigt die Oberfläche der Phosphatschichten bei mikroskopischer Betrachtung.

     

Abb. 4: Beispielaufnahmen aus dem Gewindegrund mit einer dickschichtigen Zinkphosphatschicht (links) und einer mikrokristallinen Zinkphosphatschicht

 

3.4 Verbesserter Umweltschutz und erhöhte Arbeitssicherheit

Die Vorteile der nickelfreien Phosphatierung liegen im Bereich der industriellen Abwasserbehandlung und entsprechenden Sicherheit des Bedieners im Produkthandling. Der Vergleich der GHS-Einstufung zwischen einer nickelhaltigen und einer nickelfreien Dickschicht Zinkphosphatierung ist in Tabelle 2 dargestellt. Die nickelfreie Phosphatierung weist beispielsweise keine GHS 08 Gesundheitsgefahr und keine karzinogene Klassi­fikation nach EC1272/2008 auf.

Tab. 2: GHS-Einstufung im Vergleich

 

3.5 Erhöhte Prozessstabilität und geringerer Schlammanfall

Prozessbedingt bilden Phosphatierungen während der Verwendung Schlamm, welcher regelmäßig entfernt werden muss, um den Prozess nicht zu stören. Die Häufigkeit der Entschlammung ist abhängig von dem Prozess und kann im Abstand von einer bis sechs Wochen notwendig werden. Um ein Bad manuell zu entschlammen, muss es zuvor abkühlen und sich setzen. Dann kann die klare Lösung in einen leeren Tank gepumpt werden, wobei der Schlamm in der unteren ­Schlammzone des Prozesstanks zurückbleibt. Der Schlamm aus der Schlammzone kann dann durch Auswaschen durch den Auslass oder durch Herausheben entfernt werden. Die Tankseiten sollten von Schlammablagerungen gereinigt sowie die Heizeinheiten demontiert und nach Bedarf gereinigt werden, um eine effiziente Wärmeübertragung sicherzustellen.

Es ist auch möglich, die Phosphatierlösung kontinuierlich zu entschlammen. Dafür kommen Filterpressen oder besser noch auto­matische Filterbandsysteme zum Einsatz. Unter Verwendung einer Filterpresse wird die Lösung in regelmäßigen Abständen am tiefsten Punkt der Schlammzone im Phosphatbehälter dekantiert. Alternativ wird der Auffülltank angebracht und die gefilterte Lösung auf Höhe der Flüssigkeit wieder in den Phosphatierbehälter gegeben. Aprochim-Bandfilter [3] können ständig laufen.

Ein innovatives Eisen-Management (Abb. 5), wie beispielsweise in einer modernen, nickelfreien Zink-Calcium-Phosphatierung, bremst den Eisenanstieg und begrenzt den Eisen­gehalt der Phosphatierlösung, ohne dabei auf zusätzliche Additive wie Oxidationsmittel zurückgreifen zu müssen. Als Ergebnis wird die Schlammbildung reduziert. Es sind weniger Neuansätze notwendig und die Wartung des Phosphatiermediums wird vereinfacht.

Abb. 5: Eisenmanagement in einer Phosphatierung

 

4 Zusammenfassung

Das wirksame Entfernen der Phosphatschicht vor der Wärmebehandlung ist von kritischer Bedeutung für die Qualität der produzierten Teile. Moderne Anlangenausrüstung und erhöhte Qualitätsanforderungen erfordern leistungsstarke Entphosphatierungsprodukte. Durch den Einsatz des Produkts KeyKote 400 (MacDermid Enthone GmbH; [1]) kann die Qualität des alkalischen Entphosphatierungsverfahrens verbessert werden.

Die Eigenschaften der modernen, nickelfreien Phosphatierung in Bezug auf Schichtgewicht, Schichtdicke und Topographie können auf die entsprechenden Spezifikationen angepasst werden. Die Vorteile der nickelfreien Phosphatierung liegen im Bereich der Abwasserbehandlung und der Arbeitssicherheit beim Umgang mit den entsprechenden Produkten. Das innovative Eisenmanagement limitiert den Eisengehalt der Phosphatierlösung und reduziert Neuansätze sowie den Pflegeaufwand für die Phosphatierlösung. Alle nickelfreien KeyKote-Phosphatierungen sind durch einen vergleichbar niedrigen Verbrauch, eine kostengünstige Arbeitstemperatur und geringe Schlammbildung charakterisiert.

Quellen

[1] KeyKote Operating Manual; MacDermid Enthone

[2] Metallische und andere anorganische Überzüge – Phosphatüberzüge auf Metallen (ISO 9717:2010); Deutsche Fassung EN ISO 9717:2013

[3] Aprochim-Filterbandsysteme; ein Unternehmen von MacDermid Enthone

[4] Volkswagen TL240: Dünnschicht-Zinkphospha­tierung

[5] Ford laboratory test method AQ 150-01

[6] Dr.-Ing. Stefan Beyer: δ-Ferrit bei hochfesten Schrauben; Deutscher Schraubenverband e. V.

[7] Ford WSS-M3P39-A1: FASTENER FINISH, ZINC PHOSPHATE AND OIL

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