Bionik

Werkstoffe 10. 04. 2016
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– Von der Natur lernen heißt leicht bauen lernen

Abgucken ist keine Schande sondern ein Muss: Bionik im Leichtbau liegt im Trend. Denn der beste Ingenieur ist noch immer die Natur. Sie hat unzählige geniale Konstruktionen hervorgebracht.

Minimaler Einsatz von Energie und Material, maximale Steifigkeit und Festigkeit: In nahezu allen Branchen der Industrie gehört der Leichtbau zu den ganz großen Trends und Innovationstreibern. Der beste Lehrmeister auf diesem Gebiet ist die Natur, dafür hat der Anpassungsdruck der Evolution gesorgt.

Wo aber sind die die aussichtsreichsten Konstruktionsvorbilder zu finden? Eine hervorragende Adresse ist das Meer. In unvorstellbaren Mengen und in riesiger Vielfalt leben hier einzellige Planktonlebewesen, die Strahlentierchen und Kieselalgen. Ihre Schalen, Panzer und Skelette bilden einen nahezu unerschöpflichen Formenfundus. Allen gemein ist jedoch die gleichzeitig immens leichte und feste Bauweise. Schließlich müssen diese Organismen sowohl dem hohen Druck des Wassers widerstehen als auch darin schweben können. Die wenige tausendstel bis höchstens einen Millimeter großen Einzeller bilden kunstvoll geformte Gehäuse aus glasigem Silikat. Messungen zeigen, dass die Schalen Kräften von umgerechnet bis zu 700 Tonnen pro Quadratmeter standhalten können. Sich durch ihre Konstruktionsweise inspirieren zu lassen, erscheint da schon beinahe zwingend. Das Evolutionary Light Structure Engineering Verfahren, kurz ELiSE, setzt genau hier an und übersetzt die Funktionalität dieser bewährten Strukturen aus der Natur in hocheffiziente Leichtbaustrukturen für die Industrie.

Entwickelt wurde ELiSE am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar-und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Heute wird es vom Institut für marine Ressource (IMARE) weiterentwickelt und genutzt. Das patentrechtlich geschützte Verfahren hat bereits zu erstaunlichen Ergebnissen geführt.

Offshore-Windkraftanlagen und Autofelgen – nur der Anfang?

Das dreistrahlige Silikatskelett des Strahlentierchens Clathrocorys teuscheri diente den IMARE-Forschern als Vorbild für dreibeinige Windkraftfundamente, die im offe­nen Meer verankert werden. Die Konstruktion reduzierte das Gewicht von anfangs 770 Tonnen auf nur noch 400 Tonnen bei gleicher Stabilität, das entspricht einer Gewichtseinsparung von 48 Prozent. Wie dieses Modell nun in Serie gehen kann, prüfen derzeit die Experten.

Zur Serienreife hat es dagegen bereits ein anderes mit dem ELiSE-Verfahren entworfenes Produkt gebracht: eine extrem stabile Autofelge aus Faserverbundwerkstoff. Sie ist um 20 Prozent leichter als übliche Felgen. Vorlage für das neuartige Konstruk­tionsprinzip war erneut eine Kieselalgenstruktur. Die Bionikfelge hat nicht nur hervorragende Eigenschaften im Bereich der Kraftübertragung zwischen Nabe und Reifen, die Konstruktion verhindert darüber hinaus das Einknicken von Radspeichen bei sehr hoher Belastung.

Fliegen, so leicht wie ein Vogel

Aber nicht nur Plankton kann als Vorlage für die Leichtbaukonstruktionen der Zukunft dienen. Die Struktur von Vogelknochen etwa inspiriert zu neuen Konstruktions­weisen und führt zu fantastischen Möglichkeiten in der Luftfahrt. In einer von Airbus in Auftrag gegebenen Studie für das Flugzeug im Jahr 2050 ersetzt ein skelettähnliches Gerüst den heute noch aus gleichförmigen Röhrensegmenten aufgebauten Flugzeugrumpf.Inspiriert von Vogelknochen wird es ein gewichtsoptimiertes Design geben, das Festigkeit dort bietet, wo sie benötigt wird, sagt Ingo Wuggetzer, Vice President Strategy, Innovation & Design bei Airbus. Vogelknochen sind sehr filigran aufgebaut, innen porös und mit großen Luftkammern gefüllt. Ihre Steifigkeit ist trotzdem extrem hoch. Werden sie Pate stehen für zukünftige Flugzeuge?

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