Keine Panik! Die REACh-Konformität – eine sinnlose Aussage und eine ebenso sinnlose Forderung?

Verbände 03. 02. 2016
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Bei Zulieferern sowie Lieferanten geht die REACh-Panik um. Fast am Ende der Lieferkette haben es in der Galvanotechnik, insbesondere die Galvanikbetreiber und Formulierer, mit den Auswirkungen dieser Panik zu tun. Sie werden regelmäßig und wiederholt auf­gefordert, eine REACh-Konformität rechtsverbindlich zu bestätigen.

REACh an sich ist mittlerweile ein gängiger Begriff, weniger geläufig dürfte jedoch die Bedeutung von REACh-Konformität­ sein! Konformität bedeutet für das Qualitätsmanagement zunächst, dass gestellte Forderungen erfüllt sind und dass diese Übereinstimmung mit den Forderungen das Ergebnis einer Prüfung ist. Da auf REACh als ein Rechtsakt verwiesen wird, wird demnach eine Übereinstimmung mit diesem Rechtsakt gefordert und die Bestätigung, dass geprüft worden ist. Anders ausgedrückt: Es soll darauf geachtet werden, dass REACh als Gesetz befolgt wird.

Die Forderung nach Konformität mit einer so umfassenden Verordnung ist ebenso sinnlos wie beispielsweise die Forderung nach der Konformität gegenüber dem gesamten Strafgesetz. Denn REACh umfasst fast alles, was mit Chemikalien zu tun hat und mit jedem Akteur in der Lieferkette.

Angst regiert den Verstand

Der Grund für die Schwemme an Konformitätsforderungen ist vielfältig. Viele Unternehmen erhoffen sich bei Anforderung einer REACh-Konformität ihres Lieferanten, dass alle bürokratischen, technischen und rechtlichen Notwendigkeiten jetzt und in Zukunft in puncto REACh abgedeckt sind.

Es können die sich immer stärker verbreiteten und selbstverpflichtenden Compliance Regeln von Unternehmen sein. Dies sind selbstverpflichtende Verhaltensregeln die oft neben moralischen Verpflichtungen auch Verpflichtungen zur Einhaltung von rechtlichen Regeln beinhalten und dann auch Zulieferer zu spüren bekommen. Aber auch die Einführung von Zertifizierungen im Rahmen eines Qualitätmanagements kann der Auslöser sein. Vielleicht ist die Aufforderung zur Bestätigung der REACh-Konformität auch als Mittel gedacht, seine Lieferanten darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Gesetzeslage auch für sie drastisch verändert hat und sie neue Pflichten erhalten haben. Ein alltäglicher Grund könnte einfach sein, dass es getan wird, weil es andere auch tun. Ebenso kommt die eigene Unsicherheit in Betracht mit dem Versuch, die eigene Verantwortung beziehungs­weise den mit REACh verbundenen Aufwand an den Lieferanten weiterzugeben. Aber auch als Mittel zum Nachweis für das unternehmensinterne Management wird eine Konformitätserklärung herangezogen, dass hinsichtlich REACh alles den Anforderungen gemäß ist. All diese Möglichkeiten können dem Oberbegriff des Sicherheitsbedürfnisses gegenüber unternehmensinter­nen und -externen Forderungen zugeordnet werden.

Vermutlich ist jedoch die stärkste Triebkraft die Angst (siehe Sicherheitsbedürfnis), in Zukunft die gewohnten Produkte nicht mehr beziehen zu können, weil ein Stoff verboten wurde. Diese Angst könnte aus den frühen Anfängen von REACh stammen, als viele Betroffene die Tragweite der Verordnung noch nicht erkannt hatten und sie dann die Erkenntnis mit voller Wucht traf. Der Dämon REACh war geboren. Auch wenn viele der Gerüchte aus den Anfangszeiten der Verordnung damals nicht stimmten oder vieles von den Behörden nicht im Detail ausgearbeitet und kommuniziert wurde sowie Übertreibungen aus diversen Quellen die Runde machten, ist diese diffuse, aber in Teilen nachvollziehbare Angst geblieben.

Garantien für die Zukunft kann es nicht geben

Ist ein Stoff verboten, kann eine Konformitätserklärung nichts an diesem Verbot ändern. Eine Konformitätserklärung ist ebenfalls als Frühwarnsystem untauglich, da über den Stand der Entwicklung eines Verbots ein Betroffener nicht unterrichtet sein muss oder kann. Auch Aussagen zu einem bisher nicht genehmigten Zulassungsantrag können nicht die Zukunft abbilden.

Hier sind Gespräche mit anderen Akteuren der Lieferkette, Verbände und der Politik notwendig, um Informationen zu erhalten. Durch den Beitritt in einen Wirtschaftsverband wie den ZVO steigt zwar die Wahrscheinlichkeit, zeitnah informiert zu sein und einen Vorsprung in der Reaktionszeit und -weise zu haben, aber eine Garantie besteht dann ebenfalls nicht. Es ist allerdings sicherlich ein Mittel, den Vorgang mitgestalten zu können.

Positiv an Konformitätserklärungen ist allenfalls, dass die Sensibilität für das Thema REACh erhöht wird. Jedoch wäre dies ein Missbrauch und in der unkoordinierten und massenhaften Weise zu viel des Guten.

Nur wer seine Rolle kennt kann konform sein

Die REACh-Verordnung umfasst eine Vielzahl von Titeln, die wiederum in diverse Kapitel unterteilt sind, und zusätzlich weitere Anhänge enthält. Bei einer derartigen Fülle von Informationen und Pflichten ist es unrealistisch, eine generelle REACh-Konformität auszustellen. Jeder Verwender, ob Hersteller, Formulierer, Importeur oder Händler, muss für sich zunächst klar erkennen, inwiefern er von REACh betroffen ist:

  • Welche Substanzen verwende ich?
  • Stoffe und Gemische?
  • Erzeugnisse?
  • Welche Rolle nehme ich unter REACh ein?
  • Bin ich Hersteller und/oder Importeur von Stoffen?
  • Lohnhersteller?
  • Produzent und/oder Importeur von Erzeugnissen?
  • Lieferant von Erzeugnissen?
  • Nachgeschalteter Anwender (Downstream User)?
  • Händler?
  • Welche Pflichten resultieren aus den unterschiedlichen Verwendungen und welche treffen auf mich zu?
  • Welche Branche bediene ich?
  • Woher beziehe ich meine Chemikalien?
  • Welche Rolle hat der Lieferant/Kunde?
  • Welche Expositionen liegen vor?

Entlang der Lieferkette, und zwar in beide Richtungen, müssen Informationen weitergegeben werden.

Anhand dieser Fragenstellungen können dann konkrete Pflichten unter REACh abgeleitet werden. Nur wenn die Pflichten klar erkannt werden, können Abfragen entlang der Lieferkette sinnvoll getätigt und eine korrekte REACh-Konformität ausgestellt werden.

Nur wer seine Rolle kennt kann Konformität fordern

Die REACh-Verordnung insgesamt schreibt eine immense Fülle an Pflichten vor, die aber nicht immer alle Akteure betrifft. Somit sollte eine Konformitätsabfrage bezüglich REACh nicht allgemein gehalten werden, sondern gezielt die für den jeweiligen Akteur zutreffenden Punkte beinhalten. Dies bedeutet, dass auch derjenige, der die Konformität fordert, sich mit seiner und der Rolle seines Lieferanten auseinandergesetzt haben sollte. Ansonsten versteht er nicht, welche Aussage durch die Konformitätserklärung überhaupt abgedeckt ist und welche eventuellen Handlungszwänge ­hieraus erwachsen könnten.

Eine Folge könnte auch sein, dass die falsche Frage gestellt worden ist. Denn keine der Pflichten unter REACh sieht vor, dass die Verwendung eines SVHC mitgeteilt werden muss, wenn diese nicht im Produkt verbleiben. Also nur in Fällen in denen SVHC in Mengen größer als 0,1 Gewichtsprozent im Produkt enthalten sind, fallen diese unter die Mitteilungspflicht. In der Galvanotechnik werden zumeist Verfahren eingesetzt, die SVHC nutzen, aber im Endprodukt gar nicht mehr oder unterhalb der Grenze von 0,1 Gewichtsprozent enthalten sind; so wie bei der galvanischen Verchromung. Chromtrioxid ist nicht mehr in der Oberfläche zu finden. Der Kunde weiß also gar nicht, dass er eventuell in Zukunft ein Lieferproblem bekommen könnte.

Der ZVO hat einen Musterbrief für seine Mitglieder entworfen, der zumindest die wichtigsten Punkte für die Betreiber eines Galvanikbetriebs abdeckt. (Der Brief ist auf Anfrage beim ZVO e. V. erhältlich.)

Verstehen kann helfen

Am Ende empfiehlt es sich, trotz der Forderungen nach Konformität gelassen zu bleiben und sich selbst beziehungsweise den Lieferanten oder Kunden über REACh und die daraus abgeleiteten Pflichten zu informieren oder den Dialog zu suchen. Denn so sehr es auch einen Mehraufwand bedeutet, ändern werden sich die unbefriedigende Situation und der Ruf nach der unspezifischen REACh-Konformität nur dann, wenn Aufklärung betrieben wird. Dann besteht wenigstens die begründete Hoffnung, dass sich die Situation bessert und mehr Ruhe und Gelassenheit einkehrt sowie die Einsicht, dass eine Forderung nach REACh-Konformität eventuell nichts nützt. Denn wer informiert ist, weiß was zu tun ist. Dadurch können diffuse Ängste in Sicherheit sowie zielorientierte und produktive Handlungen umgewandelt werden.

Registrierungspflichten

Die Registrierungspflicht trifft für alle Importeure und Hersteller von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen zu. Stoffe dürfen nur hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie vorher registriert wurden. Das gilt auch für Stoffe in Zubereitungen oder in Erzeugnissen. Der Leitspruch hierfür lautet: Ohne Daten – kein Markt.

Die Mengenbegrenzung für die Registrierung liegt bei 1 Jahrestonne. Das heißt, jeder Hersteller oder Importeur, der einen Stoff als solchen oder in Zubereitungen in einer Menge von ≥ 1 t/a herstellt oder importiert, muss ein Registrierungsdossier bei der ECHA einreichen. Auch standortinterne isolierte Zwischenprodukte müssen bei einer hergestellten Menge von ≥ 1 t/a und transportierte isolierte Zwischenprodukte bei einer Herstellung oder beim Einführen von ≥ 1 t/a registriert werden. Für Monomere, die als standortinterne isolierte Zwischenprodukte oder als transportierte isolierte Zwischenprodukte verwendet werden, gilt dieses jedoch nicht. Bei Polymeren müssen die Monomerstoffe, wenn die Gesamtmenge des Monomers ≥ 1 t/a liegt, registriert werden.

Stoffe, die in einem Erzeugnis bei bestimmungsgemäßer Freisetzung in einer Menge von insgesamt > 1 t/a vorhanden sind, müssen vom Produzenten oder Importeur registriert werden. Hier trifft die Aussage zu: einmal ein Erzeugnis – immer ein Erzeugnis.

Einige Pflichten unter REACh

Meldung ins CLP-Verzeichnis

Seit 1. Dezember 2010 besteht eine Meldepflicht der gemäß REACh-Verordnung registrierungspflichtigen Stoffe. Importeure und/oder Hersteller von Stoffen oder Stoffen in Gemischen und Erzeugnissen (wenn Stoffe bestimmungsgemäß freigesetzt werden) sind verpflichtet gem. Artikel 39 und 42 der CLP-Verordnung unter anderem die Identität und Einstufung der Stoffe im Kennzeichnungs- und Einstufungsverzeichnis (CLP-Verzeichnis) der ECHA zu melden. Es müssen alle als gefährlich eingestuften Stoffe gemeldet werden, auch wenn diese in einer Menge von < 1 t/a hergestellt oder importiert werden. Alle registrierungspflichtigen Stoffe, die als nicht gefährlich eingestuft wurden, müssen ab einer Menge > 1 t/a gemeldet werden. Die Meldung muss jeweils innerhalb eines Monats nach Herstellung oder Import erfolgen und ist bei Änderungen zu aktualisieren.

Beschränkungen (Anhang XVII)

Die Herstellung, das Inverkehrbringen und auch die Verwendung eines Stoffes können, wenn von diesem Stoff ein nicht annehmbares Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht, beschränkt oder verboten werden: Stoff erlaubt – Verwendung verboten, beziehungsweise beschränkt. Vorgeschlagen werden diese Stoffe von den Mitgliedstaaten oder der ECHA. Das bedeutet für jeden Einzelnen – ob Hersteller, Importeur, Lieferant von Stoffen, Gemischen oder Erzeugnissen – darauf zu achten, dass die eventuelle Beschränkung der eingesetzten oder vertriebenen Stoffe eingehalten wird. Beispielsweise unterliegt Nickel seit langem einer Beschränkung, wenn es in Schmuck, der am Körper getragen wird, eingesetzt wird.

Zulassungen (Anhang XIV)

Bei der Zulassung (auch Autorisierung genannt) wird der Stoff verboten, mit der Option, für einige Verwendungen und unter bestimmten Voraussetzungen eine Zulassung erteilt zu bekommen. Ein Stoff, der im Anhang XIV gelistet ist, darf in der EU nicht hergestellt oder verwendet werden. Es sei denn, dass für spezifische Verwendungen des Stoffes eine Zulassung erteilt wurde. Diese Zulassung kann vom eigenen Unternehmen oder aber von einem vorgeschalteten Akteur in der Lieferkette beantragt werden. Allerdings darf ein im Anhang XIV aufgenommener Stoff bis zum Sunset Date, dem Datum, zu dem das Verbot in Kraft tritt, ohne Einschränkungen hergestellt oder verwendet werden.

Kommunikation in der Lieferkette/Informationspflicht

Wie bereits eingangs erwähnt, ist die Kommunikation entlang der Lieferkette ein äußerst wichtiger Punkt. Anhand von Sicherheitsdatenblättern, die der Lieferant kostenlos seinem Kunden zur Verfügung stellt, wird dieser über diverse Eigenschaften des Stoffes oder Gemisches informiert. Informationen, wie zum Beispiel eine erteilte Zulassung, das Erlassen einer Beschränkung oder ob ein SVHC in Mengen > 0,1 Gewichtsprozent vorhanden ist, werden hierüber kommuniziert. Wenn für einen Stoff oder ein Gemisch keine Pflicht zur Erstellung eines Sicherheitsdatenblattes vorliegt, müssen diese Informationen dem Kunden anderweitig auf Papier oder elektronischem Wege kostenlos übermittelt werden. Bei Erzeugnissen werden diese Informationen nicht über ein Sicherheitsdatenblatt kommuniziert. Enthält ein Erzeugnis mindestens ein SVHC > 0,1 Gewichtsprozent, so ist diese Information dem Abnehmer des Erzeugnisses oder dem Verbraucher binnen 45 Tagen nach Anfrage kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Mitteilungspflicht

Die Mitteilungspflicht gemäß Artikel 7 der REACh-Verordnung betrifft Importeure und Produzenten von Erzeugnissen. Wenn in einem Erzeugnis ein Stoff von insgesamt > 1 t/a pro Importeur beziehungsweise Produzent enthalten ist und der Stoff bestimmungsgemäß freigesetzt wird, muss bei der ECHA ein Registrierungsdossier eingereicht werden. Liegt in einem Erzeugnis ein SVHC > 0,1 Gewichtsprozent und > 1 t/a vor, müssen Importeure und Produzenten die ECHA bezüglich der eigenen Identität, der Identität des Stoffes, die Einstufung des Stoffes und vieles mehr, unterrichten.

Erstellen von Stoffsicherheitsberichten

Nachgeschaltete Verwender müssen gemäß Titel V der REACh-Verordnung gegebenenfalls selbst einen Stoffsicherheitsbericht erstellen, wenn die Verwendung außerhalb der Beschreibungen in den Expositionsszenarien liegt und die Verwendung des Stoffes oder der Zubereitung 1 t/a übersteigt.

 

Aufruf zur Mitarbeit in den ZVO-Ressorts

Die Galvano- und Oberflächentechnik ist direkt oder indirekt immer im Fokus von Regulierungsbestrebungen der Behörden. Der ZVO als Branchenvertreter kann nur dann für die Branche einstehen, wenn genügend Rückhalt und Engagement der Mitgliedschaft besteht. In hohem Maße sind dabei die Anwender von Verfahren gefragt, da nur diese zum einen ihre Anforderungen formulieren und andererseits gegenüber Behörden glaubhaft als Betroffene vertreten können. Nur durch das verstärkte Einbringen von Anwendern, ist eine weitere fokussierte und zielgerichtete Interessensvertretung möglich.

Daher liegt die Mitgestaltung der Ressorttätigkeiten im unmittelbaren unternehmerischen Interesse. Der ZVO und das Ressort REACh freuen sich auf Ihre Eingaben und Ihre Mitarbeit.

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