Neue Erkenntnisse beim Hartanodisieren

Oberflächen 08. 11. 2015

– Muss der Elektrolyt auf 0 °C gekühlt werden?

Von Christian Mock, Stefan Kölle und Klaus Schmid, Fraunhofer-IPA, Stuttgart

Durch Hartanodisieren von Aluminium bei niederen Elektrolyttemperaturen von 0 °C und Stromdichten von 2 A/dm2 bis 6 A/dm2 entstehen harte Oxidschichten, sogenanntes Harteloxal. Aufgrund der hohen elektrischen Widerstände solcher Oxidschichten und der Tatsache, dass der Elektrolyt stark gekühlt werden muss, liegt ein hoher Energieverbrauch vor. Untersuchungen zeigen, dass die erforderlichen Härten von mehr als 400 HV bei Schichtdicken von etwa 40 µm auch bei höheren Elektrolyttemperaturen erreicht werden. Daraus ergeben sich erhebliche Einsparmöglichkeiten beim Energieeinsatz.

New Developments in Hard Anodising – Must the Electrolyte be Cooled to 0°C?

Hardanodising of aluminium at low electrolyte temperatures from 0°C and at current densities of 2 A/dm2 to 6 A/dm2, gives rise to hard oxide layers, so-called Hard Anodising. Given the very high electrical resistance of such oxide layers and the reduced electrolytic conductivity of the cooled electrolytes, the process is relatively energy-intensive. Recent research has shown that oxide layers of the required hardness (>400 HV) and of thickness around 40 µm can also be formed at higher electrolyte temperatures, thereby achieving valuable energy savings.

1 Einleitung

Aluminiumwerkstoffe verbinden gute Verfügbarkeit mit vielfältigen Möglichkeiten der Be- und Verarbeitung bei einem günsti­gen Verhältnis zwischen Gewicht und Festigkeit. Entsprechend groß ist ihre Bedeutung zum Beispiel für die Luftfahrtindustrie, den Automobilbau, aber auch den Maschinen- und Anlagenbau. Zudem kann Aluminium sehr gut recycelt werden und zeichnet sich hierdurch gegenüber anderen Leichtbauwerkstoffen aus. Auf Grund seiner schlechten Verschleiß- und Korrosions­beständigkeit muss Aluminium in den meisten Fällen vor der Verwendung beschichtet werden. Besonders geeignet für den Verschleißschutz sind dabei Schichten, die durch die Hartanodisation (HA) erzeugt werden; die daraus erzeugten Schichten sind auch unter der Bezeichnung Harteloxal bekannt. Der Begriff Eloxal leitet sich dabei aus den Begriffen elektrolytische Oxidation von Aluminium ab [7].

Beim Anodisieren werden die Bauteile in einen üblicherweise auf Basis von Schwefelsäure aufgebauten Elektrolyten getaucht und mithilfe eines Gleichrichters als Anode geschaltet. Es resultiert ein entsprechender Stromfluss zu ebenfalls im Elektrolyten eingetauchten Gegenelektroden (Kathoden). Auf den Bauteiloberflächen wird dabei gleichzeitig Aluminium aufgelöst und Sauerstoff erzeugt. Der Sauerstoff und die Aluminiumionen reagieren zu keramischem Aluminiumoxid und bilden eine sehr verschleiß- und korrosionsbeständige Schicht [4]. Die Härte und Widerstandsfähigkeit von Vollmaterial aus Aluminiumoxid wird allerdings nicht erreicht, da die Schichten aufgrund der besonderen Bildungs­mechanismen porös sind. Von oben betrachtet haben Eloxalschichten Ähnlichkeit mit Bienenwaben, die jeweils in der Mitte eine Pore besitzen (Abb. 1).

Abb. 1: Ansicht einer Zelle der Aluminiumoxidschicht im Schnitt (a) und in Aufsicht (b) [8]

 

2 Energieverbrauch bei der Hartanodisation

Die Hartanodisation ist ein etabliertes und bewährtes Verfahren. Aus den speziellen Abscheidungsbedingungen resultiert ein sehr großer Energiebedarf, der bis zu 20 % der Verfahrenskosten betragen kann. Dieser Energieverbrauch ist auf die hohen benötigten Gleichrichterspannungen zurückzuführen, die wiederum vom hohen elektrischen Widerstand der gebildeten Schicht verursacht werden.

Es wird allgemein davon ausgegangen, dass der Stromfluss über die mit gut leitfähigem Elektrolyt gefüllten Poren der Eloxalschicht stattfindet, da Aluminiumoxid ein Nicht­leiter mit einem sehr hohen spezifischen Widerstand (1019 (Ωmm²)/m) [9] ist. Die Poren sind jedoch sehr klein und machen nur einen Bruchteil der Bauteiloberfläche aus. Es ergibt sich insgesamt ein hoher, mit zunehmender Dicke der Aluminiumoxidschicht weiter ansteigender, Widerstand. Die Spannungen, die benötigt werden, um diesen Widerstand zu überwinden, können beim Hartanodisieren durchaus bis zu 120 V erreichen, wie durchgeführte Untersuchungen belegen (Abschnitt 5).

Die gesamte ins System eingetragene Energie ergibt sich anhand Gleichung <1> [3]:

E = R · I2 · t = U · I · t<1>

mit: E Energie (Wh)

R Widerstand (Ω)

I Stromstärke (A)

t Beschichtungsdauer (h)

U Spannung (V)

Anhand eigener Untersuchungen kann davon ausgegangen werden, dass beim Hart­anodisieren etwa 70 % der eingetragenen Energie als Joulesche Wärme eingebracht wird. Dieser Wärmeeintrag muss mit einer­ Kühlung des Elektrolyten ausgeglichen werden, damit die Elektrolyttemperatur konstant bleibt. Der Energieverbrauch summiert sich infolgedessen zum einen aus dem Energieeintrag des Gleichrichters und zum anderen aus der benötigten Energie zum Kühlen des Elektrolyten. Die einzuhaltende Elektrolyttemperatur kann dabei nicht beliebig gewählt werden, da die Schichtqualität unter zu hohen Tempera­turen leidet.

Die Schichteigenschaften werden grundsätzlich durch zwei Mechanismen bestimmt: durch die Schichtbildung, die über die Stromdichte gesteuert wird, und durch die Schichtrücklösung, die über die Säurekonzentration und die Elektrolyttemperatur beeinflusst wird. Durch die Stromdichte beziehungsweise die Spannungen kann die Größe der Zellen beeinflusst werden, während die Elektrolyttemperatur und die Säurekonzentration den Porendurchmesser bestimmen (Abb. 1). Um möglichst harte Schichten zu erzielen, müssen beim Hart­anodisieren daher nach dem Stand der Technik hohe Stromdichten (2 A/dm²–A/dm²) und sehr niedrige Elektrolyttemperaturen (0 °C–5 °C) gewählt werden [4, 7]. Die niedrige Elektrolyttemperatur soll die Rücklösung und damit das Entstehen von zu porösen, weicheren Schichten minimieren.

3 Messung der Schichttemperatur beim Hartanodisieren

Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen Elektrolyttemperatur und der Rücklösung komplexer, als er in der Literatur oft dargestellt wird. Der Energieeintrag über den Gleichrichter erfolgt hauptsächlich lokal am Ort der Schichtbildung und damit immer an der Grenzfläche zwischen Aluminium und Eloxalschicht beziehungsweise­ innerhalb der Schicht durch den Stromfluss in den Poren. Die Temperatur in der Schicht ist somit zwangsläufig deutlich ­höher als die Elektrolyttemperatur im Elektrolyten. Genau diese Temperatur ist aber für die Rücklösung und damit für die Schichteigen­schaften entscheidend. Daraus ergibt sich die Situation, dass bei niedrigen Elektrolyttemperaturen dickere und dichtere Schichten entstehen, die durch ihren hohen­ Widerstand eine starke Erwärmung der Schicht erwarten lassen. Der Erwärmung muss wiederum durch eine niedrigere Elektrolyttemperatur entgegengewirkt werden. Diese Wechselwirkung zwischen Energieeintrag und notwendiger Wärmeabfuhr führt zu einer Art Kreislauf, dessen Abhängigkeiten nur schwer zu durchbrechen sind (Abb. 2).

Abb. 2: Gegenseitige Einflussnahme aus Energieeintrag und Wärmeabfuhr

 

Die genauere Betrachtung dieser gegenläufigen Einflüsse führt zu der Hypothese, dass bei niedrigen Elektrolyttemperaturen nicht zwangsläufig auch niedrige Temperaturen in den Poren vorliegen müssen. Die niedrigste Elektrolyttemperatur muss nicht zur härtesten Schicht führen. Eine Bestätigung dieser Hypothese könnte immense Auswirkungen auf die notwendigen Elektrolyttemperaturen und damit den gesamten Energiebedarf beim Hartanodisieren haben. Die zentrale Aufgabe bei der Überprüfung dieser Hypothese ist dabei die Ermittlung belastbarer Messwerte für das Temperaturniveau innerhalb der Schicht während der Hartanodisation.

In der vorliegenden Arbeit wurden deshalb genau diese Zusammenhänge zwischen Verfahrensparametern des Hartanodisierens, der Elektrolyttemperatur, der Tempe­ratur in der Schicht und der Schichthärte­ untersucht. Mit diesem Wissen besteht die Möglichkeit, das Hartanodisieren hinsichtlich seines hohen Energieverbrauchs zu ­optimieren und Elektrolyttemperaturen zu finden, bei denen ein geringerer Energieeintrag vorliegt und trotzdem noch die bekannten Schichthärten des Hartanodisationsprozesses erreicht werden können. Mit besseren Energieausbeuten lässt sich gerade bei diesem energieintensiven Verfahren ein Wettbewerbsvorteil erzielen.

Um die vorherrschenden Temperaturen beim Hartanodisieren möglichst nahe an der Grenzfläche Aluminium/Aluminiumoxid zu erfassen und gleichzeitig praxisrelevante Parameter, wie beispielsweise eine Lufteinblasung, kontrolliert einsetzen zu können, wurde am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) ein entsprechender Versuchsaufbau entwickelt. Die eingesetzte Messvorrichtung ermöglicht es, während des Prozesses die Temperaturen an einem Prüfkörper aus der jeweils zu untersuchenden Aluminiumlegierung aufzuzeichnen. Die Temperaturmessungen erfolgen dabei an drei verschiedenen Positionen 0,25 mm unterhalb der Bauteiloberfläche und damit so nah wie möglich an der relevanten Erwärmungszone. Somit können Aussagen über die Eigenschaften der Eloxalschichten auf Basis der Temperaturen direkt an der Grenzfläche Aluminium/Aluminiumoxid getroffen werden. Dazu wurden Hartanodierversuche bei unterschiedlichen Parametereinstellungen durchgeführt und anschließend die Schichtdicke und Schichthärte erfasst und ausgewertet.

Ähnliche Messeinrichtungen und Versuchsreihen wurden auch von Graeve, Aerts und Schneider [1, 2, 5, 10] durchgeführt. Graeve [5] befasste sich mit der Wärmeübertragung auf die Aluminiumoxidschicht. Die Temperaturen wurden jedoch auf der Rückseite der Anode erfasst, wodurch keine­ Aussagen über die Temperaturen an der Grenzfläche Aluminium/Aluminiumoxid zu gewinnen sind. Aerts [1, 2] beschäftigte sich mit dem Einfluss der Anodisiertemperatur auf die mechanischen Eigenschaften und Porosität der Aluminiumoxidschichten. Die Zusammenhänge wurden jedoch über die Elektrolyttemperatur hergeleitet und nicht über die Temperatur an der Phasengrenze Aluminium/Aluminiumoxid. Schneider [10] hat die Temperatur an der Übergangszone zwischen Aluminium/Aluminiumoxid/Elektrolyt untersucht. Allerdings wurden die Versuche bei sehr hohen Stromdichten von bis zu 100 A/dm² und geringen Expositionsdauern (max. 300 s) durchgeführt. Dementsprechend wurde bei dieser Arbeit nicht mit praxisnahen Bedingungen gearbeitet. Zusammenfassend wurden bei keiner dieser Veröffentlichungen die Temperaturen an der Grenzfläche Aluminium/Aluminiumoxid unter tatsächlichen und praxisnahen Bedingungen während des Anodisierens erfasst und untersucht. Nur mit diesem Wissen lassen sich aber industrielle Prozesse hinsichtlich ihrer Verfahrensparameter optimieren.

4 Messung der Schichttemperatur – Versuchsdurchführung

Die Messvorrichtung wurde in einem doppelwandigen Becherglas mit einem Volumen von fünf Litern positioniert (Abb. 3). Als Elektrolyt wurde verdünnte Schwefelsäure (180 g/l) verwendet, welcher während der Versuche durch Rühren ständig in Bewegung gehalten wurde. Zusätzlich konnte eine Lufteinblasung zugeschaltet werden, durch die eine gleichmäßigere Durchmischung und infolgedessen eine homogenere Temperaturverteilung innerhalb des Elektrolyten erreicht wurde. Dadurch konnte der Einfluss der Lufteinblasung auf den Hartanodisationsprozess erfasst werden. Auf einem Probekörper aus AlMgSi1 wurde eine Schicht von 40 µm bei Stromstärken von 2 A/dm² und 3 A/dm² erzeugt.

Abb. 3: Versuchsaufbau zur Durchführung der Anodisierversuche

 

Die Versuche wurden bei drei unterschiedlichen Temperaturen durchgeführt. Neben der konventionellen Hartanodisiertemperatur von 0 °C wurden zwei höhere Temperaturen, fortlaufend als T2 und T3 bezeichnet, getestet. Zusammenfassend bestand somit eine Versuchsreihe aus zwölf Prüfkörpern. Um die Streuung innerhalb der Messergebnisse erfassen und die Reproduzierbarkeit des Hartanodisationsprozesses überprüfen zu können, wurde zusätzlich eine Wiederholungsmessung der Versuchsreihe durchgeführt.

Bei jeder erzeugten Eloxalschicht wurden die Härte und die Schichtdicke erfasst und ausgewertet. Die Schichtdicke wurde an jedem Prüfkörper für jede Temperaturmessstelle an zehn Messstellen erfasst. Somit wurden pro Prüfkörper 30 Schichtdickenwerte gemessen und ausgewertet. Anschließend erfolgte für jede Prüfkörpervariante eine Mittelung der erfassten Schichtdicken. Dadurch konnte festgestellt werden, dass mit allen Parametereinstellungen die festgelegte Schichtdicke von 40 µm erreicht wurde.

Um einen eventuellen Einfluss der erfassten Temperaturen an der Grenzfläche Aluminium/Aluminiumoxid auf die Schichthärte feststellen zu können, wurde zudem die Härte der Eloxalschichten erfasst und ausgewertet. Dies erfolgte, wie in Abbildung 4 dargestellt, mittels eines Härtegradienten mit HV0,005. Die Positionsnummern 1 bis 5 beschreiben, welcher Härtewert an welcher Position im Härtegradienten erreicht wurde.

Abb. 4: Schematische Darstellung der Härtemessung mittels Härtegradienten, wobei auf ausreichenden Abstand zwischen Messstellen und Schichtrand geachtet wurde

 

Die für die Hartanodisierversuche ausgewählte Aluminiumlegierung AlMgSi1 muss nach ISO 10074 eine Mindesthärte­ von 400 HV aufweisen [6], da sonst die Spezifikationen für eine Hartanodisierschicht nicht eingehalten werden. Bei jedem einzelnen Prüfkörper wurde ein Härtegradient pro Temperaturmessstelle erfasst; es wurden somit drei Härtegradienten pro Prüfkörper bestimmt. Die erfassten Härtewerte wurden anschließend für jede Positionsnummer pro Prüfkörpervariante gemittelt. Abschließend erfolgte eine gesamte Mittelung dieser einzelnen Härtewerte für jede Prüfkörpervariante.

5 Ergebnisse und Diskussion

Die Qualität einer Eloxalschicht wird nicht nur anhand der Schichthärte bemessen, sondern auch nach der Änderung der Härte innerhalb der Schicht. Demzufolge sollte eine Harteloxalschicht einen möglichst gleichmäßigen Verlauf der Schichthärte aufweisen. Die Härteverteilung innerhalb der erzeugten Eloxalschichten ist exemplarisch für eine Stromdichte von 3 A/dm² mit Lufteinblasung in Abbildung 5 dargestellt. Dabei wird vor allem eine hohe Ungleichmäßigkeit innerhalb der Schicht bei der Elektrolyttemperatur T3 deutlich. Hinzu kommt die Nichteinhaltung der Schichthärtegrenze von 400 HV im oberflächennahen Schichtbereich aufgrund der hohen Aggressivität des Elektrolyten (Härtemessposition 1 und 2). Es wird deutlich, dass der Härtegradient innerhalb der Schicht bei der Elektrolyttemperatur T3 deutlich steiler und ungleichmäßiger verläuft, als bei der Elektrolyttemperatur von 0 °C und T2 (Abb. 5).

Abb. 5: Schichthärteverlauf innerhalb der Eloxalschicht bei einer Stromdichte von 3 A/dm² mit Luft­einblasung

 

Als wichtigstes Ergebnis ist festzuhalten, dass nicht nur mit der üblichen Praxistemperatur von 0 °C, sondern auch mit einer höheren Temperatur die nach Spezifikation geforderten Härtewerte erreicht werden konnten. Weiterhin zeigen die Messwerte, dass bei höherer Temperatur die geforderte Härte innerhalb der Schicht durchgehend erhalten bleibt, während bei 0 °C die steigende Schichttemperatur (Abb. 6) die Härte im oberflächennahen Schichtbereich negativ beeinflusst. Hiermit ergibt sich die Möglichkeit, dass bei höherer Elek­trolyttemperatur auch dickere Schichten mit gleichbleibender Härte und damit ­erhöhtem Verschleißwiderstand erzeugt werden können.

Abb. 6: Verlauf von Spannung und Temperatur an der Grenzfläche Aluminium/Aluminiumoxid beim Hart­anodisieren mit Lufteinblasung und einer Stromstärke von 3 A/dm² über die Expositionsdauer

 

Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen und Auswertungen wurde deshalb das Potential für eine mögliche Energieeinsparung hinsichtlich der erfassten Temperaturen beim Hartanodisieren analysiert. Dazu wurden über den gesamten Hartanodisationsprozess, neben den Temperaturen an der Grenzfläche Aluminium/Aluminiumoxid bei jedem Prüfkörper auch die vorherrschenden Spannungen prozessbegleitend erfasst. Der Spannungsverlauf während der Schichtbildung spielt eine sehr große Rolle, da das Hartanodisieren ein dynamischer Prozess ist. Die erfassten Spannungsverläufe und die gemessenen Temperaturen am Übergang Aluminium/Aluminiumoxid während des Hartanodisationsprozesses sind, exemplarisch bei einer Stromstärke von 3 A/dm² (mit Lufteinblasung) in Abbildung 6 dargestellt.

Mit zunehmender Expositionsdauer nimmt die Schichtdicke zu und damit einhergehend der Widerstand der Schicht. Aus diesem Grund steigt die Spannung aufgrund des anwachsenden Widerstandes, nach dem Ohmschen Gesetz (U = R · I) , mit fortschreitender Expositionsdauer an (Abb. 6).

Grundsätzlich zeigen die Spannungsverläufe aus Abbildung 6, dass mit zunehmender Elektrolyttemperatur eine niedrigere Spannung anliegt und folglich weniger Energie in Form von Joulescher Wärme in das Bauteil eingebracht wird. Mithilfe der erfassten Spannungsverläufe konnte nach Gleichung <1> die eingetragene Energie, bezogen auf eine Schichtdicke von 40 µm, über die gesamte Expositionsdauer für jeden Hartanodisierversuch berechnet werden. Die Ergebnisse sind in Abbildung 7 ­zusammengestellt.

Abb. 7: Energieeinsparpotential beim Hartanodisationsprozess in Abhängigkeit von der Elektrolyttemperatur

 

Zusammenfassend ergeben sich zwei Ansatzpunkte zur Energieeinsparung beim Prozess der Hartanodisation:

  • Bei einer höheren Elektrolyttemperatur muss weniger Energie aufgewendet werden, um den Elektrolyten auf die Temperatur abzukühlen und konstant zu halten
  • Bei einer höheren Elektrolyttemperatur wird aufgrund der geringeren Spannung weniger Joulesche Wärme eingebracht (Abb. 6)

Abbildung 7 verdeutlicht das erhebliche Energieeinsparpotential, das sich durch eine höhere Elektrolyttemperatur ergibt. Dabei zeigte sich das größte Potential im Labormaßstab zwischen den Elektrolyttemperaturen von 0 °C und T2. Die eingetragene Energie war bei der Elektrolyttemperatur T2 um bis zu 40 % geringer als bei einer Elektrolyttemperatur von 0 °C mit den gleichen Rahmenbedingungen und ­Parametern. Mit der Elektrolyttemperatur T3 wurden Energieeinsparungen von bis zu 54 %, gegenüber der Elektrolyttemperatur von 0 °C, erreicht. Jedoch zeigte sich durch die vorherige Auswertung der Schichthärte (Abb. 5), dass bei der Elektrolyttemperatur T3 die geforderten Schichteigenschaften einer Hartanodisierschicht hinsichtlich der Härte und deren Gleichmäßigkeit innerhalb der Schicht nicht erfüllt wurden.

6 Zusammenfassung

Da das Hartanodisieren ein sehr energie­intensives Verfahren ist, besteht hier großes Potential für eine energetische Prozessoptimierung. Um den Hartanodisationsprozess hinsichtlich seiner Energie­einsparmöglichkeiten untersuchen zu können, wurde am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung ein Messaufbau entwickelt, der eine Temperaturaufzeichnung dicht am Übergang Aluminium/Aluminiumoxid während der Beschichtung unter praxisnahen Parametern erlaubt. An Hartanodisierschichten auf AlMgSi1 mit einer Dicke von 40 µm wurde nachgewiesen, dass ein Energieeinsparungspotential von 30 % bis 40 % möglich ist, ohne dabei die geforderten Schicht­eigenschaften negativ zu beeinflussen. Derzeit sind weitere Arbeiten in Planung, um diese sehr guten Ergebnisse im 60-Liter-Maßstab zu verifizieren. An den zu erwartenden Erkenntnissen kann abgeleitet werden, wie sich die Ergebnisse in die Praxis übertragen lassen.

Literatur

[1] T. Aerts, T. Dimogerontakis, I. De Graeve, J. Fransaer, H. Terryn: Influence of the anodizing temperature on the porosity and the mechanical properties of the porous anodic oxide film (online); Surface and Coatings Technology, (2007) 201(16–17), 7310–7317; ISSN 02578972 (Zugriff am: 10. Oktober 2014); verfügbar unter: doi:10.1016/j.surfcoat.2007.01.044

[2] T. Aerts, T., J.-B. Jorcin, I. De Graeve, H. Terryn: 2010: Comparison between the influence of applied electrode and electrolyte temperatures on porous anodizing of aluminium [online]; Electrochimica Acta, (2010) 55(12), 3957–3965; ISSN 0013-4686 (Zugriff am: 7. Oktober 2014); verfügbar unter: doi:10.1016/j.
electacta.2010.02.044

[3] P. Chowdhury, A. N. Thomas, M. Sharma, H. C. Barshilia: An approach for in situ measurement of anode temperature during the growth of self-ordered nanoporous anodic alumina thin films: Influence of Joule heating on pore microstructure (online); Electrochimica Acta, (2014) 115, 657–664; ISSN 0013-4686 (Zugriff am: 25. November 2014); verfügbar unter: doi:10.1016/j.electacta.2013.10.178

[4] B. Gaida: Technologie der Galvanotechnik; 2. Aufl., Bad Saulgau, Leuze Verlag; Lehrbuch­reihe Galvanotechnik, (2008); ISBN 978-3-87480-240-6

[5] I. De Graeve, H. Terryn, G. E. Thompson: Influence of heat transfer on anodic oxidation of aluminium (online); Journal of Applied Electrochemistry, (2002) 32(1), 73–83; ISSN 0021891X (ISSN); verfügbar unter: doi:10.1023/A:1014229828442

[6] ISO 10074, Anodizing of aluminium and its alloys – Specification for hard anodic oxidation coatings on aluminium and its alloys

[7] T. W. Jelinek: Oberflächenbehandlung von Aluminium; mit 159 Tabellen; Saulgau/Württ., Leuze Verlag, (1997); ISBN 9783874801157

[8] A. D. Juhl: Pulse Anodising of Extruded and Cast Aluminium Alloys; PhD Thesis, Lyngby (1999)

[9] H. Salmang, H. Scholze, R. Telle: Keramik (German Edition); 7. vollständig überarbeitete Auflage (2007); Dordrecht: Springer-Verlag Berlin, Heidelberg; ISBN 3540494693

[10] M. Schneider, C. Lämmel, C. Heubner, A. Michaelis: In situ temperature measurement on the metal/oxide/electrolyte interface during the anodizing of aluminum (online); Materials and Corrosion, (2013) 64(1), 60–68; ISSN 09475117 (Zugriff am: 25. November 2014); verfügbar unter: doi:10.1002/maco.201106129

DOI:  10.7395/2015/Koelle02 

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