Trendmonitor Oberflächentechnologie

Oberflächen 21. 07. 2015

Von Dr. Uwe König und Herbert Käszmann

Die Oberflächentechnologie ist als Querschnittstechnologie in vielen Bereichen der modernen Produktion zu finden. Dadurch sind hier entsprechend der jeweiligen Anforderungen Anpassungen oder Entwicklungen zur Erfüllung der jeweiligen Produkteigenschaften ­gefragt. Zudem müssen die Verfahren oftmals den Ansprüchen im Hinblick auf eine hohe Wirtschaftlichkeit, Energie- und Materialeinsparungen oder in jüngster Zeit verstärkt den gesetzlichen Vorgaben zum Arbeits- und Umweltschutz entsprechen. Dies macht es notwendig, die überwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen durchgeführte Oberflächenbehandlung bezüglich von Entwicklungsthemen zu koordinieren und beispielsweise Netzwerke zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu bilden. Der „Trendmonitor Oberflächentechnologie“ wird in loser Folge aktuelle Themen herausarbeiten und diese zur Diskussion stellen.

Monitoring Trends in Surface Finishing Technology

Surface Finishing technology plays an important role across almost the entire spectrum of manufacturing industry. It follows that there is a demand for information as to the most appropriate processes for particular requirements as well as knowledge of recent developments. In addition, processes being used must be highly cost-effective in terms of their energy requirement and the efficient use of materials. Lastly, especially in more recent times, all operations must comply with legal requirements in terms of environmental impact and health and safety considerations. Such demands, especially for SMEs, carrying out surface treatment operations, can be met by coordination in terms of recent developments and the establishment of networks for sharing research and development information.

1 Erläuterung und Zielsetzung

Die Industrie in Deutschland und Europa ist immer stärker davon geprägt, über einen hohen Grad an technologischer Entwicklung einen Marktvorsprung zu sichern. Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen sind hier auf eine kooperative Vorgehensweise angewiesen, beispielsweise um Fördermittel für F&E zu kennen und in Anspruch nehmen zu können, aber auch, um die umfassenden, personal- und technologieintensiven Entwicklungsarbeiten überhaupt im erforderlichen Maße durchführen zu können. Die gilt insbesondere auch in Deutschland vor dem Hintergrund, dass deutsche Unternehmen früheren Untersuchungen zufolge in einigen wichtigen Feldern nur in geringem Umfang die verfügbaren Fördermittel nutzen [1].

Aufgrund der Intensivierung der technologischen Entwicklungen besteht der Bedarf, die wichtigen technologischen Themen verstärkt aufzuzeigen und in die Forschungsstrategien des Bundeswissenschafts- und Bundeswirtschaftsministeriums und auch der EU einzubringen.

Derartige Betrachtungen von absehbaren­ oder erforderlichen Entwicklungs- oder Produktionstrends sind wichtige Instrumente der Unternehmensplanung. Dies zeigt sich derzeit beispielsweise in der Oberflächentechnik bei den Passivierungen auf Zink und Zinklegierungen, die sich einerseits zur Erfüllung der sich ändernden Korrosionsanforderungen und andererseits durch die erzwungenen Anpassungen infolge der Bestimmungen durch REACh, beispielsweise in Bezug auf Kobaltverbindungen, ergeben. Ebenso geben die Trends in der Fahrzeugherstellung durch den vermehrten Einsatz von Leichtbauwerkstoffen Hinweise darauf, welche Beschichtungen oder Oberflächenbehandlungen erforderlich sind oder noch entwickelt werden müssen.

Nachfolgend werden Trends auf Basis einer Umfrage unter Fachleuten aus der Industrie und Forschung im entsprechenden Kontext dargestellt. Dabei ergeben sich erwartungsgemäß unterschiedliche Aspekte­ zwischen den Einschätzungen aus dem universitären, eher grundlagenorientierten Bereich und denen aus der Industrie. Darüber hinaus zeigt es sich, dass Entwicklungen zunehmend von Unternehmen anzuregen, zu begleiten oder auch durchzuführen sind. Derartige Aktivitäten haben Signalwirkung bei den Kunden und zeigen, dass die Unternehmen in Deutschland und Europa auch zukünftig stark daran arbeiten, ein verläss­licher Partner bei der Weiterentwicklung zukunftsfähiger Produkte zu bleiben.

2 Anforderungen – was erwartet wird

2.1 Herausforderung Stückzahl

Aufgabe der Oberflächentechnologien war und ist es, vorhandene Eigenschaften von Werkstoffen zu verbessern und den Werkstoffen zusätzliche Eigenschaften zu verleihen. Hierbei standen bisher vor allem die Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit sowie die Erhöhung der Härte oder der Verschleißbeständigkeit im Vordergrund, gefolgt von Aspekten wie Glanz, der sowohl dekorativen als auch funktionellen Anforderungen nachkommt. In Europa wurden dazu Verfahren entwickelt, die im Bereich der Galvanotechnik vor allem auf kostengünstige, hohe Durchsätze ausgerichtet waren, eine der besonderen Vorzüge der Galvanotechnik. Bei den physikalischen Verfahren mit Vakuumtechnik sowie durch die verschiedenen Varianten des thermischen Spritzens rückten dagegen eher hohe Härten und Verschleißfestigkeit in den Blickpunkt. Im Falle der Vakuumtechniken findet die Oberflächenbehandlung ­bevorzugt bei kleinen und für das thermische Spritzen bevorzugt bei rotationssymmetrischen Bauteilen Anwendung.

Die Anteile der verschiedenen Beschichtungsverfahren im Jahr 2014 in Deutschland sind nach den Zahlen des statistischen Bundesamtes in Abbildung 1 dargestellt. Die Verteilung ist seit 2000 etwa gleich geblieben. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass der erfasste Gesamtumsatz der Beschichtungsindustrie zwischen 2004 und 2014 von 4,4 Milliarden Euro auf 7,1 Milliarden Euro gestiegen ist – dies dokumentiert die Bedeutung der Gesamtbranche [2, 3].

Abb. 1: Verteilung des Umsatzes nach Verfahren in 2014 [1, 2]

Inzwischen zeichnet sich für Deutschland und Europa ab, dass die Oberflächentechnik zunehmend den Bedarf nach Spezialanwendungen abdecken wird, während die Bearbeitung großer Stückzahlen in Regionen mit geringeren Lohnkosten durchgeführt wird. Dadurch spaltet sich das Angebot für Verfahren der Oberflächentechnik zunehmend auf. Zur Erfüllung dieser Anforderungen werden die bestehenden Verfahren eigenschaftsspezifisch modifiziert sowie bisher kaum verwendete Werkstoffe eingesetzt.

Die Beschichtungsunternehmen benötigen zur Anpassung an die veränderten Stückzahlen insbesondere eine veränderte­ Anlagentechnologie. Gleichzeitig fällt ihnen zunehmend die Modifikation der Behandlungslösung zu, da Kleinmengen für die Chemie- und Verfahrensentwickler aus wirtschaftlichen Gründen nur bedingt in Betracht kommen.

2.2 Effizienz und Wertschöpfung

Ansätze aus der Industrie bestehen beispielsweise in der Optimierung von betrieblichen Wertschöpfungsketten mit Oberflächenveredelungsanteil im Hinblick auf technologische Leistung, ökonomische Effizienz und Ressourceneffizienz. Dabei erfolgt die Optimierung der Technologien zur Oberflächenveredelung mit Blick auf effiziente Einzelteil- und Kleinserienfertigung, wie sie beispielsweise für die Herstellung von hochwertigen Anlagen, Geräten und Maschinen oder auch die Fertigung von Prototypen erforderlich ist.

Schon deutlich seltener werden komplette­ Wertschöpfungsketten über den einzelnen Betrieb hinaus betrachtet. Deshalb zielen aktuelle Ansätze zur Erhöhung der Prozess- und Produkteffizienz in diese Richtung. Hier wird eine verbesserte Energieeffizienz von Verarbeitungsprozessen, die Substitution von teuren beziehungsweise seltenen Werkstoffen durch Schutzschichten oder der Einsatz von neuen Werkstoffverbunden angestrebt. Unterstützt werden diese Ansätze der Beschichtungsunternehmen und Verfahrenslieferanten durch neue und verbesserte Methoden zur Steuerung der Prozesse sowie zur Kontrolle und Vermessung der erzielten Beschichtungen und Oberflächenbehandlungen.

2.3 Oberflächentechnik für die Energiewende

Im Bereich der Energiespeicherung und der Energieumwandlung werden durch die Herstellung von Oberflächen und Beschichtungen mit relevanten Elementen wie Tantal, Niob, Titan, Silizium oder Aluminium sowie Kombinationen solcher Elemente Verbesserungen erwartet. Zu den auf universitärer Ebene durchgeführten Arbeiten kommen zunehmend gezielte Vorüberlegungen theoretischer Basis, die zum Teil auch bei der Entwicklung von Schichten für eine bessere Energieeffizienz Anwendung finden (neben Verbesserungen technologischer Art). So kann durch den Einsatz von numerischer Simulation von elektrochemischen Prozessen die Effizienz von galvanischen und chemischen Abscheideversuchen deutlich erhöht werden. Die Verfahren helfen darüber hinaus bei der Verbesserung der zukunftsträchtigen Systeme zur Herstellung von Dispersionsschichten, mit denen sowohl die Eigenschaften der Oberflächen in einem weiten Bereich modifiziert, angepasst oder erweitert und gleichzeitig sehr materialsparend gearbeitet werden kann. Damit wird ein interessanter Schritt in Richtung einer sogenannten intelligenten Oberfläche unternommen.

Trotz guter Fortschritte ist mit einer breiten Nutzung von Simulations- und Modellierungsverfahren aber absehbar nicht zu rechen. Derzeit sind hierbei vor allem Einrichtungen der Forschung und Entwicklung tätig; auch größere Betriebe setzen diese ein, um spezielle Prozesse zu optimieren. Im Bereich der klassischen Dienstleistung in der Industrie werden nur vereinzelt Simulationen für besondere Einsatzfälle wie der Innenbeschichtung von Motorzylindern eingesetzt. Ein industrieller Einsatz der Verfahren in der Energiespeicherung und Energieumwandlung ist derzeit noch nicht erkennbar.

Noch nicht befriedigend gelöst ist die Verbindung von faserverstärkten Kunststoffen mit Metall. Der zunehmende Einsatz von CFK im Fahrzeugbau im Zuge der Energieeinsparung erfordert auch die Herstellung von elektrisch leitenden und dekorativen Oberflächen, die unter Einsatz von Metallen zu erfüllen ist. Zwar wären hier Lösungen mittels vakuumtechnischer Verfahren aus technischen Gründen durchaus möglich, allerdings bietet die Galvanotechnik Vorteile bei der Beschichtung von großflächigen Teilen in höheren Stückzahlen.

2.4 Anpassung konventioneller Verfahren

Bei den klassischen Beschichtungsmaterialen ist es vor allem die Verwendung von Chrom, das die oberflächentechnische Industrie zur Anpassung anregt. Nachdem die Abscheidung aus sechswertigen Elektrolyten nicht mehr ohne Einschränkungen betrieben werden sollte, müssen Alternativen auf Basis von Elektrolyten mit dreiwertigem Chrom insbesondere für funktionelle Anwendungen entwickelt beziehungsweise­ weiterentwickelt werden. Dabei stehen ­besonders eine Steigerung der Schicht­härte und der erzielbaren Schichtdicke im Mittelpunkt. Bei dekorativen Schichten aus Chrom(III)elektrolyten wird an einer Verbesserung der Farbkonstanz gearbeitet. Vor allem die Beschichtungsunternehmen sind auf entsprechende Weiterentwicklungen zur Sicherung des Unternehmens­bestandes angewiesen.

Bereits seit einigen Jahren ist der Ansatz zu beobachten, dass die unterschiedlichen Arten der Oberflächenbehandlung und Beschichtung entsprechend ihren besonderen Vorzügen kombiniert werden. Daraus ergeben sich zum Teil deutlich bessere Eigenschaften in der Anwendung sowie neue Einsatzmöglichkeiten. Allerdings besteht hierbei die zusätzliche Herausforderung, den höheren Aufwand durch die unterschiedlichen Technologien, beispielsweise aus der Kombination von Galvanotechnik und physikalischer Beschichtung im Vakuum, in den Griff zu bekommen. Existierende Parallelverfahren zur Erzeugung, wie sie zum Beispiel aus der Halbleitertechnologie zur Herstellung von Schaltbildern bekannt sind, werden zunehmend einem kritischen technologischen Vergleich unterzogen, um die optimalen Verfahren für eine spezifische Anwendung zu ermitteln.

Im Bereich der PVD- oder PACVD-Technologien (z. B. unter Anwendung von Magnetronsputterverfahren) wird beispielsweise für Einsätze in der Medizintechnik an die Herstellung von Schichten zur elektrischen Isolation, dem Korrosionsschutz oder der Biokompatibilität für die Verkapselung von intelligenten Implantaten gearbeitet. Hier kommt insbesondere der Vorteil zum Tragen, auch innerhalb des Herstellprozesses auf jede Art von Stoffen verzichten zu können, die in irgendeiner Art und Weise als kritisch in Bezug auf eine biologische Schädigung angesehen werden. Entsprechende Entwicklungsarbeiten werden vor allem in der Medizintechnik sowohl von Hochschulen als auch von Instituten und Anlagenentwicklern betrieben.

3 Trends, kritisch betrachtet

3.1 Nanotechnologien

Der Ausstieg aus der Kernenergie, der in besonderem Maße von Deutschland vorangetrieben wird, hat das fehlende Potenzial an Speichermöglichkeiten für elektrische Energie zu einem breit diskutierten Thema werden lassen. Unterstützt wird die Diskussion durch den Bedarf an kostengünstigen und effektiven elektrischen Speichern für Fahrzeuge. Die Oberflächentechnik ist hier vor allem bei der Herstellung von Elektroden gefragt, die eine große Oberfläche besitzen und eine hohe Beständigkeit in den verwendeten Elektrolyten aufweisen. Derartige Elektroden könnten auch in den SuperCaps (Kondensatoren, die hohe Ladungen speichern können) Anwendung finden, die ebenfalls im Zuge der neuen Verfahren zur Energiespeicherung zur Marktreife entwickelt werden. Hier spielen beispielsweise Kohlenstoff­nanoröhren (Carbon Nano Tubes – CNT) eine wichtige Rolle, aber auch Metalle wie Zirkon oder Tantal.

Die Nanotechnologie musste sich in den letzten Jahren aufgrund der Tatsache, dass die von Nanopartikeln ausgehenden Gefahren für die Gesundheit von Menschen nach wie vor ungeklärt sind, bereits in der Grundlagenentwicklung, getrieben durch die restriktiven Ansätze der Gesetzgebung, einer immer kritischeren Diskussion unterziehen. In der Oberflächentechnik werden einerseits in verschiedenen Verfahren Nanopartikel beispielsweise zur Veränderung der Schichteigenschaften bereits eingesetzt, deren Einsatz wird aber auch für neue Schichtsysteme untersucht. Hier ist vor allem im Hinblick auf die Gefährdung von Mensch und Umwelt und auch daraus resultierende, eventuelle Regressansprüche frühzeitig an der Klärung der Gefahrenpotenziale zu arbeiten.

3.2 Leichtbauwerkstoffe und Recycling

Ebenfalls im Zuge der Einsparung von Treibstoffen wird verstärkt am Einsatz von Leichtbauwerkstoffen gearbeitet. Darunter­ sind einmal die Leichtmetalle wie Aluminium, Magnesium und Titan zu verstehen,­ aber auch die kohlefaserverstärkten Kunststoffe. Auf der anderen Seite gelingt es aber auch, die Eigenschaften von höher- und höchstfesten Stählen laufend zu verbessern. Dadurch können Bauteildimensionen reduziert und somit das Gewicht der Bauteile soweit gesenkt werden, dass die Eigenschaften der Teile denen der Leichtmetalle gleichkommen. Da die unterschiedlichen Werkstoffe in der Regel zu einem gemeinsamen Endprodukt verbaut werden müssen, steht die Oberflächentechnik vor der Aufgabe, sowohl Schutzschichten gegen galvanische Korrosion (Kontaktkorrosion) als auch zur Erfüllung von schweiß- oder lötfähigen Verbindungen zu entwickeln. Bei den faserverstärkten Kunststoffen wird ­diese Aufgabe durch die Forderung nach elektrisch leitenden sowie dekorativen Oberflächen erweitert.

Nach wie vor ist die Weiterentwicklung von umfangreichen Recyclingsystemen gefragt, ebenso wie Technologien zu einem ressourceneffizienten Einsatz von Wertstoffen und Energie. Dies macht sich beim Einsatz von Leichtbauwerkstoffen bereits deutlich bemerkbar. Aluminium und Magnesium gelangen dabei direkt als Metalle in den Kreislauf zurück, während bei den CFKs derzeit vor allem die energetische Verwertung im Vordergrund steht. Untersucht werden soll sowohl auf Initiative der Industrie als auch der Grundlagenentwicklung eine Wiederverwendung der eingesetzten Rohstoffe. Dabei stellt die Betrachtung der Wirkung verwendeter Fasern im Hinblick auf die gesundheitlichen Auswirkungen einen wichtigen Aspekt dar.

3.3 Sensoren

In nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens wird über eine umfangreiche Erfassung von Funktionszuständen der genutzten Einrichtungen und Geräte disku­tiert. Da die Sensoren dazu sehr geringe Abmaße aufweisen sollten, ist deren Integration in vorhandene Schichtsysteme naheliegend. Als Ansatz bieten sich sowohl galvanische als auch physikalische Beschichtungssysteme an, die über eine entsprechende Strukturierung oder Kombination mit halbleitenden Metallen erzeugt werden könnten.

4 Funktionalitäten als primärer Aspekt für Entwicklungen

Der Schwerpunkt der Aufgaben zukünftiger Oberflächen beziehungsweise der Oberflächentechnik liegt in der Erzeugung von Funktionalitäten. Damit wird der allgemeine Trend in der Werkstoffentwicklung sowie der Werkstoffverarbeitung unterstützt, die Eigenschaften eines Gesamtsystems in den Vordergrund zu rücken [4]. Dies kann wie im Falle des Lotus-Effekts durch eine bei der Schichtherstellung eingebrachte Mikrostruktur erfolgen. Dies kann aber auch durch eine Kombination von Material- mit Struktureigenschaften erreicht werden. Entwickelt werden hier beispielsweise die Kombination von Beschichtungen mit höchstem Potenzial an Korrosions- und Verschleißschutz, aber auch Eigenschaften wie Selbstreinigungseffekte. Ein modernes Verfahren zur Erzeugung solcher Schichten aus verschiedenen Werkstoffen könnte dafür einen Elektrolyten einsetzen, der zu sogenannten Gradientenschichten, das heißt Schichten mit kontinuierlich veränderlichen­ Zusammensetzungen, führt.

Die Aufgabenstellung der Multifunktionalität ergibt sich auch bei den Forderungen nach Sensorsystemen, wie sie bereits angesprochen wurden, die mit klassischen Systemen als Schutz beispielsweise gegen Verschleiß oder Korrosion verknüpft werden könnten. Ein weiterer Ansatz geht auf die Nutzung von Fassadenflächen zur Reinigung von Regenwasser unter Einsatz von fotokatalytischen Oberflächen.

5 Technologieverbesserung – Anregungen und Herausforderungen

Die Suche nach neuen Speichermöglichkeiten für elektrische Energie haben die nachteilige Entwicklung der letzten Jahrzehnte auf dem Gebiet der Grundlagenforschung in Elektrochemie sichtbar gemacht. Hier besteht ein erheblicher Nachholbedarf, um die jetzt erkennbaren Defizite zur Herstellung von zukunftsträchtigen Speichern, beispielsweise für eine wesentlich schnellere Aufladung oder eine höhere Ladekapazität, bewältigen zu können. Diese Aufgaben stehen in Einklang mit den bereits vor einigen Jahren aufgezeigten Bemühungen, die Chemie und chemischen Technologien als eines der wichtigsten Gebiete der innovativen Materialforschung zu sehen und vor allem weiter zu stärken [5].

Eine Lösung kann beispielsweise im Auflegen von themenspezifischen Förderprogrammen für die Oberflächentechnik liegen: Ein gutes Beispiel für den Erfolg einer derartigen thematischen Fokussierung mit positiven Ergebnissen war die BMBF-Ausschreibung Innovative Elektrochemie. Darüber hinaus trägt die Interaktion von Forschungsinstitutionen und der Industrie, insbesondere der für Deutschland wichtigen kleinen und mittleren Unternehmen, auf vorwettbewerblicher Basis erheblich zum Erfolg bei, besonders im Hinblick auf einen langfristigen technologischen Vorsprung Europas auf dem Weltmarkt.

Ebenso wichtig ist die Nutzung themenoffe­ner Programme wie dem ZIM-Programm des Bundeswirtschaftsministeriums. Europäische Strukturen, wie das aktuelle Programm Horizon2020 oder das themenoffene Netzwerk EUREKA, sind hier ebenso als Fördermöglichkeiten zu erwähnen.

Unterstützt werden derartige Aktivitäten durch Netzwerke wie REOnet oder WeGaNet, die bei der stärkeren Einbindung von kleinen und mittelständischen Unternehmen auf eine intensive Zusammenarbeit der Partner und vor allem auf eine umfangreiche technische und administrative Unterstützung achten müssen. Durch diese Vorgehensweise ist häufig eine schnellere Umsetzung von der Entwicklung in die Praxis zu erwarten, da die Entscheidungswege in kleinen Unternehmen deutlich kürzer als in Großunternehmen sind. Die Effizienz von Fördermitteln kann und soll hierbei durch eine Evaluierung von Forschungsprojekten­ überprüft werden. Dies schließt eine aussagekräftige Information über den Einsatz und die Ergebnisse der Verwendung von Fördermitteln ein, wodurch die Transparenz bei Förderentscheidungen zu Forschungsprojekten erhöht wird und so die Neigung zur Teilnahme an Projekten wachsen wird.

Um die Forschung in den verschiedenen Bereichen der Oberflächentechnik intensivieren zu können, sollten die Ressourcen für eine qualifizierte Ausbildung im Hochschulbereich verbessert werden. Hier sind sowohl aus dem Ausbildungsbereich aber auch seitens der Unternehmen deutliche Defizite festzustellen, die es auszumerzen gilt. Allerdings erfordert dies in der Regel auch ein verstärktes Engagement der produzierenden Industrie.

Erfreulicherweise bestehen hier viele Ideen, die auch bereits in der Umsetzung sind. Stiftungsprofessuren durch industrielle Partner sind hier ebenso zu nennen wie die Excellenzinitiativen. Und auch die Tatsache, dass Universitäten zukünftig direkt vom Bund strukturell finanziert werden können, ist ein wichtiger Schritt.

6 Sicherung des Marktes

Die derzeitigen politischen Unsicherheiten in Osteuropa und die anhaltende Finanzschwäche einiger EU-Mitglieder führen in zunehmendem Maße zur Verunsicherung der Unternehmen in Deutschland und Zentraleuropa. Die Geschäftsaussichten der Unternehmen im Bereich der Oberflächentechnik sind nach wie vor gut – bewertet an der hohen Auslastung der Produktion. Damit bestätigt sich die von der IKB 2009 veröffentlichte Abschätzung [6], dass die Oberflächentechnik ein hohes Wachstums­potenzial besitzt.

Bereits erwähnt wurde, dass der Gesamtumsatz der Beschichtungsindustrie zwischen 2004 und 2014 von 4,4 auf 7,1 Milliarden Euro gestiegen ist und die Zahl der vom statistischen Bundesamt erfassten Betriebe sich von 1074 (2004) auf 1314 erhöht hat. Hinzu kommen die Kleinbetriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern, die bekannterweise nicht erfasst werden.

Allerdings macht sich bei längerfristiger Bewertung eine zunehmende Unsicherheit bemerkbar, was zu einer Reduzierung der Investitionsneigung führen wird. Dazu trägt das nach wie vor latent vorhandene Manko der Unternehmensnachfolge bei – es fehlen in Deutschland Fachleute in Führungsebenen und mit Mut zum unternehmerischen Risiko.

Insbesondere haben aber die Entwicklungen durch die europäische Chemikalienpolitik REACh die langfristigen Marktaussichten der überwiegend kleinen und mittleren Unternehmen in der Galvanotechnik deutlich erschwert. Es sind aber weniger die technischen Bedingungen als die Unsicherheit beim Umgang mit den bürokratischen Hürden und den rechtlichen Bedingungen, durch welche Schwierigkeiten entstehen.

Zu beobachten ist eine hohe Tendenz zum Aufbau von Produktionskapazitäten in Asien und insbesondere in Fernost, angeregt durch die Großunternehmen, die qualifiziert Zulieferer in der Umgebung ihrer Produktionsstätten für nötig halten. Allerdings ist auch zu beobachten, dass viele Betriebe wieder in den europäischen Wirtschaftsraum zurückkehren und sogar Betriebe aus Fernost Kooperationen mit deutschen ­beziehungsweise europäischen Betrieben suchen.

Dies steht im Widerspruch zur Ansicht von Fachleuten, dass die Oberflächentechnik und ihre Wertschöpfungsketten in den kommenden Jahren Umsatz verlieren könnten. Sicher wird dies, wie in anderen Bereichen auch, die Massenproduktion betreffen. Dagegen ist aufgrund der Zahlen des statistischen Bundesamtes der letzten zehn Jahre auch zu erwarten, dass der Bereich der Hoch-Qualität in Europa verbleiben wird. Bedingung ist aber eine deutlich intensivierte Entwicklungsarbeit von Forschung und Betrieben.

7 Umweltschutz im Blickpunkt

Die vorwiegend kleinen und mittleren Unternehmen der Oberflächentechnik haben sich auf der Basis ihres hohen technischen Standes auch weiterhin eine Verbesserung des Arbeits- und Umweltschutzes in die Agenda geschrieben. Hier kann beispielsweise das urban mining in Verbindung mit Verfahren zur Rohstoffrückgewinnung genannt werden. Die oft als kritisch betrachtete abwasserfreie Galvanotechnik zählt ebenso zu den Themen – hier weichen die eher positiven Einschätzungen aus der Grundlagenentwicklung von den vor allem­ betriebswirtschaftlich motivierten Einschätzungen der Unternehmen deutlich ab. Darüber hinaus werden neue Verfahren entstehen müssen, da gefährliche Produkte und Verfahren stärker reguliert, reglementiert oder sogar ganz verboten werden. Hierzu zählt auch die vor einigen Jahren stark geförderte und jetzt in kritischer Diskussion befindliche Nanotechnologie mit allen Varianten für den Einsatz von nanotechnologischen Produkten.

Neben REACh machen sich im Bereich des Umweltschutzes zunehmende Zertifizierungsaktivitäten der Unternehmen und Kundenforderungen bezüglich der umweltrelevanten Normen (zum Beispiel ISO 50001 oder ISO 14001) bemerkbar. Energie einzusparen und die Verwendung von kritischen Stoffen mit weiterer Verschlechterung der globalen Klimaverhältnisse einzuschränken werden auch weiterhin Themen des Umweltschutzes sein, mit steigender Tendenz.

Psychologisch kann die Furcht aus chemischer und technologischer Unkenntnis zu einem Bann beherrschbarer Technologien auch aus der Fertigung führen, wenn hier nicht ein Gegengewicht gefunden wird. Dies bedeutet für die produzierenden Unternehmen nicht nur einen Imageverlust, sondern einen steigenden Aufwand bei der Bestandssicherung der Unternehmen. Der Null-Risiko-Anspruch kann sich politisch weiter verstärken, bis wirtschaftliche Nachteile sichtbar und spürbar werden. Allerdings wird auch immer häufiger von der Notwendigkeit der Definition eines akzeptierten Risikos gesprochen.

Dieser Trend zeigt sich beispielsweise auch bereits darin, dass neue Leichtbaukonzepte­ durch den Materialmix unbedingt auch ­geschlossene Stoffkreisläufe (Recycling) ­erfordern. Zur Bewältigung dieser großen Herausforderung wird sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch der Industriebetriebe gearbeitet.

8 Recht und Gesetz

Dominiert werden alle Aspekte zu Recht und Gesetz derzeit durch die Chemikalienverordnung REACh. Dabei liegt nach Meinung der meisten Fachleute die Ursache für die nachteilige Situation der Oberflächentechnik vor allem darin, dass die Oberflächentechnik nicht in ihrer vollen Tragweite in der Gesellschaft, Politik, Presse oder bei den Behörden wahrgenommen wird. Die Unternehmen konnten nach eigener Einschätzung nach wie vor außerhalb der Branche nicht im notwendigen Maße vermitteln, dass insbesondere die Galvanotechnik eine energie-, umwelt- und ressourcenschonende Technologie ist.

9 Viele Ziele für eine vielfältige Technologie

Die Oberflächentechnologie ist eine Schlüsseltechnologie, die in nahezu allen Bereichen der Produktherstellung mehr oder weniger zum Einsatz kommt. Dabei war die erzielte Wertschöpfung bisher nur in den wenigsten Fällen erkannt worden. REACh und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Oberflächenbehandlung, beispielsweise beim Einsatz von Chrom oder Kobalt, bieten die Grundlage zur Änderung dieser Situation. Dazu ist es jedoch angeraten, die Entwicklungsarbeiten innerhalb des betroffenen Entwicklungs- und Industriebereichs zu koordinieren. Eine Begrenzung der zu bearbeitenden Themen und eine Einbeziehung der Interessen eines größeren Kreises an Unternehmen und Entwicklungseinrichtungen bietet in der Regel die Basis für eine Unterstützung der notwendigen Arbeiten durch staatliche Einrichtungen.

Kooperationen zur Entwicklung von neuen Beschichtungen, Funktionen aus Grundmaterial und Beschichtung oder effizienter Technologie werden bereits seit einigen Jahren betrieben. So waren in den letzten Jahren vor allem Projekte zur Verbesserung der Effizienz und Einsparung von Ressourcen gefördert worden, beispielsweise zur Ressourceneffizienz in der Lieferkette metallisch beschichteter Produkte, zum Energie- und Stoffstrommanagement für die Oberflächentechnik, zur Wärmerückgewinnung als Standard in der Hartverchromung oder zur Entwicklung von Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit für durchgängige Zertifizierungskonzepte von Oberflächenbeschichtungen [7]. Zudem stand als Reaktion auf REACh die Entwicklung von Chromschichten aus Chrom(III)elektrolyten auf dem Programm oder die Integration von aktiven Sensoren in metallisch beschichtete Bauteile zur Teilüberwachung im Lebenszyklus [7]; bereits mit Erfolg abgeschlossen wurde der Einbau von Markern in metallische Schichten zur Verschleiß-, Korrosions- und Echtheitskontrolle kritischer Bauteile und Produkte entlang der Lieferkette [7]. Ein weiteres Feld mit zahlreichen Ansätzen ist die Verbesserung der Qualität durch bessere Messverfahren oder der Aufbau von ­modularen Anlagentechnologien.

Mit dem umfangreichen Ziel zum Erreichen der Energiewende kommen auf die Oberflächentechnik Anforderungen zur Entwicklung von Anlagenteilen für die Energieumwandlung und Energiespeicherung zu. Aber auch der vermehrte Einsatz von Leichtbauwerkstoffen wie Aluminium, Magnesium oder CFK ist ohne eine neue Oberflächenbehandlung und -beschichtung nur schwer zu erreichen. Hier werden in den nächsten Jahren umfangreiche Arbeiten in der Grundlagenforschung und der anschließenden Umsetzung in die industrielle Praxis ­erforderlich sein.

Literatur

[1] U. König: Oberflächentechnik in der Europäischen Forschung; WOMag 8/2013; DOI: 10.7395/2013/Koenig2

[2] Statistisches Bundesamt, Fachserie 4, Reihe 3.1, 2013, Stand 04.07.2014, www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/IndustrieVerarbeitendesGewerbe/Konjunkturdaten/ProduktionJ2040310137004.pdf?__blob=publicationFile

[3] Statisches Bundesamt, Fachserie 4, Reihe 3.1, 2014, Stand 27. April 2015, www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/IndustrieVerarbeitendesGewerbe/Konjunkturdaten/ProduktionJ2040310147004.pdf?__blob=publicationFile)

[4] Nachrichten aus der Chemie 61 (2013) – Trendbericht

[5] www.bunsen_media/Downloads/Brosch%C3%BCren/PP_Materialforschung_web.pdf

[6] IKB Information Metallindustrie 2020, Juni 2009

[7] Information der eiffo eG zu Arbeiten im Rahmen von REOnet, Stand 2014

DOI: 10.7395/2015/Koenig6

 

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