Fortbildungsveranstaltung des Ingenieurbüro Hannebaum in Oberkochen
Das Ingenieurbüro Hannebaum in Oberkochen veranstaltet einmal jährlich eine Fachveranstaltung, deren Thema sich am Bedarf der Spritzgießer orientiert. Teilnehmer gewinnen Überblickswissen über das jeweils gewählte Thema und bekommen Verbesserungspotenziale sowie komplexe Zusammenhänge aufgezeigt. Im Blickpunkt der Vorträge des Fachtags 2015 stand die Reduzierung der Ausfallzeiten von Spritzgießwerkzeugen, die Optimierung von Werkzeugen durch Beschichtungen sowie die Erhöhung der Qualität durch bessere Temperierung.
Das Zeiss-Forum in Oberkochen bot beste Bedingungen für den Fachtag Spritzgießtechnik
Ausfallverhalten von Spritzgießwerkzeugen
Die Verfügbarkeit einer Anlage möglichst hochzuhalten ist nach den Ausführungen von Dr. Andreas Feldhaus, Pauli Kunststofftechnik GmbH & Co. KG, Remptendorf, bei der Auswahl und Herstellung von Werkzeugen eines der wichtigsten Ziele. Dies bedeutet unter anderem, dass Werkzeuge keine Ausfallzeiten verursachen und die Instandhaltung einen verhältnismäßig geringen Aufwand erfordert.
Um dieses Ziel zu erreichen, empfiehlt sich die Nutzung eines Instandhaltungsmanagements. Hierbei zeigt es sich, dass ein großer Teil der verwendeten Werkzeuge Instandhaltungskosten in Höhe von zehn Prozent und 30 Prozent der Herstellungskosten verursachen. Die Instandhaltung, deren Elemente in einer DIN zusammengefasst sind, kann nach unterschiedlichen Strategien erfolgen. Im ersten Schritt ist eine Schwachstellenanalyse vorzunehmen. Beim Spritzgießen werden hierzu die Prozesse und die Werkzeuge kategorisiert und so beispielsweise Schädigungen bei Werkzeugen nach der auftretenden Häufigkeit aufgelistet. Besonders kritisch und durch entsprechende Eingriffe steuerbar sind die Ausfälle am Ende der Regellaufzeit.
Die hohe Komplexität der heutigen Fertigungsabläufe führt dazu, dass Ausfälle bei Werkzeugen zu erheblichen Kosten führen können, beispielsweise durch ausbleibende Lieferfähigkeit, Reparaturkosten oder erhöhte Lohnkosten. Trotz dieser Tatsache sind beim Umfang der zu leistenden Instandhaltung die Kosten gegen den Nutzen abzuwägen, was beispielsweise durch Kennzahlenerstellung erfolgen kann. Aus diesen Kennzahlen und durch Angabe von Schwachstellen kann ein Ausfall durch Werkzeuge relativ weitreichend vermieden werden.
Ergänzt werden die Kennzahlen durch eine möglichst umfassende Erfassung von Maschinendaten und Arbeitsparametern. Anhand dieser Daten können die unterschiedlichen Ausfallgründe bei Werkzeugen eingeordnet werden, was dann einen Hinweis auf die möglichen Verbesserungsansätze liefert. Dabei sind nicht nur die reinen Aktionen, sondern auch die durch die Ausfälle verursachten Kosten zu vergleichen.
Eine weitere Betrachtung richtet sich auf die Lebensdauer bis zum Auftreten von Ausfällen. Diese Zahlen liefern den Hinweis auf die sinnvolle Nutzungsdauer, um Ausschuss in der Produktion zu verhindern.
Werkzeugwerkstoffe richtig gewählt
Werkzeuge in der Kunststoffverarbeitung sind einer ganzen Reihe von Belastungen unterworfen, denen sie über eine lange Zeit ohne Änderung ihrer Eigenschaften widerstehen müssen. Prof. Dr. Heine, Hochschule Aalen, nannte hier an erster Stelle die hohe Zahl an Temperaturwechseln; bei den heute üblichen Kunststoffen können bis annähernd 400 °C erreicht werden. In diesen Fällen kann die Wandtemperatur eines Werkzeugs aufgrund der Temperierung bis zu 150 °C betragen, die ein Werkzeug ohne Schädigung überstehen muss.
Der Werkstoff für Werkzeuge hängt zwar entscheidend von dem zu verarbeitenden Kunststoff, insbesondere auch von eventuell zugegebenen Füllmaterialien wie Glasfasern ab, allerdings sind vor allem die Eigenschaften aufgrund der Temperatur an erster Stelle zu nennen. Neben der Wärmeleitung und Wärmeausdehnung spielen die Warmfestigkeit, die thermische Ermüdungsfestigkeit, die statische und dynamische Festigkeit sowie die Verschleißbeständigkeit eine große Rolle. Darüber hinaus sind je nach zu verarbeitendem Kunststoff chemische Beständigkeiten gegen Inhaltsstoffe des Kunststoffs erforderlich und in der Regel die Korrosionsbeständigkeit gegen Wasser unterschiedlicher Zusammensetzung. Wasser belastet die Werkstoffe einerseits im Bereich der Kühlkanäle, andererseits beispielsweise durch Abkühlen und Aufheizen des Werkzeugs in Form der Luftfeuchtigkeit.
Bei dem Vergleich der relevanten Werkstoffe, wie Stahl, Kupfer, Aluminium, Zink und Titan, zeigen sich die Unterschiede im Hinblick auf die Wärmeleitfähigkeit. Kupfer weist die höchsten und die Stähle die geringsten Werte auf, wobei natürlich Stahl bei der Festigkeit kaum zu überbieten ist. Kritisch ist hier vor allem der Randbereich des Werkzeugs, da dort ein deutlicher Abfall der Temperatur auftritt und damit aufgrund der Ausdehnung unter Temperaturbelastung Spannungen entstehen. Vor allem die große Zahl an Temperaturwechseln erfordert eine hohe dynamische Festigkeit, um die auftretenden Wechselbelastungen bewältigen beziehungsweise eine hohe Zahl an Wechseln ohne Schädigung überstehen zu können. Auch sind je nach Werkstoffart deutliche Unterschiede zu verzeichnen, die eine genaue Betrachtung vor der Auswahl des Werkstoffs erfordern.
Als weitere kritische Belastung gelten Reibung und Verschleiß, die sich aufgrund der stets vorhanden Rauheit beziehungsweise Mikrorauheit bemerkbar machen. Der Einsatz von üblichen reibungsmindernden Stoffen wie Ölen, Fetten, Wachsen, Grafit oder Molybdänsulfid ist nur bedingt möglich, insbesondere im Bereich der Kavitäten. Verschleiß ist außer bei den sich aufeinander bewegenden Werkzeugpartien auch in den Kühlkanälen zu finden. Hier sind es Partikel im Kühlmedium, welche die Werkstoffoberflächen angreifen. Besondere Beständigkeit besitzt, neben Stählen auch Titan, wogegen Aluminium hier nur eine geringe Beständigkeit aufweist. Abhilfe schaffen bei Reibbelastungen zwischen Werkzeugpartien Oberflächenbeschichtungen oder Oberflächenbehandlungen, wie Härten oder Nitrieren. Als hilfreiche Beschichtungen haben sich Hartchrom, chemisch abgeschiedenes Nickel und in einigen Fällen auch CVD- und PVD-Schichten erwiesen. Insbesondere bei Aluminium wird durch die Erzeugung einer dicken Aluminiumoxidschicht durch anodische Oxidation eine drastische Steigerung der Verschleißbeständigkeit erzielt.
Schließlich tragen Beschichtungen auch zu einer besseren Korrosionsbeständigkeit bei. Diese ist bei Werkzeugen insbesondere dann erforderlich, wenn unterschiedliche Werkstoffe in einem Werkzeug kombiniert werden. In diesem Fall tritt Kontaktkorrosion auf, die das Werkzeug in der Übergangszone schnell zerstören und zudem Schäden durch die entstehenden Korrosionsprodukte erzeugen kann. Abschließend wies Prof. Heine darauf hin, dass kein Werkstoff alle Forderungen für ein Spritzwerkzeug erfüllen kann; die sorgfältige Auswahl der Werkstoffe und die Einbeziehung von Oberflächenbehandlungen beziehungsweise Oberflächenbeschichtungen können aber in den meisten Fällen eine hohe Einsatzdauer gewährleisten.
Schichten für Werkzeuge
Über chemisch und physikalisch abgeschiedene Schichten für Werkzeuge, die Verfahren, Anforderungen und Eigenschaften informierte Herbert Käszmann, WOTech GbR. Im Vordergrund standen die häufig eingesetzten Technologien der chemischen Metallisierung sowie der CVD-Beschichtung.
Bei der chemischen Metallabscheidung wird ein in Wasser gelöstes Metallsalz unter Mitwirkung eines Reduktionsmittels sowie zusätzlicher Hilfsstoffe direkt auf einem metallischen Grundkörper ohne Einsatz einer äußeren Stromquelle abgeschieden. Bei Nickel erfolgt die Abscheidung unter Verwendung von Hypophosphit als Reduktionsmittel, was zum Einbau von Phosphor in die Nickelschicht führt. Im Ergebnis entsteht so eine Nickel-Phosphor-Legierung mit Phosphorgehalten zwischen etwa 5 % und bis zu 15 % Phosphor, wobei der Phosphorgehalt in engen Grenzen einstellbar ist.
Bei der CVD-Abscheidung erfolgt die Schichtherstellung in der Dampfphase bei Temperaturen zwischen etwa 100 °C und bis zu 1000 °C. Als Träger für die Schicht, die sowohl ein Metall als auch eine anorganische Verbindung wie Oxid oder Nitrid sein kann, dient meist eine verdampfbare organische Verbindung. Auch hier erfolgt der Schichtaufbau ohne äußere Stromquelle, wodurch wie bei der chemischen Abscheidung eine sehr gleichmäßige Schicht über die gesamte Teileoberfläche erzeugt werden kann. In beiden Fällen ist zudem die Dicke der Schicht mit einer Genauigkeit von 1 µm und weniger steuerbar.
Wichtig für die Herstellung einer optimalen Oberfläche ist die Vorbehandlung der zu beschichtenden Werkstoffe. So ist beispielsweise zu berücksichtigen, dass durch schlecht schneidende Bearbeitungswerkzeuge (Drehen, Fräsen, aber auch Schleifen) die Oberflächenzone stark gestört oder mechanisch deformiert werden kann. Auf solchen Oberflächen sinkt die Haftung von Beschichtungen deutlich bis hin zu makroskopischen Fehlstellen durch eingedrückte Fremdstoffe. Darüber hinaus können bei der Verwendung von gegossenen Grundmaterialien durch eine mechanische Bearbeitung Gussporen freigelegt werden, die zu Schichtfehlern führen. Unzureichend entfernte Deckschichten auf metallischen Werkstoffen resultieren in der Regel in Haftungsschwächen der Beschichtungen. Diese können unter Belastung brechen und Löcher hinterlassen beziehungsweise abrasiv wirken und eine Werkzeugoberfläche zerstören.
Fehler bei der Vorbehandlung von Stahl führen zum Abplatzen eines Schichtsystems im Gebrauch
Besonders positive Eigenschaften für den Einsatz im Werkzeugbereich zeigen Dispersionsschichten. Bei Verwendung von chemisch abgeschiedenen Nickelschichten werden beispielsweise Hartstoffe wie Siliziumcarbid oder Gleitstoffe wie PTFE in die Schicht eingebaut. Dadurch können die Verschleißbeständigkeit, das Gleitverhalten oder die Entformbarkeit drastisch verbessert werden.
Abschließend betonte Herbert Käszmann, dass die Gebrauchsdauer durch eine optimal gewählte Beschichtung deutlich verbessert werden kann. Damit können dem Grundwerkstoff Eigenschaften wie Formgebung, Festigkeit oder Wärmeleitung übertragen werden, während die Schicht den Verschleißschutz, die Gleitwirkung, Entformbarkeit oder den Korrosionsschutz übernimmt. Solche Kombinationen erlauben den Einsatz von Stählen als Grundwerkstoff ebenso wie von Kupfer, Aluminium oder auch Zink. Zudem ist es in der Regel möglich, eine abgearbeitete Beschichtung wieder neu aufzubringen. Durch die gute Möglichkeit zur Reparatur kann die Nutzungsdauern von Werkzeugen nochmals gesteigert werden.
Werkzeuge mit Funktionsschichten
Beschichtungen in unterschiedlichen Ausführungen helfen, dass Werkzeuge die täglichen Belastungen besser bewältigen können. Die NovoPlan GmbH in Aalen, die Viktor Binder kurz vorstellte, liefert seit mehr als 25 Jahren derartige Beschichtungen mit speziellen Eigenschaften. Die hergestellten chemisch abgeschiedenen Nickel-Phosphor-Schichten können mikrometergenau und allseitig in gleicher Dicke abgeschieden werden. Dies hat insbesondere bei Dispersionsschichten den Vorteil, dass auch bei einem allmählichen Abtrag im Einsatz stets eine gleich zusammengesetzte Schicht vorliegt.
Anforderungen an Werkzeugbeschichtungen betreffen beispielsweise die Verhinderung von Korrosion im Einsatz und bei Lagerung oder Transport. Bei der Verarbeitung von faserverstärkten Kunststoffen verringern Beschichtungen den Abrieb und bei Kühlkanälen die Anlagerungen von Verschmutzungen. Auswerfer weisen mit reibungsvermindernder Beschichtung eine lange Lebensdauer ohne Einsatz von Schmierstoffen auf und sichern gleichzeitig eine zuverlässige und störungsfreie Funktion. Durch die Reduzierung der Haftung erfordert das Auswerfen der Bauteile wesentlich weniger Kraft, sodass die Gefahr einer Deformation der Spritzlinge vermieden werden kann.
Innenbeschichtung von Temperierkanälen mit PlanoTech KSCN (30 µm) als Schutz gegen Korrosion und Ablagerungen (Quelle: NovoPlan GmbH)
Bei der Verarbeitung von faserverstärkten Kunststoffen können entsprechende Schichten zusätzlich mit verschleißschützenden Eigenschaften ausgestattet werden. Dieser Vorteil der Schichten macht es auch möglich, weichere Grundwerkstoffe mit hoher Wärmeleitfähigkeit einzusetzen. Durch ankorrodierte oder abrasiv geschädigte Oberflächen steigt zudem die Neigung zur Anhaftung von Ablagerungen, die wiederum die Wärmeübertragung drastisch verschlechtern.
Vorteilhaft ist die Beschichtung eines Werkzeugs vor dem ersten Einsatz, wobei in der Regel die Dimensionen der Beschichtung bei der Konstruktion Berücksichtigung finden müssen. Insgesamt ergeben sich im Allgemeinen eine gleich bleibende Zykluszeit beim Spritzen, eine gleich bleibende Artikelqualität, ein minimaler Wartungsaufwand und eine maximale Nutzungsdauer – also deutlich geringere Kosten.
CVD-Beschichtungen
Wie Georg Kassek von der Oerlikon Metaplas GmbH, Bergisch Gladbach, einführend darlegte, stehen verschiedene Verfahren zur Oberflächenbeschichtung oder Oberflächenbehandlung zur Verfügung, die unterschiedliche Schichtbereiche abdecken und in verschiedenen Temperaturbereichen arbeiten. Die CVD-Verfahren besitzen je nach Variante Abscheidetemperaturen zwischen etwa 150 °C und mehr als 1000 °C. Bei den erhaltenen Schichttypen kann es sich sowohl um eine harte Diamantschicht als auch um eine schmierende Gleitschicht handeln.
DLC-Schichten aus dem PACVD-Verfahren werden in Dicken zwischen 2 µm und 3 µm und Härten zwischen 1000 HV und 1300 HV hergestellt. Dabei kann die Substrattemperatur unter 200 °C gehalten werden. Die Schichten besitzen einen sehr geringen Reibwert, der nur geringfügig über dem von Teflon liegt.
Bei der Herstellung von Gleitpaarungen sollte darauf geachtet werden, den richtigen Partner mit einer harten Schicht zu versehen. In der Regel ist dies der Partner mit der höheren Grundhärte. Vorteil der dünnen Beschichtungen ist die absolut genaue Abbildung der Grundform, also die Bearbeitung ohne Formänderung. Darüber hinaus können biokompatible Beschichtungen hergestellt werden.
Werkzeugoberfläche nach dem Beschichten mittels Primeform und einer Nachpolitur mit Diamantpaste (Quelle: Oerlikon balzers)
Eine besonders harte und kratzfeste Oberfläche, die trotzdem gut polierbar ist, kann durch Einlagerung von Gas in spezielle Stähle mit Chrom und Vanadium hergestellt werden, ohne dass die Geometrie verändert wird. Bei Auftrag auf die gängigen Werkzeugstähle ist der Werkstoff zudem schweißbar. Vorteilhaft ist darüber hinaus die Eigenschaft, dass auch Kavitäten in selber Qualität behandelbar sind. Die erzielbaren Härten bei diesem Diffusionsverfahren, das häufig bei 380 °C durchgeführt wird, liegen im Bereich zwischen 1000 HV und 1500 HV, in Abhängigkeit vom Grundmaterial.
Beschichtungen aus Sicht des Anwenders
Zu den neueren Entwicklungen im Bereich der Kunststoffverarbeitung zählen vor allem die Hochtemperaturtechniken, die in der Regel Füllstoffe wie Glasfasern, PTFE oder Graphitpulver enthalten. Für die Werkzeuge werden nach den Ausführungen von Armin Bauer, Oechsler AG, Ansbach, vorrangig Stähle mit 13 % bis 17 % Chrom (Werkstoff M333 und M340) sowie der Stahl 1.2343 eingesetzt.
Die Werkzeuge werden im Unternehmen von Armin Bauer vor allem mit physikalischen Methoden (PVD) beschichtet. Diese müssen mit dem Kunststoffgranulat, dem Füller, Additiv sowie den Prozessparametern abgestimmt werden. Hierbei werden drei Fälle unterschieden:
- Beschichtung bei Konstruktionsbeginn bekannt
- bekannt, aber mit Schäden vermerkt oder
- für eine Beschichtung wird bei regelmäßig vorgenommenen Instandhaltung ein Fehler festgestellt.
Bei aufgetretenen Schäden wird nach den Prozessparametern recherchiert beziehungsweise nach den eventuell geänderten Arbeitsparametern. Armin Bauer wies darauf hin, dass auf jeden Fall der intensive Meinungsaustausch zwischen Werkzeugbau und Beschichter ratsam ist.
Bei komplexen Bauteilen empfiehlt sich die partielle Beschichtung von Bauteilen, um den unterschiedlichen Ansprüchen im Werkzeug gerecht zu werden. Unterstützt werden die Entscheidungen zur Auswahl von Schichten durch Erfahrungsberichte aus dem Einsatz. Derartige Untersuchungen können zum Beispiel aufdecken, dass durch Drahterodieren störende Deckschichten entstehen, die im Betrieb abplatzen und zu Fehlern führen können.
Entformung und Auswerfer
Das Unternehmen des Referenten Nuno Ferreira, die Cumsa in Langsur, befasst sich vorwiegend mit der Entwicklung und Herstellung von gerade bewegten Auswerfern beziehungsweise Auswerfersystemen (auch als Normalien bezeichnet). Hierbei wird darauf geachtet, möglichst auf ähnliche Grundsysteme zurückzugreifen. Für Hinterschneidungen kommen zum Beispiel federnde Auswerfer oder Schrägschieber zur Anwendung. Die Systeme sind so ausgelegt, dass Ressourcen (Energie) eingespart werden können. Diese zeichnen sich unter anderem durch eine ovale Form aus; dadurch lassen sich Bohrungen für die Auswerfer allein unter Einsatz eines Fräsers herstellen. An zahlreichen Beispielen zeigte Nuno Ferreira, welche Möglichkeiten die kombinierbaren Auswerfersysteme bieten, die vor allem die Bauhöhen von Werkzeugen verkleinern.
Die neueste Auswerfertechnik erlaubt zwei Auswerferhübe mit einem Systemschritt. Ein vorlaufendes Zweistufenauswerfersystem kann zudem die Führung des Werkzeugs übernehmen. Ein weiteres Element ist der Vakuumjet. Mit diesem wird die Luft aus der Kavität abgesaugt und bei Erreichen eines gewissen Unterdrucks wird der Spritzvorgang gestartet.
Diffusionsschweißen
Mithilfe des Diffusionsschweißens lassen sich konturangepasste Temperierungen herstellen, die Daniel Graf, Graf Engineering, Wendlingen, vorstellte. Beim Diffusionsschweißen werden metallische Körper (mindestens zwei) unter Flächenpressung und hoher Temperatur zu einem homogenen Körper gefügt. Dabei bleiben die Körper vollständig im festen Zustand und es kommen keine Fremdstoffe zum Einatz. Die Verbindung erfolgt rein über Diffusion der verschiedenen metallischen Anteile in der Fügezone.
Block aus 10 Einzelplatten aus dem Werkstoff 1.2343, die mittels Diffusionsschweißen verbunden wurden (Quelle: Graf Engineering)
Mit der Methode werden so gute Verbindungen geschaffen, dass bei Belastung in der Regel ein Bruch außerhalb der Verbindungszone erfolgt. Zudem kann über die Fügezone hinweg geschliffen und poliert werden, da kein Fremdmetall in der Fügezone vorhanden ist. Mit der Methode lassen sich somit Werkzeuge aufbauen, die durch deutlich einfachere Bearbeitungen herstellbar und schichtweise aufbaubar sind, beispielsweise Kühlkanäle in Werkzeugen. Das Fügeverfahren unterscheidet sich beispielsweise durch die beim Schweißen auftretende mechanische Belastung oder die Tatsache, dass beim Diffusionsschweißen keine Schmelzphase auftritt. Verarbeitbar sind nur ebene Flächen.
Beim Diffusionsschweißen sind unter anderem folgende Punkte zu beachten:
- es muss ein Rohblock vorliegen
- beim Fügen entsteht ein Höhenschwund von etwa 1 % bis 2 %,
- klare Bezeichnung der Reihenfolge der Platten
Mit dem Verfahren lassen sich Platten unterschiedlicher Dicke verarbeiten. An Beispielen demonstrierte Daniel Graf die durch Diffusionsschweißen möglichen Verbindungen, insbesondere bei der Herstellung von Temperierungen mit verbleibenden, sehr geringen Wandstärken.
Kühlwasseraufbereitung
Mit der physikalischen Wasserbehandlung durch ein in das Kühlwasser eingespieltes elektromagnetisches Frequenzband, basierend auf einem gepulsten niederfrequenten Wechselfeld, das die Wassermoleküle in Bewegung setzt und dadurch Ablagerungen verhindern kann, stellte Gregor Heiermann, Bauer Watertechnology, Vantaa/Finnland, ein Verfahren zur Nutzung in der Spritztechnik vor. Die empirischen Ergebnisse aus der Industrie werden parallel wissenschaftlich begleitet. Aktuell wird ein umfassenden Projekt für Bauer Wasserbehandlung mit universitären Instituten bei der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU) gefahren. Dazu wurde von mehreren Seiten bestätigt, dass biologische Systeme von Rohrinnenwänden abgelöst und abgetötet werden.
Abbau von Ablagerung auf der Innenwand von Eisenrohren nach Einbau des Systems zur Wasserbehandlung; Betriebsdauer 1 Jahr (Quelle: Bauer Solutions GmbH)
Voraussetzung für die Funktion ist ein geschlossenes Rohrsystem. Das abgelagerte Kalzit wird nach Aussage von Gregor Heiermann in Aragonit umgewandelt und kann damit aus dem System ausgespült werden. Allerdings nimmt der Prozess bei starken Ablagerungen einige Monate an Zeit in Anspruch.
Durch die Vernichtung der in Leitungen vorhandenen Biofilme kann auch die Korrosion, die sich durch Biofilme verstärkt, gestoppt werden.
Werkzeugtemperatur im Spritzgussprozess
Im letzten Beitrag der Fachtagung befasste sich Harald Class, Ingenieurbüro Hannebaum, Aalen, mit der Temperatur von Spritzwerkzeugen als wichtige Kenn- und Stellgröße. Die Temperatur des Werkzeugs hat einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des hergestellten Kunststoffteils, wobei bei den modernen Hochleistungskunststoffen in der Regel enge Grenzen eingehalten werden müssen. So sollte beispielsweise die Temperaturdifferenz über die Gesamtwerkzeugoberfläche 10 °C nicht übersteigen oder der Unterschied in der Vor- und Rücklauftemperatur kleiner als 2 °C sein. Auf der anderen Seite kommen aber zunehmend auch Forderungen zur Erhöhung der Ressourceneffizienz zum Tragen, die beispielsweise mit einer Einsparung von Heizenergie, einer Reduzierung von Fehlteilen oder auch einer Verkleinerung der Werkzeugmassen erzielt werden können.
Um die Anforderungen aus der Werkzeugtemperierung erfüllen zu können, ist zunächst eine detaillierte Betrachtung der Werkzeugtemperatur beim einzelnen Spritzvorgang sowie über eine längere Arbeitsperiode erforderlich. Zudem sind für Temperaturabweichungen vom Sollwert die daraus resultierenden Ergebnisse beim Spritzgut zu beurteilen. Diese können beispielsweise im Falle von zu niedriger Temperatur bei POM-H zu Randschichten mit geringer Kristallinität (führt hier zu niedrigerer Lastspielzahl), einer schlechten Abbildung der Oberflächenstruktur, höheren inneren Spannungen mit Verzug oder einer Nachkristallisation mit Maßänderungen, Schwindung und Verzug führen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Kühlkanäle in ungünstigen Fällen durch Ablagerungen wie Kalk und Rost verengen oder verstopfen können und die Temperierung lokal nicht mehr in der optimalen Weise erfolgen kann und so zu einer Änderung der Spritzbedingungen beitragen.
Als Stellgrößen bei der Betrachtung der Temperierung und deren Auswirkung auf die Formteileigenschaften beim Spritzgießen kommen nach Aussage von Harald Class insbesondere folgende Größen in Betracht:
- die Masse- und Werkzeugtemperatur in der Einspritzphase
- die Orientierung der Oberflächenschicht des Spritzmaterials
- die Oberflächengüte des Formteils
- die Werkzeugwandtemperatur in der Nachdruckphase des Spritzvorgangs.
Um jetzt allerdings eine Optimierung des gesamten Spritzvorgangs erzielen zu können, ist es erforderlich die Temperatur an kritischen Stellen des Werkzeugs zu kennen und diese dann aktiv beeinflussen zu können. Dazu lassen sich Temperaturfühler an den entsprechenden Stellen des Werkzeugs anbringen, also im Bereich der Kavitäten, an Bindenähten, dem Temperierkanal und an definierten Innen- und Außenflächen. An Beispielen zeigte der Vortragende die Ergebnisse an Versuchswerkzeugen mit unterschiedlichen Vorlauftemperaturen, Aufheizzeiten oder verschiedenen Arten des Temperaturwechsels. Diese sind sinnvollerweise im Hinblick auf die Qualität und die Energieeinsparungen hin optimiert.
Fazit
Die Veranstaltung des Ingenieurbüro Hannebaum aus Aalen bot einen interessanten Blick auf Grundlagen zum Kunststoffspritzen aus Blickrichtung der Werkzeugtechnik und Qualitätsverbesserung. Dabei waren die Inhalte so aufbereitet, dass der Neueinsteiger in die Spritztechnik vorhandenes Grundwissen deutlich erweitern und erfahrenen Fachleuten Aspekte über Materialien für Werkzeuge oder Verfahren zu deren besseren Einsatz geboten bekamen. Die gut gewählten Räumlichkeiten im Zeiss-Forum in Oberkochen boten ideale Voraussetzung zur Präsentation und ein angenehmes Umfeld für motivierende Gespräche zwischen den Teilnehmern und mit den anwesenden Fachreferenten.