Untersuchung des Einflusses der Reinigung und Oberflächenvorbehandlung von Edelstahloberflächen auf die Haftung von Silikonspritzgussmassen
Eine gute Haftung ohne Bildung von Spalten zwischen dem Edelstahlgrundmaterial und der aufgespritzten Silikonmasse garantiert eine hohe Reinheit, beispielsweise von medizintechnischen Produkten. Dazu ist eine hohe Reinheit des Grundmetalls eine wichtige Voraussetzung. Oberflächenanalytische Untersuchungen weisen auf deutliche Rückstände aus Reinigungsmitteln auf den Oberflächen hin, welche vermutlich in der Praxis zu Ablösungen führen. Zur Vermeidung einer schlechten Haftung empfiehlt sich die Verwendung von Reinigungsmittel ohne Korrosionsschutzinhibitoren. Die Reinigung und Modifikation der Oberflächen mit Laser und Niederdruckplasma zeigten deutliche Reinigungseffekte beziehungsweise Abscheidung von haftvermittelnden Schichten. Bei wässrigen Reinigungsverfahren können alleine Parameter wie eine variierende Verschmutzung der Reinigungslösung zu Ablagerungen auf den Oberflächen und damit zum Ausfall der Bauteile im Feld führen.
Study of the Effect of Cleaning and Surface Pre-treatment of Stainless Steel Surfaces on the Adhesion of Silicone Injection Mouldings
Good adhesion with no crack formation between stainless steel substrates and sprayed-on silicone, guarantees a high degree of cleanliness for example in the case of medical or surgical products. It follows that a high degree of cleanliness of the substrate metal is essential. Surface analysis studies confirm the presence of significant residues of cleaning materials on such surfaces which presumably in practice, lead to loss of adhesion. To avoid instances of such poor adhesion, the use of a cleaning material without corrosion inhibitors is recommended. Cleaning and modification of surfaces using lasers or low pressure plasma showed significant benefits in terms of the deposition of adhesion-promoting layers. In the case of aqueous cleaning processes,, parameters such as contaminant build-up in the cleaning solution were significant enough to cause loss of adhesion from the surface and thus failure of the component in service.
1 Einleitung
Beim Auftrag von Flüssigsilikonen auf metallische Oberflächen stellt sich immer wieder die Herausforderung der dauerhaften Haftung des LSRs (Liquid Silicon Rubber) auf den jeweiligen Oberflächen. Voraussetzung für eine solche Haftung sind spezielle Reinigungs- und Vorbehandlungsprozesse, um die metallischen Oberflächen entsprechend auf die Verbindung mit der pastös aufgespritzten LSR-Masse vorzubereiten. Dabei sind eine genaue Kenntnis der einzelnen Prozesse sowie deren Auswirkungen auf die Sauberkeit und Klebbarkeit der Oberflächen notwendig.
Besonders im Bereich der Medizintechnik können sich solch mangelnde Haftungen hinsichtlich der Aufbereitung negativ auswirken. Löst sich das Silikon von der Oberfläche entstehen Spalte, in die im Einsatz Bestandteile von Blut oder Gewebe oder bei der Reinigung Reinigungsmittel eindringen. Diese Spalte und die darin befindlichen Verunreinigungen genügen dann nicht mehr der geforderten Sauberkeit der medizinischen Instrumente nach der Aufbereitung; dies führt zu einem Ausfall der Instrumente im Feld.
Im Rahmen eines Industrieprojekts wurden daher gereinigte und vorbehandelte Oberflächen nach jedem industriellen Reinigungs- und Vorbehandlungsschritt mittels Photoelektronenspektroskopie analysiert. Parallel wurden Probekörper hergestellt und im ungealterten Zustand sowie nach Beständigkeitsprüfung (Anwendungsbereich Medizintechnik, Heißdampfsterilisation, 250 und 500 Zyklen) auf deren Festigkeit überprüft.
2 Problemstellung
Aktuell werden Bauteile für die Medizintechnik mit einer Kombination Edelstahl und Kunststoff unter anderem mechanisch vorbehandelt und mehrstufig wässrig gereinigt; zur Optimierung der Haftung werden haftvermittelnde Substanzen (Primer) nasschemisch und manuell appliziert.
Um im Rahmen der Reinigung und Vorbehandlung eine Verbesserung/Optimierung und Automatisierung des Produktionsprozesses wie auch eine Erhöhung der Haftfestigkeit des Silikons auf den metallischen Untergründen zu erreichen sollen anwendungsoptimierte physikalische Vorbehandlungsverfahren auf deren Eignung im beschriebenen Fall überprüft werden. Dazu werden die Oberflächen mittels Photoelektronenspektroskopie (XPS) und Rasterelektronenmikroskopie (REM) untersucht.
Abbildung 1 zeigt die einzelnen Vorbehandlungs- und Reinigungsschritte sowie einen letzten Vorwärmschritt in der Reihenfolge sowie die jeweiligen Stellen (Probennummern 1–6), an denen XPS- beziehungsweise REM-Analysen durchgeführt wurden.
Abb. 1: Vorbehandlungs- und Reinigungsschritte mit Analysestellen
3 Oberflächenanalytische Untersuchungen
Tabelle 1 zeigt ausgewählte Ergebnisse aus den XPS-Messungen. Der Reinigungszustand nach der Anlieferung (Probe 1) ist im Rahmen der Standards aus der Sauberkeitsbeurteilung von Oberflächen nach Endreinigung als zufriedenstellend zu beurteilen. Nach Vorbehandlung I (Probe 2) zeigt sich durch den mechanischen Vorbehandlungsprozess ein Reinigungseffekt (Abnahme Kohlenstoff) sowie ein Eintrag von Aluminium (nicht dargestellt Calcium und Magnesium) durch die verwendeten Prozessmittel. Reinigung I (Probe 3) bringt eine weitere Abnahme von Kohlenstoff (erhöhte Sauberkeit) sowie die Detektion von Silizium. Nach Untersuchung der eingesetzten Prozessmittel ist die Zunahme von Silizium auf Rückstände aus Bestandteilen des verwendeten Reinigungsmittels (Dinatriummetasilikatpentahydrat) zurückzuführen. Diese Reagenzien werden für die Reinigung von metallischen Bauteilen als Korrosionsschutzinhibitor verwendet. Im Allgemeinen sind solche Zusätze sinnvoll. Allerdings besteht die Gefahr einer mangelnden Haftung von aufzubringenden polymeren Materialien (z. B. Beschichtung oder Klebstoff) durch Erzeugung einer haftungsunverträglichen Schicht.
Tab. 1: XPS-Ergebnisse, Einfluss Reinigungs- und Vorbehandlungsprozess
Probe |
Eisen |
Chrom |
Sauerstoff |
Kohlenstoff |
Silizium |
Aluminium |
Probe 1 |
5 at% |
1 at% |
33 at% |
49 at% |
1 at% |
2 at% |
Probe 2 |
7 at% |
1 at% |
53 at% |
26 at% |
2 at% |
6 at% |
Probe 3 |
5 at% |
1 at% |
62 at% |
12 at% |
10 at% |
6 at% |
Probe 4 |
3 at% |
1 at% |
59 at% |
18 at% |
8 at% |
8 at% |
Probe 5 |
6 at% |
< 1 at% |
59 at% |
15 at% |
6 at% |
5 at% |
Probe 6 |
8 at% |
1 at% |
59 at% |
18 at% |
3 at% |
3 at% |
Durch einen weiteren Reinigungsschritt (Reinigung II, Probe 4) ist nur eine minimale Reduktion der Siliziumbelegung detektierbar. Mit einem weiteren Reinigungsschritt (Reinigung III, Physikalische Reinigung) ist ein zunehmender Reinigungseffekt durch eine weitere Abnahme des Kohlenstoffgehalts und Reduktion der Siliziumbelegung feststellbar. Durch das Vorwärmen in einem Ofen werden keine weiteren signifikanten Veränderungen auf den Oberflächen induziert.
Die Belegung der Oberflächen kann unter Umständen der Grund für einen auftretenden Haftungsverlust sein. Weiter kann die Verunreinigung von Reinigungsbädern im Laufe des Gebrauchs die Sauberkeit der gereinigten Oberflächen signifikant beeinflussen. In der Praxis werden für Reinigungsbäder Leitwertbestimmungen durchgeführt. Nach Erreichen eines Maximums werden die Reinigungsmedien als verschmutzt interpretiert und ausgetauscht.
Daher wurden sowohl Untersuchungen an Oberflächen durchgeführt, die mit einer frischen Reinigungslösung gereinigt wurden, als auch Oberflächen, die in einem Reinigungsmittel am Ende des Lebenszyklus gereinigt wurden. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse aus den Untersuchungen. Es ist im Vergleich zu Probe 1 (Anlieferungszustand) ein Anstieg von Silizium erkennbar, jedoch bei den nachgestellten Proben nicht in der Höhe von Probe 3. Zudem ist kein Unterschied am Silizium-Peak zwischen den unterschiedlichen Leitwerten erkennbar. Diese Methode ist also nicht geeignet, um anhand des Leitwerts mit einer bleibenden Verschmutzung auf den Oberflächen zu korrelieren.
Tab. 2: XPS-Ergebnisse, Einfluss der Verschmutzung des Reinigungsmediums
Probe |
Eisen |
Chrom |
Sauerstoff |
Kohlenstoff |
Silizium |
Aluminium |
Probe 1 |
5 at% |
1 at% |
33 at% |
49 at% |
1 at% |
2 at% |
Probe 3 |
5 at% |
1 at% |
62 at% |
12 at% |
10 at% |
6 at% |
frisches Reinigungsmedium (1,0 µs) |
9 at% |
2 at% |
53 at% |
27 at% |
5 at% |
– |
verunreinigtes Reinigungsmedium (15,3 µS) |
6 at% |
1 at% |
52 at% |
25 at% |
5 at% |
– |
Nach den Erfahrungen der Autoren ist es sinnvoll, zur Beurteilung des Verschmutzungsgrades eines Reinigungsmediums eine Messung über den TOC-Wert (toc = total organic carbon) vorzunehmen. Eine Korrelation mit den zurückbleibenden Verschmutzungen auf den Oberflächen wurde im Rahmen dieses Projekts nicht durchgeführt.
Abbildung 2 enthält zur Ergänzung ausgewählte Aufnahmen aus der Rasterelektronenmikroskopie. Die Proben im Anlieferungszustand (Probe 1) zeigen deutliche Bearbeitungsriefen auf den Oberflächen. Probe 5 weist mit einer stark zerklüfteten Oberfläche aus Vorbehandlung I eine hohe Rauheit auf. Ablagerungen oder Verschmutzungen sind, wenn überhaupt, nur durch eine Vielzahl kleiner Partikel in hoher Auflösung zu erkennen. Der letzte Schritt, das Vorwärmen der Bauteile in einem Ofen, zeigt keine weiteren Veränderungen.
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Abb. 2: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen ausgewählter Oberflächen; 1. Reihe: Probe 1; 2. Reihe: Probe 5; 3. Reihe Probe 6
4 Einsatz alternativer Reinigungs- und Vorbehandlungsverfahren
Um nun den aktuellen Reinigungsprozess zu vereinfachen und zu automatisieren, wurden im dargestellten Projekt alternative Vorbehandlungs- und Reinigungsverfahren auf deren Eignung hinsichtlich Reinigungseffekt und Verbesserung der Haftung von Silikonspritzgussmassen hin überprüft. Dabei kamen folgende Vorbehandlungsverfahren zum Einsatz:
- Laserreinigung und -vorbehandlung (Clean-Lasersysteme GmbH)
- Niederdruckplasmareinigung und -beschichtung (NMI-intern)
Beide Verfahren sind in der Lage, automatisiert Oberflächen von Rückständen aus der Herstellung zu reinigen und zu modifizieren. Dazu stehen unterschiedliche Parameter zur Verfügung. Der Einsatz der beiden genannten Verfahren, gegebenenfalls in Kombination miteinander, soll einen wässrigen und eventuell auch risikobehafteten Reinigungsprozess ersetzen und die Sicherheit im Fertigungsprozess erhöhen.
Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse aus den XPS-Untersuchungen. Die Bewertung erfolgt jeweils im Vergleich zum Anlieferungszustand (Probe 1, Ausgangszustand aller Proben) oder nach Endreinigung (Probe 5). Durch die Laserreinigung (Parameter 1 und 2) ist ein Abfall des Kohlenstoffs erkennbar, jedoch ist der Reinigungsgrad nicht so hoch wie nach Reinigungsschritt III (Probe 5). Es ist ein Anstieg von Chrom und Mangan durch das Umschmelzen der Oberfläche zu erkennen. Weitere Verunreinigungen werden sicher entfernt.
Tab. 3: XPS-Ergebnisse, Einfluss alternativer Reinigungs- und Vorbehandlungsverfahren
Probe |
Eisen |
Chrom |
Mangan |
Sauerstoff |
Kohlenstoff |
Silizium |
Probe 1 |
5 at% |
1 at% |
1 at% |
33 at% |
49 at% |
1 at% |
Probe 5 |
6 at% |
< 1 at% |
< 1 at% |
59 at% |
15 at% |
6 at% |
Laser Parameter 1 |
4 at% |
6 at% |
5 at% |
47 at% |
32 at% |
5 at% |
Laser Parameter 2 |
6 at% |
5 at% |
6 at% |
49 at% |
28 at% |
4 at% |
Probe 5 + Plasmareinigung |
9 at% |
2 at% |
– |
37 at% |
22 at% |
2 at% |
Probe 5 + Plasmareinigung |
– |
– |
– |
21 at% |
54 at% |
23 at% |
Probe 1 + Plasmareinigung |
9 at% |
2 at% |
– |
40 at% |
25 at% |
2 at% |
Probe 1 + Plasmareinigung |
– |
– |
– |
22 at% |
54 at% |
23 at% |
Die Reinigung mit Niederdruckplasma der endgereinigten Probe 5 zeigt einen Abfall an Kohlenstoff durch Reinigung. Auch die Proben aus dem Anlieferungszustand (Probe 1) können zuverlässig gereinigt werden. Nicht dargestellt ist das Auftreten von Fluor aus dem eingesetzten Prozessgas Freon. Nach der Beschichtung im Niederdruckplasma zeigt sich im XPS eine dicht abgeschiedene Schicht, metallische Elemente von der Edelstahloberfläche sind nicht zu erkennen. Zudem kann die Schicht mit den Elementen Silizium und Kohlenstoff bestimmt werden.
5 Festigkeitsuntersuchungen
Um den Einfluss der unterschiedlichen Reinigungs- und Vorbehandlungsschritte auf die Haftung der Spritzgussmassen zu untersuchen wurden Festigkeitsuntersuchungen an bauteilnahen Prüfkörpern durchgeführt. Dazu wurden runde Edelstahlteile gereinigt beziehungsweise vorbehandelt (gemäß Abb. 1) und im Spritzwerkzeug umspritzt. Zur besseren Handhabung der Bauteile wurde nach dem Spritzen ein Teil des Silikons wieder entfernt. Danach erfolgte ein Abdrücken des verbliebenen Silikonmaterials in der Prüfmaschine und Detektion der dazu notwendigen Kraft. Abbildung 3 zeigt den für die Festigkeitsprüfung auf 15 mm Restsilikon abgedrehten Prüfkörper in der Prüfvorrichtung sowie ein exemplarisches Diagramm nach Abdrückprüfungen des Silikons. Als Parameter wurden verschiedene Parametervariationen untereinander untersucht. Die einzelnen Parameter sind der Abszissenbezeichnung zu entnehmen.
Abb. 3: Festigkeitsprüfung
Abbildung 4 zeigt einen Auszug aus den durchgeführten Festigkeitsuntersuchun-
gen. Die Probekörper, die allein mit Laser vorbehandelt wurden, weisen eine nur geringe Festigkeit sowohl im ungealterten Zustand als auch nach Alterung (Heißdampfsterilisation 250 und 500 Zyklen) auf. In Kombination mit Niederdruckplasma steigen die Festigkeitswerte und Beständigkeiten jedoch auf Werte ähnlich den wässrig gereinigten Probekörpern.
6 Interpretation und Zusammenfassung
Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass nur in Zusammenarbeit der drei Disziplinen Analytik, Beschichten und Kleben die vorliegende Fragestellung gelöst werden konnte.
Die oberflächenanalytischen Untersuchungen weisen auf deutliche Rückstände aus Reinigungsmitteln auf den Oberflächen hin, die vermutlich in der Praxis zu Ablösungen geführt haben. Da diese in den vorgestellten Ergebnissen nicht rückstandslos wieder abgereinigt werden konnten, wird empfohlen, zukünftig Reinigungsmittel einzusetzen, die keine Korrosionsschutzinhibitoren beinhalten. Die Reinigung und Modifikation der Oberflächen mit Laser und Niederdruckplasma zeigt deutliche Reinigungseffekte beziehungsweise Abscheidung von haftvermittelnden Schichten.
In den mechanischen Festigkeitsuntersuchungen konnten mit den alternativen Reinigungs- und Vorbehandlungsverfahren nicht die Festigkeiten der herkömmlich durch einen wässrigen Reinigungsprozess gereinigten Probekörper erreicht werden. Es muss jedoch beachtet werden, dass die alternativen Verfahren, wie Laservorbehandlung und Niederdruckplasmareinigung und -beschichtung, automatisiert und stabil sowie reproduzierbar mit einem hohen Maß an Sicherheit ablaufen. Bei den wässrigen Reinigungsverfahren können alleine Parameter, wie eine variierende Verschmutzung der Reinigungslösung, zu Ablagerungen auf den Oberflächen und damit zum Ausfall der Bauteile im Feld führen.
Kontakt
Dr.-Ing. Astrid Wagner, Kleb- und Prüftechnik, NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen, Markwiesenstraße 55, D-72770 Reutlingen; E-Mail: astrid.wagner@nmi.de
DOI: 10.7395/2015/Wagner4
* NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen, Reutlingen
** Hochschule Furtwangen, Fakultät Mechanical and Medical Engineering