Obwohl galvanische Schichten auf den meisten Bauteilen nur wenige Mikrometer dick sind, müssen sie wichtige Aufgaben wie Korrosions- und Verschleißschutz, aber auch dekoratives Aussehen oder elektrische Leitung und Kontaktierung erfüllen. Die geringen Dicken von Schichten und der große Einfluss von Grundmaterial oder Belastungsart auf das System aus Grundmaterial und Beschichtung stellen im Versagensfall eine besondere Herausforderung bei der Aufklärung der Versagensursache dar. Das Fraunhofer-Institut IPA veranstaltete zu diesem Zweck ein Seminar über die Schäden an galvanisierten Bauteilen, das einen Einblick in die Ursachen von Schädigungen, deren Aufklärung sowie über mögliche Abhilfen zur Vermeidung von Schäden informierte. Die Weiterbildungsveranstaltung wurde von Dr. Martin Metzner, Leiter der Abteilung Schichttechnik, geleitet.
Beispiel für einen Schadensfall an einem chrombeschichteten Stahlteil, dessen Ursache durch metallographische Untersuchungen ermittelt wird
Schadensfalltypen
Im ersten Beitrag gab Dr. Metzner einen Überblick über die Arten an Schadensfällen bei galvanischen Schichten, wobei es sich nach seiner Aussage um keine allgemein gültige Einteilung handelt. Unterscheiden lassen sich die Schäden einerseits in produktionsbedingte, wie Haftungsprobleme, matte Stellen oder Poren, und in solche, die im Einsatz auftreten. Darüber hinaus sind selbstverständlich Mischformen möglich.
Die prozessbedingten Schäden treten häufig dadurch auf, dass die galvanische Beschichtung aus einer teilweise sehr hohen Anzahl an Einzelschritten aufgebaut wird und zudem das Substrat zahlreiche Schwachstellen aufweisen kann, in deren Folge Beschichtungsfehler entstehen können.
Die wichtigste Methode für die Schadensuntersuchung an Schichten ist der metallographische Schliff. Mittels diesem werden in der Regel Schadstellen präpariert und mikroskopisch untersucht. Dabei zeigen sich unter anderem Haftungsprobleme sowie Anhaltspunkte für das Auftreten eines Fehlers beispielsweise in Form von störenden Rückständen aus den vorangegangen Schleif- und Polierarbeiten. Des Weiteren werden Mikrobereichsanalysen herangezogen, um Abweichungen zwischen fehlerhaften und fehlerlosen Oberflächenbereichen sowohl des Grundwerkstoffs als auch des Beschichtungssystems zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Fehlersuche stets durch einen Vergleich zwischen guten und fehlerhaften Bereichen erfolgt. Zu den möglichen Fehlern durch das Grundmaterial zählen nachteilige Ausscheidungen oder Rückstände in Metallen (z. B. Blei, Schwefel oder Carbide) oder ungünstige Aktivierungszonen bei galvanisierbaren Kunststoffen.
Nach Aussage von Dr. Metzner sind etwa 75 % der Fehler auf das Substrat zurückzuführen, indem bestimmte Werkstofftypen für die galvanische Beschichtung ungeeignet sind oder besondere Bearbeitungsabläufe erforderlich machen. Zur selben Gruppe zählen auch die Wechselwirkungen der Produktionsparameter auf die Galvanisierbedingungen beziehungsweise die Galvanisierbarkeit von Werkstoffen, die nicht grundsätzlich im erforderlichen Maße bekannt sind. Daraus ergeben sich aufgrund der unbewussten Variation bestimmter Kenngrößen resultierende Fehler. Fehler durch Galvanikprozesse und damit den eigentlichen Schichtfehlern beruhen oft auf Änderungen der Prozesschemie mit deutlichen Auswirkungen auf die Abscheidbarkeit. Zum Teil, insbesondere aufgrund von Umwelteinflüssen, führen auch vorhandene Mikroorganismen zu Schichtfehlern.
Schäden in der Anwendung können beispielsweise durch fehlerhafte Schichten in Form von Poren auftreten, insbesondere bei Grundmaterialien wie Aluminium. Problematisch sind beispielsweise auch Gusswerkstoffe, die bei zu starker mechanischer Bearbeitung einen porösen Untergrund hinterlassen können. Diese sind bei der Beschichtung nicht vollständig zu schließen oder führen im ungünstigen Fall zum Einschluss von Elektrolyt, der in der Folge zu Korrosion von innen nach außen führt.
Abschließend wies Dr. Metzner darauf hin, dass nicht bei allen beschichteten Bauteilen eine erfolgreiche Fehlersuche möglich ist. So können größere Korrosionsschäden nicht mehr eindeutig daraufhin bewertet werden, ob Oberflächen an dieser Stelle fehlerhaft waren oder eine ungeeignete Belastung zum Versagen geführt hat. Darüber hinaus können außergewöhnliche Einflüsse oder ungünstige Verfahrenskombinationen bei der Schichtherstellung an Bauteilen zu erheblichen Fehlern führen. Dies lässt dann nur schwer einen sicheren Rückschluss auf die möglichen Versagensursachen zu.
Schadensfalluntersuchung
Katja Feige stellte Methoden zur Präparation von fehlerhaften Bauteilen vor. In der Regel handelt es sich bei den notwendigen Verfahren um zerstörende Prüfmethoden, da nur die relevanten Zonen eines Teils zur Untersuchung herangezogen werden. Aus diesem Grund ist zunächst eine Bestandsaufnahme notwendig, indem die äußerlichen Gegebenheiten in Verbindung mit den aus der Produktionsvorschrift erhältlichen Angaben erfasst werden. Die daraus gezogene Vorbewertung ist der Ausgangspunkt für die Wahl der Untersuchungsmethode.
Für eine aussagekräftige Untersuchung von Beschichtungsfehlern ist die metallographische Präparation im Prinzip zwingend. Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit mehrere Teile aus unterschiedlichen Stufen der Prozesskette sowie Teile ohne Fehler für die Untersuchung heranzuziehen. Daraus lassen sich die Wirkungen der einzelnen Bearbeitungsschritte sowie eine Referenz für den Sollzustand gewinnen. Die übliche schrittweise Vorgehensweise besteht aus Makroaufnahme, lichtmikroskopischer Betrachtung bei geringer Vergrößerung und anschließend der Auswahl des Bereichs, der einer metallographischen Präparation unterzogen wird.
Die aufwendigste Art der Präparation ist die Zielpräparation, bei der häufig auf einen Bereich mit wenigen Mikrometern Durchmesser genau gearbeitet werden muss. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Werkstoff nicht durch übermäßige Temperaturbeaufschlagung verändert wird. Die aus dem beschädigten Bauteil erhaltene Probe wird in ein Kunstharz eingebettet. Dabei sind unter anderem die Probenlage genau zu ermitteln, aber auch Einflüsse durch das Einbettmittel oder dessen Transparenzgrad. Durch Schleifen und Polieren wird der interessierende Werkstoffquerschnitt so weit geglättet, dass zum einen der Aufbau der Oberfläche erkennbar wird, zum anderen durch Ätzen auch Gefügebestandteile oder Gefügeart bei hoher Auflösung erkennbar werden. Allerdings muss beispielsweise auf Polieren verzichtet werden, wenn der Schichtwerkstoff zum Verschmieren neigt.
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Beispiele für die Fehlerpräparation sowie lichtmikroskopische Betrachtung und Auswertung
Geräte für die Untersuchung von Beschichtungen und Oberflächen: Lichtmikroskop mit Messeinrichtungen (oben) und Rasterelektronenmikroskop mit Röntgenanalyse am Fraunhofer-IPA
Metallographische Querschliffe in Kunstharz können im Lichtmikroskop direkt beobachtet werden, während sie für die REM-Untersuchung mit einem leitfähigen Werkstoff (Gold, Graphit) beschichtet werden müssen. In der Regel verfügen heutige REM-Geräte über eine Mikrosonde, mit der eine Röntgenanalyse durchgeführt werden kann.
Allerdings handelt es sich hierbei um eine Volumenanalyse, die bis in eine bestimmte Tiefe der Probe reicht; es ist also zu berücksichtigen, dass die gefundenen Elemente auch wenige Mikrometer unterhalb der tatsächlichen Oberflächen vorliegen können.
Ein weiteres Analyseverfahren ist das Elementmapping, bei dem die Verteilung der Elemente über den gesamten betrachteten Bereich des Querschnitts erfasst werden kann. Zur visuellen Trennung der einzelnen Werkstoffe innerhalb der Querschnittsfläche eignet sich oft das metallographische Ätzen. Dadurch wird zum Beispiel Nickel einer galvanischen Beschichtung und Stahl des Grundwerkstoffs optisch gut getrennt erkennbar, oder auch unterschiedliche Nickelschichten (chemisch abgeschiedenes Nickel neben galvanisch abgeschiedenem). Ätzen ermöglicht es zudem, Fließlinien bei Kunststoffen sichtbar zu machen.
Für den Abschluss einer guten und aussagekräftigen Fehleranalyse müssen alle erhaltenen Ergebnisse herangezogen werden, um Aussagen zur Fehlerursache und deren Vermeidung treffen zu können. Dazu tragen unter Umständen auch die weiteren Kenngrößen aus der Prozesskette (z. B. Analysenergebnisse der Elektrolyte) bei.
Physikalische Oberflächenfeinanalytik
Unter den physikalischen Verfahren der Oberflächenanalytik spielen vor allem solche eine wichtige Rolle, die mit Röntgen-, Elektronen- oder Ionenstrahlung arbeiten. Bei diesen werden durch die Einstrahlung aus der Oberfläche Elektronen oder Photonen freigesetzt und analysiert, wie Thomas Asam erläuterte. Elektronenstrahlen als Primärstrahl haben den Vorteil, sehr gut fokussiert werden zu können. Allerdings stammt die Antwort aus einer birnenförmigen Verteilung mit einem Durchmesser von etwa zwei Mikrometer Durchmesser. Ein deutlich geringeres Antwortvolumen liegt bei der Untersuchung durch Augerelektronen vor, die lediglich wenige Nanometer beträgt. Darüber hinaus werden die Verfahren ESCA (Nachweis von Verbindungen), GDOS (hohe Schichtdicken), AFM (Oberflächenstruktur), Laserscanning-Mikroskop (Struktur) oder SIMS (gute Nachweisgrenzen, auch organische Schichten) verwendet.
Eine weitere Unterscheidung betrifft die laterale Auflösung: Funkenentladung (bis 10 mm), Glimmentladung (1 mm) oder REM/EDX (1 µm). Thomas Asam zeigte an zahlreichen Beispielen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren. So ergibt REM zwar anschauliche, dreidimensionale Bilder, hat aber bei Anwendung der EDX-Einrichtung Nachteile durch eine geringe Auflösung der Elementanalyse. AFM liefert sehr hohe Auflösungen, allerdings nicht einfach zu interpretierende Ergebnisse. Für die Auflösung und Bestimmung von Mehrfachschichten eignet sich die GDOS-Analyse, die auch dünnste Zwischenschichten sowie deren Anteile an Elementen auflösen kann.
Wie Asam deutlich machte, muss das Verfahren sehr sorgfältig ausgewählt werden, da unter Umständen hohe Kosten entstehen, mit der Gefahr, keine brauchbaren Ergebnisse zu erhalten. Zudem legen die Vor- und Nachteile der einzelnen Technologien nahe, dass eine Kombination von Verfahren notwendig werden kann.
Instrumentelle Analytik
Dr. Rudolf Hillmann und Andreas Schmid befassten sich mit Verfahren der instrumentellen Analytik, wie sie beispielsweise zur Untersuchung von Elektrolyten und Arbeitslösungen eingesetzt werden. Dazu gehören AAS, ICP oder HPLC. Darüber hinaus werden ICP und Glimmentladung (GD) mit Massenspektrometer kombiniert und als Analyseeinheit angeboten. Mit den Methoden lassen sich Bestandteile in Lösungen bis in den ppt-Bereich erfassen. Eine kostengünstige und schnelle Analytik ist die AAS, wobei nur Elemente und keine chemischen Verbindungen analysiert werden. ICP besitzt gegenüber AAS eine höhere Auflösung (ca. 0,1 µg/L) und ist in der Lage, mit 72 Elementen einige mehr als bei AAS zu bestimmen.
Die Durchführung der Analysen zeigte der Vortragende Andreas Schmid an Elektrolyten mit Verunreinigungen. Bei der Durchführung von Präzisionsanalysen ist vor allem auf geringe Werte für die Standardabweichung zu achten.
Dr. Rudolf Hillmann gab einen Überblick über die Technologie ICP für galvanische Elektrolyte. Hierbei werden die zu analysierenden Stoffe über einen Ionenaustausch in die ionischen Verbindungen getrennt und nach der Trennung bestimmt. Die Analyse erfolgt über einen Leitfähigkeitsdetektor. Die Genauigkeiten reichen bis in den ppm-Bereich, allerdings benötigt ein Analysendurchlauf etwa zehn bis 15 Minuten. Bestimmt werden nicht nur Elemente (K, Na, Mg) sondern auch ionische Verbindungen (Sulfat, Chromat, Nitrat). Einzige Vorbereitungstätigkeit ist die Verdünnung der Proben. Um beispielsweise Chrom(III) von Chrom(VI) zu trennen, wird bei der ICP ein Massenspektrometer angeschlossen. Eingesetzt werden die Verfahren verstärkt zur Einstellung von Elektrolyten, das heißt zu deren optimalen Zusammensetzung.
Ursache von Schäden
In der Galvanotechnik sind nach den Worten von Klaus Schmid nur sehr selten direkte Wirkungszusammenhänge zwischen Ursache und Fehler zu finden. Dies liegt unter anderem daran, dass eine größere Zahl an Fachrichtungen mit einer hohen Zahl an Einflussgrößen zusammenspielt. Eine Möglichkeit, trotzdem eine Hilfe zu finden, bieten Häufigkeitsanalysen.
Die Vorgehensweise, um die Fehlerursache zu finden, zeigte Schmid an einem Stahlteil, das verzinkt und chromatiert worden war. Hierbei wurde der Zusammenhang zwischen Fehlerzahlen an der jeweiligen Stelle des Bauteils ermittelt. Daraus ergibt sich, dass ein Fehler auf einen bestimmten Oberflächenzustand zurückzuführen ist, da an bestimmten Stellen die extreme Umformung zur Bildung einer nicht mehr beschichtbaren Oberfläche führt. Das selbe Verfahren demonstrierte der Vortragende an einem chromatierten und gummierten Aluminiumteil. Auch hier war eine starke und vor allem über die Oberfläche ungleich verteilte Verformung vorhanden, die zu einem stark streuenden Anteil an Scherflächen führte. In beiden Fällen wurde durch eine Änderung der Vorbehandlung eine Verbesserung erzielt.
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Partikel auf einer Kunststoffoberfläche, der von der galvanischen Beschichtung umhüllt ist; die Abbildungen zeigen unterschiedliche Ansichten beziehungsweise Schnittebenen
Darüber hinaus sollte bei vielen Fehlerbildern der Blick in die Beschichtungsproduktion nicht fehlen, um alle Ursachenmöglichkeiten während des Prozesses zu erfassen. Da häufig auch die Vorgeschichte der Verarbeitung eines Teils relevant ist, muss in einigen Fällen auch auf die mechanische Vorbearbeitung oder die Auswahl des Werkstoffs eingegangen werden. Daraus können sich Optimierungen der bestehenden Prozesse ergeben, wie beispielsweise eine veränderte Zusammensetzung der Beize. Auf jeden Fall zeigte Klaus Schmid, dass eine systematische Vorgehensweise sehr zu empfehlen ist.
Wertschöpfung
Thomas Wochinger befasste sich mit den Folgen von Fehlteilen in Wertschöpfungsketten und den wirksamen Gegenmaßnahmen. Dabei richtete Wochinger sein Augenmerk auf den gesamten Wirtschaftsprozess zur Herstellung von Produkten. Eingangs verwies er darauf, dass sich in den letzten Jahren eine deutliche Verzweigung und Vergrößerung der Lieferketten ergeben hat. Heute zeichnen sich Produktionen dadurch aus, dass die Variantenvielfalt zunimmt, was in der Regel eine Verminderung der Massenproduktion – also in Richtung einer Werkstattfertigung – beinhaltet. Bei Betrachtung der Kostensituation ergibt sich durch diese Änderung der Produktionsabfolge eine Steigerung der Kosten. Dieser als Komplexitätskosten bezeichnete Faktor geht zu Lasten der Gewinne.
Fehlteile selbst führen beispielsweise zu Kosten durch Produktionsstillstand, zusätzlichen Transport oder Konventionalstrafen. Zur Ermittlung der Kosten eignet sich unter anderem eine Fehler-Prozess-Matrix, aus der sich die Verteilung der Fehlerursache pro Prozessschritt ergibt. Entscheidend ist hierbei auch die Zeit, bis der Fehler erkennbar wird – je länger diese ist, um so teurer wird der Fehler aufgrund von Folgekosten. Schließlich ist darauf hinzuarbeiten, die Lieferfähigkeit zu steigern, beispielsweise durch Klassifizierung der Anforderungen an das Auftragsmanagement beim Auftreten von Fehlern.
Anhand von durchgeführten Projekten zeigte Wochinger die Anwendung der sogenannten Turbulenztechnologie. Eine der einfachsten Methoden ist das sogenannte Shopfloor-Management. Dabei wird in kurzen Zeitabständen der Ist-Zustand der Produktion mit dem Soll-Zustand abgeglichen. Hierbei werden Elemente des KVP eingesetzt. Als weiterer Schritt muss eine geeignete Planung entwickelt werden. Die Planungsangebote reichen von sehr einfachen Angeboten bis zu hochkomplexen, die je nach den örtlichen Gegebenheiten auszuwählen sind. Abschließend betonte der Referent, dass die Zeit zwischen Auftreten eines Fehlers und der darauf folgenden Reaktion möglichst kurz sein sollte, da durch Untätigkeit Werte vernichtet werden.
Haftung
Andreas Reuter schloss das Seminar mit einem Beitrag über die Haftung bei Schadensfällen ab, mit dem die Brücke zwischen Haftung und Versicherung geschlossen werden soll. Um die Vorgehensweise bei Vorliegen eines Schadens und der sich daraus ergebenden Folgen näher zu erläutern, zog er das Beispiel einer Multilayer-Leiterplatte heran, bei der Vias nicht im notwendigen Maße ihre Funktion gewährleisten. Da ein solcher Fehler erst nach Verbauen der Leiterplatten erkennbar ist, stellt sich die Frage der Haftung. Um diese klären zu können, sind zunächst die Ansprüche (wer will was von wem) darzulegen. Im Vertragsrecht (BGB § 433, § 631) will der Käufer ein funktionsfähiges Produkt, während beispielsweise im Öffentlichen Recht die öffentliche Sicherheit im Vordergrund steht. Im Strafrecht will die Justiz Verfehlungen ahnden, wobei nur dann Fehler geahndet werden, wenn sie eine besondere Schwere aufweisen.
Bei sicherheitsrelevanten Produktfehlern stehen dem betroffenen Kunden unterschiedliche Vorgehensweisen offen, zum Beispiel die Auseinandersetzung mit dem Händler, aber auch direkt mit den Partnern der Lieferkette. Darüber hinaus kann die Marktüberwachung oder die Staatsanwaltschaft aktiv werden.
Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrenübergang die vereinbarte Beschaffenheit besitzt. Hilfsweise gilt eine Sache als mangelfrei, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und die zu erwartende Beschaffenheit aufweist. (Dies ist problematisch, da hierfür anwendbare Gesetze und technische Normen ins Spiel kommen.) Eine Sache ist damit also mangelhaft, wenn sie die vorgesehene Beschaffung bei Gefahrenübergang nicht aufweist. Dazu ist es notwendig, einen Soll-Ist-Abgleich durchzuführen. Die Beschreibung, welche Beschaffenheit eine Sache aufweist, ist somit außerordentlich wichtig.
Verträge müssen nach Aussage des Referenten folgendes enthalten: Vertragspartner, Vertragsgegenstand (Spezifikation), Preis. Wichtig sind darüber hinaus die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Hauptpflichten aus dem Kaufvertrag sind die Übergabe der Kaufsache und die Verschaffung des Eigentums. Der Käufer muss die Sache abnehmen und den Kaufpreis bezahlen. Liegt ein Mangel vor, hat der Kunde Anspruch auf Nacherfüllung und Aufwendungsersatz sowie immer Schadensersatz für Folgeschäden, die durch die Nacherfüllung nicht beseitigt werden. Dafür muss der Lieferant allerdings das Verschulden tragen. Nach Ablauf einer angemessenen Frist und Nichterfüllung kann der Kunde vom Vertrag zurücktreten und Schadensersatz fordern. Alternativ kann der Kunde bei einem Sachmangel auch eine Minderung des Kaufpreises der Ware fordern und wiederum Schadensersatz für Folgeschäden.
Die Frage des Schadensersatzes wird in §§ 280 ff BGB geregelt (z. B. unbegrenzte Haftung unabhängig von der Höhe des Auftragswerts). Prinzipiell wird davon ausgegangen, dass der Ersatzanspruch so hoch ist, dass der Geschädigte so gestellt ist, wie bei ordentlicher Vertragserfüllung. Nacharbeiten dürfen jedoch nicht ohne Zustimmung des Verkäufers ausgeführt werden. Der Kunde muss zum Inkrafttreten der Haftung eine Wareneingangsprüfung, eine fertigungsbegleitende Qualitätssicherung nachweisen oder beispielsweise die andere Seite rechtzeitig informieren.
Der Nachweis des Schadens muss gerichtsfest erfolgen. Sowieso-Kosten (Kosten, die auch ohne Auftreten von Mängeln anfallen) sind dagegen nicht zu ersetzen. Schwierig zu ermitteln ist hierbei der entgangene Gewinn.
Unter Produkthaftung ist die Haftung dafür zu verstehen, dass ein Produkt die Sicherheit besitzt, die nach dem aktuellen Stand der Technik erwartet werden darf. Dies schließt ein, dass eine Sache durchaus auch risikobehaftet ist oder sein kann. Darüber hinaus beziehen sich die Anforderungen auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens sowie über die gesamte Nutzungsdauer des Produkts. Konkretisiert sind die Sorgfaltspflichten in den Verkehrssicherungspflichten. In Bezug auf die erwartbare Sicherheit ist die Dokumentation der Maßnahmen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten wichtig. Beim Stand der Technik kommen die Normen und Gesetze zum Tragen; allerdings empfiehlt es sich, zum Zeitpunkt der Inverkehrbringung den Stand der Technik schriftlich festzuhalten.
Im Hinblick auf eine Versicherung der Risiken wies Andreas Reuter darauf hin, dass die Abdeckung von derartigen Risiken kaum möglich ist. Der Grund liegt in der Unwägbarkeit der eintretenden Risiken; die Prämien dafür wären so hoch, dass die Versicherung nicht sinnvoll ist. Möglich ist dagegen eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung, bei der Selbstbehalte vereinbart werden und die Haftungssummen begrenzt sind. Auf jeden Fall müssen derartige Versicherungen auf jedes Unternehmen angepasst sein und ein Unternehmen muss dazu über ein umfangreiches Risikomanagement verfügen.
Fazit
Das Seminar über Schadensfälle zeigte, dass die Ursachen für Schäden im Bereich der Oberflächenbehandlung sehr komplex in der Ermittlung sind. Häufig liegen die Schadensursachen deutlich vor der Bearbeitung durch den Beschichter. Darüber hinaus erfordert die Ermittlung von Schäden eine umfangreiche Kenntnis in Materialkunde und Prozesstechnik sowie ein sehr weitreichendes Analysenarsenal mit hoher Auflösung bis weit unter den Mikrometermaßstab. Dies macht die Schadensuntersuchung im Bereich der Oberflächentechnik aber auch zu einer sehr interessanten Sache, die hilft, unnötige Zusatzkosten bei der Herstellung von Produkten zu vermeiden.
Besonders interessant ist die Betrachtung der juristischen Konsequenzen, wie sie sich aus der Produkthaftung ergeben; hier stehen die Unternehmen der Oberflächentechnik noch vor umfangreichen Herausforderungen zur Verbesserung der Situation und zur Abwehr von Kosten.