Zukunft ohne Chromsäure

Oberflächen 10. 11. 2014
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Kunststoffgalvanisierung ohne sechswertiges Chrom

Von Terry Clarke, MacDermid Industrial Solutions, Global Director, Research & Development

Galvanisierte Kunststoffe werden seit über 40 Jahren in Konsumgütern verwendet und stellen auch weiterhin eine günstige Möglichkeit dar, Stil und Ästhetik vieler elektronischer, Sanitär- und Automobilprodukte zu vereinen. Die Beständigkeit und Performance ­dieser Beschichtungen hängt hauptsächlich von den abgeschiedenen Metallschichten und den mechanischen Eigenschaften der verwendeten Kunststoffe ab.

Kunststoffsubstrate

ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) gehörte­ bereits zu den ersten Polymeren, die zu kommerziellen Zwecken metallisiert wurden und, obwohl inzwischen viele andere Kunststoffe beschichtet werden, ist ABS weiterhin das am häufigsten beschichtete Substratmaterial. Weltweit wurden und werden große Beschichtungslinien für die Kunststoffveredlung als Teil der Lieferkette im Bereich des Fahrzeugbaus (Abb. 1), der Sanitärindustrie sowie der Elektronik errichtet. Als Hauptabnehmer ist die Automobilindustrie mit etwa 70 Prozent Anteil an den veredelten Oberflächen anzusehen.

Chemische Vorbehandlung

Der erste wichtige chemische Schritt bei der Kunststoffbeschichtung ist das Beizen der Kunststoffoberfläche. Die am häufigsten verwendeten Beizmedien basieren auf Chromtrioxid (Chromsäure, CrO3) und Schwefelsäure. Dieses Beizverfahren wurde erstmals vor über 40 Jahren angewandt und ist noch heute der am weitesten verbreitete Prozess für das Kunststoffbeizen. In den letzten Jahren wurde Chromtrioxid als eine krebsfördernde Verbindung gekennzeichnet und ist seit 2003 als Karzinogen der Klasse 1 eingestuft.

Begrenzte Nutzung von Chromtrioxid

Sowohl in Europa als auch in Nordamerika­ üben die Umweltministerien durch Gesetze Druck auf die Anwender aus, um den Gebrauch vieler gefährlicher Substanzen zu reduzieren beziehungsweise zu kontrollieren. In von der EU (in Form der Chemikalienverordnung REACh) oder dem EPA, der US-amerikanischen Umweltbehörde, ausgehenden Initiativen wurden die gefährlichsten Substanzen erfasst und zwecks ihrer kontrollierten Reduktion, Registrierung zur autorisierten Verwendung oder ihres nahezu vollständigen Nutzungsverbots gekennzeichnet. Diese Programme konzentrieren sich auf bestimmte, in der Oberflächentechnik verwendete Metallverbindungen und Stoffe wie Kadmium, Quecksilber und Chromtrioxid und haben Fristen für rechtlich verbindliche Einschränkungen festgelegt.

Als Datum für die letzte Verwendung (sunset date) von Chromtrioxid in der dekorativen Oberflächenbehandlung wurde der 21. September 2017 festgelegt. Der Druck durch die Gesetzgeber wiederum hatte einen stimulierenden Effekt auf die Forschung, die sich darauf konzentrierte, die betroffenen Stoffgruppen durch neue chemische Formulierungen zu ersetzen. MacDermid hat bereits vor über 15 Jahren Entwicklungsprogramme gestartet mit dem Ziel, Chromtrioxid in Korrosionsschutzprozessen zu eliminieren. Zuletzt lag der Fokus auf dem Gebiet der dekorativen Beschichtungen. Dies hat dazu geführt, dass neue chemische Prozesse, die das Chromtrioxid speziell in der Kunststoffbeizbehandlung erfolgreich ersetzen können, entwickelt und optimiert wurden und inzwischen industriell gestestet werden.

Diese jüngste Entwicklung wird derzeit­ umfassend industriell geprüft und noch 2014 weltweit lanciert und vertrieben­ werden. Der neue Prozess mit der Vertriebsbezeichnung MacuPlex Evolve enthält weder Chromtrioxid noch PFOS-Substanzen.

Evolution oder Revolution?

Das neue Verfahren wurde so konzipiert, dass es denselben Raumbedarf benötigt wie eine Vorbehandlung nach dem Stand der Technik. Es enthält einen Konditionierschritt, welcher die Beizgeschwindigkeit und -effektivität signifikant erhöht und es ermöglicht, eine beachtliche Vielfalt an Kunststoffen mit dem selben Prozessablauf und den selben Bedingungen zu bearbeiten. Auch die Expositionszeit der Vorbehandlung ist ähnlich wie die bei einer konventionellen Vorbehandlung und wird abhängig vom verwendeten Kunststoff und der Qualität des Spritzgusses angepasst.

Die neuen Produkte zum Ansatz der Beize sind weit unkritischer als die des bestehenden Chromsäure/Schwefelsäuretyps und arbeiten mit deutlich niedrigeren Konzentrationen, wodurch die Spülschritte deutlich einfacher und die Abwasserbehandlung wesentlich kostengünstiger werden.

Problem Gestellbeschichtung

Die Vermeidung der Gestellbeschichtung hatte wie die aufwändige Entwicklung des neuen Beiz- und Vorbehandlungssystems hohe Priorität bei der Entwicklung des neuen Prozesses. Dies wurde durch ein zweistufiges Inhibitorsystem erreicht.

Das neue System bietet der Beschichtungsindustrie die Gelegenheit, das seit langem geforderte Ziel der Eliminierung von Chromtrioxid in der Kunststoffvorbehandlung zu erreichen. Bei wachsendem Bedarf an beschichteten Kunststoffen – vor allem durch den weltweit expandierenden Auto­mobilsektor – hat dieses Verfahren sehr gute Zukunftsaussichten.

 

Text zum Titelbild: Verchromter Kühlergrill

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