Ersatz für den Zinkphosphatierprozess im Automobilbau
Der Zinkphosphatierprozess bietet einen hohen Korrosionsschutz in Kombination mit Lackaufbauten für Stahlsubstrate im Automobilbau. Aufgrund neuer Gesetze zum Umwelt- und Arbeitsschutz werden einige Chemikalien, die in diesem Prozess verwendet werden, seit 2010 als krebserregend eingestuft. Daher rücken alternative Vorbehandlungsmethoden in den Fokus. Solche Alternativen sind Dünnschichtvorbehandlungen. Da diese Technologien neu sind, ist ihre Korrosionsschutzwirkung und Performance im Automobilbau noch nicht ausreichend untersucht. In einem Forschungsprojekt am Fraunhofer-IPA werden grundlegende Studien zum Einfluss von neuen Dünnschichtvorbehandlungen im Vergleich zum Zinkphosphatierprozess auf den Korrosionsschutz an Automobilwerkstoffen durchgeführt. Dabei werden phänomenologische Studien, wie verschärfte Freibewitterung und Korrosionswechseltests als Ringversuche, mit wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden kombiniert.
Performance of new pretreatment technologies as substitute for zinc phosphating process for corrosion protection in the automotive industry
Zinc phosphating process in combination with EDP and multi-layer coating leads to high corrosion protection for steel in automotive industry. Due to new health and environmental regulations, components of the zinc phosphating process are classified as carcinogenic since 2010. Therefore alternative processes are demanded. Such alternative processes are new thin layer technologies. As thin layer technologies are new processes, their performance in corrosion protection in automotive application is not yet sufficiently investigated. In a research project at Fraunhofer-IPA fundamental studies about the influence on corrosion protection of thin layer pretreatments in comparison to zinc phosphating process are performed. Therefore phenomenological studies, as intensified outdoor weathering und cyclic corrosion round-robin tests, are combined with scientific analyses.
1 Einleitung
Im Korrosionsschutz für den Automobilbau ist die Vorbehandlung der Substrate im Zinkphosphatierprozess und die Beschichtung mit KTL sowie eine darauf aufbauende Mehrschichtlackierung Stand der Technik. Dieser seit mehreren Jahrzehnten etablierte Prozess garantiert einen hohen Korrosionsschutz für Stahlsubstrate. Aufgrund von neuen strengeren Gesundheits- und Umweltgesetzen ist dieser Prozess als krebserregend eingestuft, da beim Trikation-Zinkphosphatier-Prozess Nickelsalze eingesetzt werden.
Ein weiterer Aspekt, der den Einsatz von neuen Technologien erfordert, ist, dass der Zinkphosphatierprozess für Aluminium und neue Substratmaterialien keinen optimalen Korrosionsschutz erzeugt. Weitere Nachteile dieses Prozesses, insbesondere bei Aluminiumsubstraten, sind Probleme mit Schlammbildung im Multi-Metall-Prozess und hohe Energiekosten durch eine mehrstufige Prozessführung. Aufgrund dieser Nachteile des Zinkphosphatierprozesses erscheinen die neuen Dünnschichttechnologien als eine attraktive Alternative. Sie haben eine nachhaltige und energiesparende Prozessführung (einstufig) und erfüllen die Gesundheits- und Umweltgesetze, da keine krebserregenden Stoffe eingesetzt werden.
Das größte Hindernis für den großtechnischen Einsatz dieser neuen Dünnschichttechnologien ist, dass bisher keine ausreichenden Kenntnisse über den Einfluss der Vorbehandlungen auf den Korrosionsschutz unter Multi-Metall-Vorbehandlungsbedingungen vorliegen. Speziell der gegenseitige Einfluss der verschiedenen Werkstoffe, der neuen Vorbehandlungen und KTL auf den Korrosionsschutz wurde bisher nicht untersucht.
Dies veranlasste die Werkstoffhersteller und die Automobilindustrie, beim Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) ein Forschungsprojekt zu starten, um grundlegendes Wissen über Dünnschichttechnologien und deren Einfluss auf den Korrosionsschutz zu generieren. In diesem Projekt werden phänomenologische Studien und wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, um die relevanten Faktoren, die den Korrosionsschutz beeinflussen, zu erfassen. Es werden die Korrosionsprozesse auf Standard- und neuen Substratmaterialien in Kombination mit neuen Vorbehandlungen im Vergleich zum standardmäßigen Zinkphosphatierprozess untersucht. Dabei wird die Leistungsfähigkeit der Systeme miteinander verglichen und ein Einblick in die relevanten Korrosionsprozesse erhalten.
2 Das Forschungsprojekt
Im Rahmen des Forschungsprojekts, das von der Stiftung Stahlanwendungsforschung der FOSTA gefördert wird, wurde ein umfassendes Blechprogramm mit verschiedenen Substratmaterialien erstellt, das sowohl standardmäßige Substratmaterialien (z. B. Stahl, verzinkten Stahl, Aluminium,) als auch neue Substrate, wie Zink-Magnesium-Überzüge und Stahl mit Korrosionsschutzprimer, enthält.
Diese Substrate wurden mit drei verschiedenen Vorbehandlungen (VBH) versehen. Neben zwei Dünnschichttechnologien (VBH B und C) wurde als Vergleich eine standardmäßige Zinkphosphatschicht abgeschieden (VBH A). Die insgesamt 30 Varianten wurden mit einer automobiltypischen kathodischen Tauchlackierung (KTL), die im Multi-Metall-Prozess eingesetzt wird, beschichtet.
Ein wichtiger Aspekt dieses Projekts ist die Korrelation des Korrosionsverhaltens zwischen verschärfter Freibewitterung und Korrosionswechseltest nach VDA 233-102. Daher werden diese Prüfungen als Ringversuchdurchgeführt. Neben den Ringversuchen werden weitere phänomenologische und wissenschaftliche Untersuchungen vorgenommen.
Ein Aspekt ist dabei der Einfluss des Reinigungsprozesses auf die Konversionsschicht. Da die Dünnschichtvorbehandlung Konversionsschichten mit wenigen hundert Nanometern erzeugen, können Verunreinigungen einen starken Einfluss auf die Homogenität und Güte der Vorbehandlung nehmen. Ziel dieser Untersuchungen ist es, die optimalen Reinigungsparameter für einen hohen Korrosionsschutz zu finden. Hierfür werden energetische und elektrochemische Untersuchungen an gereinigten Substraten durchgeführt. Energetische Studien werden zusätzlich an vorbehandelten Substraten durchgeführt, um Alterungseffekte zu untersuchen.
Für ein besseres Verständnis der Barrierefunktion der Vorbehandlungsschichten und der mit KTL beschichteten Proben werden verschiedene elektrochemische Untersuchungen wie Elektrochemische Impedanz Spektroskopie (EIS), Raster-Kelvin-Sonde (SKP), Cyclovoltammetrie (CV) und Polarisation angewandt. Die Empfindlichkeit und Stabilität der vorbehandelten Substratoberflächen wird mithilfe von oberflächenenergetischen und elektrochemischen Methoden untersucht.
Zudem werden die Auswirkungen der Migration von Wasser und Elektrolyten in die Grenzfläche zwischen Metall und Konversionsschicht beziehungsweise Konversionsschicht und KTL mithilfe der Rasterelektronenmikroskopie (REM) und EIS beziehungsweise SKP untersucht. Hierzu wird unter anderem die FIB-Technologie zur Herstellung von Querschnitten eingesetzt, um die Schichtdicken vor und nach Belastung zu untersuchen. Damit können Veränderungen durch die Belastungen festgestellt werden. Zusätzlich bilden EDX-Untersuchungen die Homogenität der Schichten ab.
Das Forschungsprojekt soll Aufschluss über die gegenseitige Beeinflussung der Grundwerkstoffe und Vorbehandlungen im Verbund mit KTL geben. Darüber hinaus sollen mögliche Schwachstellen und Versagensmechanismen identifiziert werden. Die Ergebnisse werden Einblicke in die Performance der Systeme geben und dabei helfen, aus den Stärken und Schwächen der Dünnschichtvorbehandlung Ansatzpunkte zur Materialoptimierung abzuleiten.
3 Ringversuch nach VDA 233-102
Zur Untersuchung der Korrelation von verschärfter Freibewitterung und zyklischem Korrosionswechseltest wurden beide Tests als Ringversuch durchgeführt. Die Ergebnisse des Ringversuchs nach VDA 233-102 sollten die Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit des neuen Korrosionswechseltests aufzeigen.
Der neue Korrosionswechseltest wurde kürzlich, nach langer Entwicklungszeit, als VDA 233-102 beziehungsweise VDEh Standard SEP 1850 etabliert. Im Vergleich zum alten Korrosionswechseltest (VDA 621-415) korrelieren die Ergebnisse für Aluminium und verzinkter Stahl besser mit der verschärften Freibewitterung und dem Feldversuch [1, 2].
Da diese Substrate für den Automobilbau immer wichtiger werden, ist eine gute Korrelation zwischen Kurzzeitprüfung und Anwendung essentiell. Aus der Literatur sind folgende Vorteile für den neuen VDA bekannt:
- reproduzierbare und zuverlässige Testergebnisse für Stahl, verzinkten Stahl und Aluminium; bei Stahl und Aluminium ist Filiformkorrosion darstellbar
- gute Korrelation mit Feldversuchen
- Reproduzierbarkeit der Testergebnisse unabhängig von der Prüfkammer
- kurze Prüfdauer
Die Testergebnisse der Unterwanderung am Ritz sollen nach sechs Wochen mit den Testergebnissen von einem Jahr verschärfter Freibewitterung korrelieren. Dies bedeutet eine Unterwanderung < 1 mm für verzinkten Stahl und Aluminium und < 3 mm für Stahl. Das Verhältnis Stahl/verzinkter Stahl/Aluminium liegt bei 3/1/1.
Mit dem Ringversuch soll unter anderem die Zuverlässigkeit der Testergebnisse für repräsentative Substratmaterialien in der Automobilanwendung mit Standard- und neuen Vorbehandlungen in Kombination mit KTL gezeigt werden.
4 Bisherige Ergebnisse
Aus dem noch laufenden Projekt werden nachfolgend die bisher vorliegenden Ergebnisse vorgestellt.
Der Ringversuch nach VDA 233-102 wurde in drei Prüflabors (I, II und III) durchgeführt. Alle Substrate des Blechprogramms wurden mit den Vorbehandlungen A, B und C mit jeweils drei Parallelproben in jedem Labor geprüft. Die Ergebnisse der Unterwanderung sind in Abbildung 1 dargestellt. Sie zeigen, dass die Ergebnisse mit einer Fehlertoleranz von 1 mm übereinstimmen. Dies zeigt, dass der neue VDA für neue Substrate und Dünnschichtvorbehandlungen ebenfalls zuverlässig und reproduzierbar ist. Nur bei den Stahlsubstraten (1 und 2) kann ein geringfügig besserer Korrosionsschutz mit der Zinkphosphatierung im Vergleich zur Dünnschichtvorbehandlung beobachtet werden.
Messungen mit der Raster-Kelvin-Sonde auf vorbehandelten Substraten ergibt, dass die elektrochemische Homogenität von der Vorbehandlung und dem Substratmaterial abhängt. Die Ergebnisse weisen auf eine insgesamt hohe Homogenität hin. Dies bedeutet, dass sie eine geringe Korrosionsneigung haben.
Mittels Polarisation wurden die Korrosionspotenziale gemessen [3]. Sie sind in der selben Größenordnung für das gleiche Substratmaterial. Für Stahl liegt es bei etwa -0,6 V, für verzinkten Stahl bei circa -1,0 V gegen Ag/AgCl. In Abbildung 2 ist ein für diese Proben typisches Polarisationsdiagramm abgebildet. Die Korrosionsstromdichte liegt zwischen 10-5 A/cm2 und 10-7 A/cm2, was eine Passivierung der Substratoberfläche bedeutet.
Die Untersuchung der Oberflächenenergie (OFE) der gereinigten Substrate ergibt einen starken Einfluss des Reinigungsprozesses auf die energetischen Gegebenheiten der Substrate. Zwei verschiedene Prozesse ergeben vor allem im polaren Anteil der Oberflächenenergie starke Unterschiede (Abb. 3). Daher sind weitere Untersuchungen über den Einfluss des Reinigungsprozesses geplant.
Die Zeitabhängigkeit der Oberflächenenergie der vorbehandelten Substrate wurde ebenfalls bestimmt. Es zeigt sich ein starker Alterungsprozess, der vor allem in den ersten zwei Wochen nach der Vorbehandlung stattfindet. Nach vier Wochen sind nahezu alle Werte der Oberflächenenergie konstant.
FIB/REM-Untersuchungen zeigen, dass die Konversionsschichten eine relativ homogene Struktur aufweisen. Vorbehandlung VBH A ist eine Zinkphosphatschicht mit 1 µm bis 2 µm Schichtdicke. Die unterschiedliche Orientierung der Zinkphosphatkristalle erzeugt die typischen Schichtdickenschwankungen. Die Dünnschichtvorbehandlungen VBH B und C haben eine Dicke von 100 nm beziehungsweise 200 nm. Die Schichtdicke aller Vorbehandlungen ist, wie Abbildung 5 zeigt, unabhängig vom Substrat. Die Anbindung der Konversionsschicht an das Substrat ist sehr gut wie auch die Benetzung der KTL auf der Konversionsschicht. Beide Faktoren können zu einem guten Korrosionsschutz beitragen.
Abb. 5: FIB/REM-Aufnahmen von Stahl (oben) und verzinktem Stahl (unten) mit VBH A (links) B (Mitte) und C (rechts)
5 Ausblick
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Vorbehandlungen die elektrochemische Homogenität und Oberflächenenergie der Substrate stark beeinflussen. Weitere Untersuchungen innerhalb des laufenden Projekts werden zeigen, welchen Einfluss diese Effekte auf den Korrosionsschutz haben.
Die Korrelation zwischen Korrosionswechseltest, verschärfter Freibewitterung und elektrochemischen und energetischen Untersuchungen wird im Laufe des Projekts hergestellt. Die gesamten Ergebnisse dieses Projekts werden die Effektivität des Korrosionsschutzes der neuen Dünnschichtvorbehandlungen im Vergleich zum Stand der Technik aufzeigen.
Ziel dieser Untersuchungen ist es, herauszufinden, welche Einflussgrößen den Korrosionsschutz der verschiedenen Substrate im Multi-Metall-Prozess mit den neuen Vorbehandlungen und KTL hauptsächlich beeinflussen. Der Nutzen dieses Projekts für die Anwendung im Automobilbereich wird sein, dass eine grundlegende Wissensbasis über den Einfluss von Dünnschichtvorbehandlung im langzeitig-hohen Korrosionsschutz generiert wird.
Danksagungen
Die Autoren danken der Stiftung Stahlanwendungsforschung der FOSTA für die Förderung dieses Projekts und den Unternehmen des projektbegleitenden Ausschusses für die Unterstützung in diesem Forschungsprojekt.
Literatur
[1] K.-H. Stellnberger, G. Luckeneder; VDA/VDEh-Arbeitskreis, Linz, 2008
[2] K.-H. Stellnberger; Besser lackieren 12 (2010), 10
[3] A. Losch, J. W. Schulze; Appl. Surf. Sci. 52 (1991), 29–38
DOI: 10.7395/2014/Bauder1