REACh und Chrom(VI) – der erste Schritt ist getan

Oberflächen 09. 02. 2014

Erster Teilerfolg des VECCO e. V. beim Kampf um eine faire Chance bei REACh

Im vergangenen Jahr hatte der VECCO e. V. in Vertretung von 185 europäischen Unternehmen eine Klage bezüglich der ohne Ausnahme erfolgten Aufnahme von Chromtrioxid (CrO3) in den Anhang XIV von REACh beim Europäischen Gerichtshof angestrengt. Am 7. September des vergangenen Jahres war die Klage offiziell vom Europäischen Gerichtshof angenommen worden! Ein wichtiger Punkt der Klage betrifft die Messwerte bezüglich der Gefährlichkeit von Chromsäure in galvanotechnischen Betrieben, für deren Erhebung und Auswertung die Berufsgenossenschaften und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung DGUV als Spitzenverband verantwortlich zeichnen. Um die Richtigkeit und vor allem auch die korrekte Verwendung beurteilen zu können, verlangte der VECCO Einsicht in die Daten. Dazu war die DGUV bisher nicht bereit, weshalb beim Verwaltungsgericht die Einsichtnahme eingeklagt wurde. Die Verhandlung hierzu fand am 16. Januar nach fast eineinhalb Jahre andauernden Vergleichsverhandlungen in Berlin statt.

Zu der Verhandlung unter Leitung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin,­ Erna Viktoria Xalter, waren auf Klägerseite Jochen Schmitt, Vorsitzender des VECCO e. V., und auf Seiten der Beklagten Herr Stamm als Vertreter der DGUV mit den jeweiligen Rechtsanwälten erschienen. Mit Erstaunen quittierte die Vorsitzende Richterin die ­große Anteilnahme durch zahlreiche Mitglieder der oberflächentechnischen Branche. Und mit Schmunzeln wurde zur Kenntnis genommen, dass die Verhandlung in Raum 1103 stattfand – im Sicherheits- und Gesundheitsbericht bei der Arbeit (Unfallverhütungsbericht Arbeit des Bundesministeriums für Arbeit) SUGA sind unter 1103 die Erkrankungen durch Chromverbindungen gelistet.

Einleitend wurde von einem der fünf Richter der Inhalt der Klage vorgetragen. Im Vordergrund standen dabei die Messungen der Berufsgenossenschaften zu den Expositionen von Chrom(VI) am Arbeitsplatz, die in den Jahren 2000 bis 2009 durchgeführt wurden. Diese Messungen wurden in dem so genannten MEGA-Report ausgewertet und dienten als wichtige Basis für die Eingabe der deutschen Behörden bei der ECHA und den daraus folgenden Entscheidungen zur Einstufung von Chrom(VI)verbindungen in die REACh-Verordnung sowie den in den letzten Monaten ausgiebig diskutierten Folgen für die Galvanotechnik. Insbesondere die Messungen und Messwerte müssen nach Ansicht der Kläger genau offengelegt werden, was bisher von der DGUV nicht erfolgt war. In einem (notwendigen) vorgeschalteten Vergleichsverfahren zu dieser Klage wurde die geforderte Offenlegung konkretisiert, beispielsweise in Bezug auf eine Anonymisierung. Auf Basis dieser Konkretisierung standen dann für die Verhandlung in Berlin etwa 20 bis 30 Datenfelder der Gesamtdatenbank im Mittelpunkt.

Die Vorsitzende Richterin Xalter befasste sich zunächst mit dem Status der DGUV und wies darauf hin, dass aus den zugänglichen Statuten des Verbands nicht zweifelsfrei darauf zu schließen ist, dass die DGUV einen hoheitlichen Status besitzt. Dieser Punkt ist wichtig in Bezug auf den Anspruch auf Offenlegung von Daten, wie er sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz für staatliche Einrichtungen ableiten lässt. Das Gericht sah hier die Notwendigkeit zu einer klareren Festlegung bezüglich des Status durch den Staat. Xalter wies die Parteien trotz dieser lückenhaften Ausgangssituation ausdrücklich darauf hin, im Rahmen der stattfindenden Verhandlung zu einer Einigung zu kommen, vor allem auch, um dem Staat unnötig zeitraubende und kostenintensive Verhandlungen zu ersparen.

Erfreulich war die Vorgehensweise des Gerichts, das ohne besonderen Aufwand weitere bei der Verhandlung anwesende Personen mit zusätzlicher Fachkompetenz in die Verhandlung einbezog.

Auf dieser Basis befassten sich die Parteien unter ausgezeichneter juristischer und fachlicher Führung der Vorsitzenden Richterin und deren beisitzenden Richtern mit einer konkreten Abarbeitung der einzelnen eingeklagten Datenpakete. Wichtig sind hier die Angaben, aus denen hervorgeht, ob es sich beim jeweiligen Messort, also dem Unternehmen beziehungsweise dem Unternehmensbereich, überhaupt um eine galvanotechnische Produktionsstätte handelt. Die für den MEGA-Report herangezogene Datenbank enthält auch Werte, die beispielsweise in den Tätigkeitsfeldern Schweißen oder Schleifen/Polieren zur Exposition von Chromverbindungen gewonnen wurden. Das Interesse des VECCO richtet sich aber eindeutig auf den Prozess der galvanischen Abscheidung, weshalb eine klare Abgrenzung getroffen werden muss, wie sie allem Anschein nach im MEGA-Report und vor allem bei seiner weiteren Verwendung nicht berücksichtigt wurde.

Zu berücksichtigende Aspekte bei der Offenlegung der Daten sind auch die technische Machbarkeit sowie die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf den zeitlichen und damit auch den kostenmäßigen Aufwand zur Selektierung der vom Kläger eingeforderten Angaben. Bei der Frage der technischen Machbarkeit sah die DGUV kein Problem, führte aber im weiteren aus, weshalb die Aufbereitung der Daten für den VECCO aufwendig ist. Im MEGA-Report sind nach Aussage der DGUV alle Messwerte zwischen 2000 und 2009 bestehend aus 28 Informationseinheiten verwertet worden. Dazu zählt beispielsweise die Teilbetriebsart, aus der ersichtlich ist, ob ein Produktionsbereich der Fachrichtung galvanische Metallabscheidung zugerechnet werden kann. Diese­ Informationseinheiten können von der Beklagten abstrakt benannt und bekannt gegeben werden, so dass von dort kein Rückschluss auf das vermessene Unternehmen gezogen werden kann. Damit wird ein wichtiger Kritikpunkt der beklagten DGUV – durch die Weitergabe der geforderten Daten besteht die Gefahr, Betriebsgeheimnisse preiszugeben – entkräftet. Der zeitliche Aufwand für das Sichten der etwa 4000 ­Datensätze wurde mit etwa ein bis maximal zwei Mannwochen veranschlagt, was nach Ansicht des Gerichts unerheblich ist.

VECCO begründet seine Forderung auch damit, dass die einzelnen Daten für die aussichtsreiche Verhandlung des VECCO vor dem EuGH notwendig sind. Dies wurde von der Beklagten bestritten, da nach deren Auffassung die zusammenfassenden Daten ausreichend sein sollten. Das Gericht wies darauf hin, dass die vom Kläger gewünschten Daten an keiner Stelle verfügbar sind und deshalb eingefordert werden können. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei den eingeforderten Angaben um Umweltinformationen. In diesem Fall ist die Beklagte informationspflichtig. Abgelehnt werden kann die Herausgabe von Informationen, wenn der Verdacht eines Missbrauchs vorliegt. Das Gericht sieht im vorliegenden Fall diesen Verdacht nicht bestätigt. Die Beklagte stimmte dem im Falle der Herausgabe von anonymisierten Daten zu. Insbesondere wies die Richterin darauf hin, dass die gesetzliche Lage keinen besonderen Grund für das Informationsverlangen voraussetzt!

Problematisch ist die Anonymisierung deshalb, weil die DGUV mit den Eigentümern der Daten, den Berufsgenossenschaften der Länder, Rücksprache halten muss. Je nach Dateninhalt sehen die Berufsgenossenschaften offenbar die Gefahr, dass Rückschlüsse möglich sein könnten. Aus diesem Grund haben insbesondere die Berufsgenossenschaften einer Datenfreigabe bisher nicht zugestimmt.

Das Gericht befasste sich deshalb im Rahmen der Verhandlung mit der Frage, welche Daten zur Anonymisierung notwendig sind und welche freigegeben werden können. Es wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Verpflichtung gegenüber den Berufsgenossenschaften kein Ablehnungsgrund zur Herausgabe von Daten durch die DGUV ist, da die Berufsgenossenschaften ihrerseits informationspflichtig sind.

In den Verhandlungen zwischen den Parteien über die Art der Datenfelder erwies sich vor allem die Teilbetriebsart als kritisch, da hier beispielsweise auch stark eingrenzende Bemerkungen enthalten sind, die insbesondere für die Betriebe in kleinen Bundesländern Rückschlüsse auf den genauen Messort ermöglichen. Ähnlich verhält es sich mit nahezu allen Datenfeldern, die Freitext ohne Standardisierung enthalten. Die Parteien einigten sich deshalb auf solche Felder, die für den VECCO zu verwertbaren Daten führen und für die DGUV keine Gefahr der Preisgabe von Unternehmensgeheimnissen begründen.

Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts, das am selben Tag verkündet wurde, steht dem VECCO für die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wohl die wichtigste Grundlage zur Verfügung, die über den Ausgang der Klage entscheiden kann. Das kompetente Auftreten der Richter in Berlin, insbesondere der Präsidentin des Verwaltungsgerichts, hat einen ganz entscheidenden Anteil am – für die galvanotechnischen Unternehmen – erfolgreichen Ausgang der Verhandlung. Vor allem aber machte das Gericht klar, wofür die Informationsgesetze gedacht sind: Die erhöhte Transparenz soll der besseren Überprüfung der Tätigkeiten von Behörden dienen, um Willkür zu vermeiden. Genau dies möchte der VECCO auf deutscher und auf europäischer Ebene erreichen.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit dient dem Schutz des Einzelnen gegen rechtswidrige Maßnahmen der Verwaltung. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass spezielle Rechtsvorschriften im Einzelfall eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung ermöglichen. Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes der Rechtsweg offen.

Die Rechtsbereiche, mit denen sich das Verwaltungsgericht zu befassen hat, sind beispielsweise das Polizei-, Kommunal-, Schul- und Kirchenrecht, das Beamtenrecht und das sonstige Recht des öffentlichen Dienstes, das öffentliche Bau- und Wohnungsrecht, das Hochschulrecht sowie das Straßenverkehrsrecht. Zunehmende Bedeutung haben das Ausländer- und Asylrecht erlangt.

In Klageverfahren wird die Rechtmäßigkeit des Handelns oder Unterlassens der Verwaltung überprüft. Das Ergebnis wird durch ein Urteil ausgesprochen, das in der Regel nach einer mündlichen Verhandlung ergeht.

Bei seinen Entscheidungen ist das Verwaltungsgericht – anders als die Zivilgerichte –nicht an den Vortrag der Beteiligten gebunden. Es ermittelt vielmehr den Sachverhalt von Amts wegen; hierbei haben die Beteiligten mitzuwirken.

Verwaltungsgericht Berlin (Moabit)

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. – DGUV

Seit dem 1. Juni 2007 werden die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbände von dem gemeinsamen Spitzen­verband Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV) vertreten.

Der DGUV ist der Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Er nimmt die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder wahr und fördert deren Aufgaben zum Wohl der Versicherten und der Unternehmen. Der Verband vertritt die gesetzliche Unfallversicherung gegenüber Politik, Bundes-, Landes-, europäischen und sonstigen nationalen und internationalen Institutionen sowie Sozialpartnern.

Organe der DGUV als eingetragener Verein sind die Mitgliederversammlung und der Vorstand. Beide sind wie die Selbstverwaltung der Unfallversicherungsträger paritätisch besetzt. Die Mitgliederversammlung, das Parlament der DGUV, berät und entscheidet mindestens einmal jährlich über Grundsatzfragen. Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung gewählt. Er führt die Geschäfte der DGUV und wählt den Haupt­geschäftsführer.

Der Verband nimmt unter grundsätzlicher Wahrung der Selbstständigkeit seiner Mitglieder unter anderem folgende Aufgaben wahr (Auszug):

  • Durchführung, Koordinierung und Förderung gemeinsamer Maßnahmen sowie der Forschung auf dem Gebiet der Prävention von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren; zur Unterstützung der Präventions­arbeit des Verbandes und der Mitglieder kann der Verband zeitweilig Fachgruppen beziehungsweise Fachausschüsse bilden
  • Vorbereitung und Ausarbeitung von Muster-Unfallverhütungsvorschriften sowie deren Pflege, Mitwirkung beim Erlass von Unfallverhütungsvorschriften und Hin­wirkung auf Rechtseinheitlichkeit
  • Durchführung, Koordinierung und Förderung der Forschung auf den Gebieten der Rehabilitation und der Kompensation
  • Weiterentwicklung des Berufskrankheitenrechts
  • Entscheidung von allen grundsätzlichen Fach- und Rechtsfragen zur Sicherung der einheitlichen Rechtsanwendung in der gesetzlichen Unfallversicherung sowie fach­liche Beratung und Information der Mitglieder, Förderung des Erfahrungsaustauschs unter den Mitgliedern
  • Empfehlungen für die Klassifikationen zur Bildung von Gefahrtarifen
  • Erstellung von Grundsätzen für die Erhebung von Daten, Aufbereitung und Bereitstellung von Statistiken für die Mitglieder, für Gesetzgebung, Forschung und Öffentlichkeit sowie zur Erfüllung verbandseigener Aufgaben
  • Koordinierung der Datenverarbeitung
  • Durchführung und Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit einschließlich der Herausgabe von Informationen zur gesetzlichen Unfallversicherung, Entwicklung von Grundsätzen für regionale und trägerspezifische Medien sowie Beteiligung an Messen und Kongressen

Die Organisationsstruktur der gesetzlichen Unfallversicherung ist von zwei Prinzipien geprägt: Selbstverwaltung und Mitbestimmung.

In den Selbstverwaltungsgremien aller Träger der gesetzlichen Unfallversicherung – und ihres Verbandes DGUV – sind sowohl die Arbeitgeber als auch die Versicherten (Arbeitnehmer) mit jeweils gleicher Stimmenzahl (paritätisch) vertreten. Hinzu kommt, dass sich die Struktur der Mitgliedsunternehmen (Dienstleistung, Handwerk, Industrie) in der Zusammensetzung der Selbstverwaltung widerspiegelt. Somit ist ein Höchstmaß an Repräsentanz und unterschiedlichen Interessenlagen in der Selbstverwaltung sicher­gestellt – dies wirkt sich auf die Akzeptanz der beschlossenen Maßnahmen aus.

Die Mitgliederversammlung des Verbandes DGUV setzt sich aus Vertretern der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zusammen. Die Mitgliederversammlung wählt den Vorstand der DGUV.

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