Von Michael Weinmann, Wilfried Nisch, Alfred Stett und Volker Bucher,
Für die Therapie- und Diagnoseverfahren neuronaler Erkrankungen werden vermehrt elektrisch aktive Implantate entwickelt und klinisch getestet, wie beispielsweise Netzhautimplantate zur Wiederherstellung von Sehvermögen und Hirnimplantate zur invasiven Epilepsiediagnostik. Aufgrund der für diese Anwendungen erforderlichen Miniaturisierung und mechanisch flexiblen Bauformen müssen flexible und diffusionsdichte Verkapselungsschichtsysteme entwickelt werden, die ein Eindringen von Körperflüssigkeit an
DC-spannungsführenden Elektronikkomponenten und damit den Ausfall der Mikroimplantate durch Korrosion verhindern. Das NMI hat in Zusammenarbeit mit IMTEK ein Verfahren entwickelt, welches durch eine geeignete Wahl und Kombination von biokompatiblen Polymeren (Polyimid, Parylen) und anorganischen Wasserdampfbarriereschichten die Herstellung einer flexiblen und langzeitstabilen Verkapselungsschicht erlaubt. Mit Hilfe von flexiblen Dünnschichtfeuchtesensoren kann die Dichtigkeit der Verkapselungsschichten kostengünstig bestimmt werden. Die Feuchtesensoren sollen später zur Überwachung der Implantatfunktion in reale Implantate integriert werden.
Encapsulating layers with long-term stability and integrated moisture sensor for active micro-implants
Electrically active implants are being increasingly developed and clinically tested for the treatment and diagnosis of neural diseases. These include retinal implants for restoration of vision and brain implants for invasive diagnosis of epilepsy. Given the miniaturisation required in such applications and the mechanical flexibility with which they are designed, flexible and impermeable encapsulation coatings have been developed. These prevent ingress of body fluids which would interfere with the DC voltage-powered electronics and also act to prevent corrosion. A process is presented by means of which a selection and combination of biocompatible polymers (polyimide, parylene) and inorganic water vapour barrier layers allow construction of flexible encapsulants with long-term stability. In addition, the formation and characterisation of flexible, thin-film humidity sensors is described. Using these, the integrity of the encapsulating layers can be cost-effectively monitored. These moisture sensors will, in due course, be incorporated into actual implants, there to monitor their functioning.
1 Einleitung
Der Einsatz von elektrisch aktiven Implantaten trägt dazu bei, die Lebensqualität von vielen Menschen zu verbessern. Elektrisch aktive Implantate haben sich im klinischen Einsatz bereits bestens bewährt und ermöglichen es, Körperfunktionen, die durch Erkrankungen oder Unfälle ausgefallen sind, zu ersetzen beziehungsweise wiederherzustellen, wie beispielsweise:
- Herzschrittmacher sind heute ein Standard-Medizinprodukt, das den Patienten wieder ein weitgehend normales Leben erlaubt. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2010 über 70 000 Herzschrittmacher implantiert [1]
- Hirnstimulatoren werden unter anderem bei Parkinson-Patienten eingesetzt, um über Tiefenhirnstimulation Tremor und Dyskinesien zu unterdrücken. Weltweit befanden sich im Jahr 2010 bereits über 70 000 Hirnstimulatoren im Einsatz [2]
- Cochlea-Implantate haben es möglich gemacht, dass sogar taub geborene Kinder wieder hören und somit das Sprechen lernen können. Diese Implantate für innenohrbedingte Taubheit sind eine bewährte Behandlungsmethode, die es Gehörlosen erlaubt, wieder mit ihren Mitmenschen kommunizieren zu können. Mittlerweile sind weltweit über 100 000 Cochlea-Implantate im Einsatz [3].
In jüngster Zeit wird an der Entwicklung von hochkomplexen intelligenten Mikroimplantaten geforscht, in denen miniaturisierte Sensorik-, Aktorik- und Signalverarbeitungskomponenten integriert sind. Die sich derzeit in Entwicklung befindenden Retina-Implantate (Abb. 1a) können der Kategorie der intelligenten Mikroimplantate zugeordnet werden. Diese Sehprothesen sollen Menschen, die aufgrund einer Degeneration der Photorezeptoren der Netzhaut erblindet sind (Retinitis Pigmentosa) einen zwar eingeschränkten, aber dennoch für den Alltag ausreichenden Seheindruck ermöglichen. Bei den subretinalen Implanten wird ein 3 x 3 mm2 großer Chip mit einem Mikrophotodiodenarray (1500 Photodioden und Stimulationselektroden) unter die Netzhaut gesetzt [4]. Die Photodioden ersetzen dabei die abgestorbenen Photorezeptoren. Das einfallende Licht wird in ein elektrisches Signal umgewandelt und über die Stimulationselektroden an den Sehnerv weitergegeben. Erste klinische Versuche sind erfolgt und ermöglichten einigen Probanden beispielsweise 8 cm große Buchstaben aus einer Entfernung von 60 cm zu erkennen [5], sich in einer Gaststätte zurecht zu finden oder nach Jahren der Blindheit die eigene Tochter wieder zu sehen.
Abb. 1: a) Retina-Implantat, b) Hirnimplantat zur Hirnstromableitung im Tierexperiment
Etwa 250 000 Menschen erleiden jährlich einen Schlaganfall. Bis zu 60 % der Patienten können nach dem Schlaganfall ihre Hand und ihren Arm nicht wieder im Alltagsleben einsetzen [6]. Am NMI wird in einem vom BMBF geförderten Verbundprojekt ein intelligentes Mikroimplantatsystem für ein Assistenzsystem entwickelt, das zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Hand eingesetzt werden kann (kortikal gesteuertes, integriertes Assistenzsystem zur adaptiven Stimulation für die Wiederherstellung der Greiffunktion der Hand – KOGINAST [7]). Das Implantat soll vollständig in den Schädel implantiert werden und eine kontinuierliche Hirnsignalmessung am motorischen Kortex ermöglichen. Aus den abgeleiteten Hirnsignalen soll die jeweilige Bewegungsintention des Patienten extrahiert und durch die elektrische Stimulation der Unterarm- und Handmuskulatur Greifreflexe stimuliert werden. Es besteht die Hoffnung, dass damit die für die Lebensqualität des Patienten wesentlichen Handfunktionen (Öffnen der Hand, Greifen und Halten) wieder zurück gewonnen werden können. Abbildung 1b zeigt eine aktuelle Testversion eines intrakraniellen Gehirnimplantats, welches im Tierexperiment erprobt wird.
2 Verkapselungstechnologie
Intelligente Implantate müssen gegen die salzhaltige Körperumgebung geschützt werden. Die große Herausforderung ist hier, Schichtsysteme zu finden, die quasi hermetisch dicht sind wie beispielsweise das Metallgehäuse eines Herzschrittmachers, im Gegensatz dazu aber mechanisch flexibel und dünn sein müssen. Die Verkapselungsschicht stellt die Schnittstelle zwischen dem Implantat und dem Körpergewebe dar. Sie muss daher notwendigerweise einen hohen Grad an Biokompatibilität aufweisen, um Abstoßungsreaktionen des Körpers zu verhindern. Des Weiteren ist eine hohe Biostabilität der Verkapselung erwünscht. Durch Wechselwirkungen zwischen dem Implantatmaterial und dem Körpergewebe /-Elektrolyten dürfen keine Strukturveränderungen auftreten, welche die Funktionsfähigkeit des Implantats beeinträchtigen. Der Wunsch ist, über diffusionsdichte Verkapselungen eine Implantationsdauer von ungefähr 10 Jahren zu erreichen, also über diesen Zeitraum die empfindliche Elektronik vor dem aggressiven Körperelektrolyten zu schützen.
2.1 Ausfallerscheinungen
Durch eintretenden Wasserdampf in Verbindung mit ionischen Verunreinigungen auf der Chipoberfläche (beispielsweise aufgrund von Flussmittelrückständen) und DC-führenden Leiterbahnen können verschiedene Ausfallerscheinungen hervorgerufen werden [8]:
- Elektromigration – Kurzschlüsse zwischen Leiterbahnen durch Dendritenbildung (Abb. 2a)
- Elektrochemische Korrosion von Leiterbahnen und Elektroden (Abb. 2b)
- Galvanische Korrosion an Materialpaarungen (z. B. Au-Draht auf Al-Bond)
- Leckströme zwischen Leiterbahnen
- Elektrolytische Zersetzung von H2O an DC-führenden Leiterbahnen mit anschließender Gasbildung und Abtragung von Isolationsmaterial von Leiterbahnen
Abb. 2: a) Elektromigration b) Korrosion von Goldleiterbahnen in Polyimidbändchen
Die Korrosionsvorgänge können jedoch nur starten, wenn auf dem Substratmaterial ein dünner Wasserfilm kondensiert ist, indem die Metallionen transportiert werden können. Der Taupunkt ist daher ein kritischer Parameter, der die Menge an kondensiertem Wasser im Implantatvolumen bestimmt. Die Korrelation zwischen anliegendem Druck, Taupunkttemperatur und kritischer Wassermenge ist in Abbildung 3 gezeigt.
Abb. 3: Taupunkt-Nomogramm [9]
Aus dem Taupunkt-Nomogramm lässt sich entnehmen, dass im Implantatvolumen eine Wassermengenkonzentration von 6000 ppm vorhanden sein muss, damit bei einem anliegenden Druck von 1 Atmosphäre und einer Temperatur von 0 °C Kondensation auftreten kann. Nach dieser Theorie sollte die Verkapselung so konzipiert sein, dass sich maximal eine Wasserkonzentration von 5000 ppm im Implantatvolumen ansammeln kann. Die Taupunkttemperatur wäre dann unterhalb vom Gefrierpunkt (0 °C) und kondensiertes Wasser würde Eiskristalle bilden und nicht in flüssiger Form vorliegen, so dass Korrosionsvorgänge minimiert werden können.
Mittels Gleichung (1) kann die Lebensdauer eines Implantats, also die Zeit, bis eine kritische Wasserkonzentration erreicht wird, abgeschätzt werden [9]:
mit:
t benötigte Zeitdauer bis H2O-Konzentration anliegt
V freies internes Implantatvolumen in cm3
QH2O eindiffundierte Menge H2O in atm
∆piH2O initiale H2O-Partialdruckdifferenz in atm
LH2O Wasserleckrate durch Verkapselung in atm-cm3/s
Betrachtet man zum Beispiel ein Mikroimplantat mit einem Volumen von V = 1 cm3, eine anfängliche Partialdruckdifferenz für Wasser von 0,061 atm (H2O-Partialdruck im menschlichen Körper), eine Leckrate für Wasser durch die Verkapselung von 4,71 · 10-8 atm-cm3/s und eine Temperatur von 37 °C, so dauert es etwa 24 Tage bis sich in dem Implantatvolumen eine Wasserkonzentration von 5000 ppm angesammelt hat. Die Korrosionsvorgänge starten jedoch erst sehr viel später, da hierfür eine höhere Wasserkonzentration als 5000 ppm vorhanden sein muss.
2.2 Verkapselungskonzepte für flexible Mikroimplantate
Die gleichspannungsführenden Elektronikteile von flexiblen Mikroimplantaten müssen durch ein geeignetes Verkapselungssystem von der biologischen Umgebung isoliert werden, um die korrosiven Vorgänge und die dadurch hervorgerufenen Implantatausfälle zu unterbinden.
Hermetisch starre Gehäuse wie sie bei der Verkapselung von makroskopischen Implantaten (z. B. Herzschrittmacher) verwendet werden, kommen für die Verkapselung von flexiblen Mikroimplantaten nicht in Frage. Die Gehäuse sind für den angestrebten Einsatzort zu voluminös und würden keine flexible Anpassung des Implantats an das umliegende Körpergewebe erlauben.
Daher müssen für die Mikroimplantate neuartige, flexible Verkapselungsschichten entwickelt werden, die einen langzeitsicheren Betrieb (>10 Jahre) gewährleisten. Hier hat die Schichthaftung eine Schlüsselfunktion. Man muss dafür sorgen, dass eine Kondensation von Wasser zwischen der Verkapselung und dem Substratmaterial ausgeschlossen werden kann. Es muss also eine hydrolysestabile Verbindung von Substratmaterial zur Beschichtung bestehen. Ferner sollten die Verkapselungsschichtsysteme aber trotz Flexibilität möglichst die gleichen Dichtheitswerte wie hermetische Gehäuse aufweisen. Das Ziel ist eine Wasserdampfdurchlässigkeit (WVTR) im Bereich 10-6 g/m2d.
Abbildung 4 zeigt für verschiedene Materialklassen und Schichtdicken die benötigte Zeitdauer, bis der Wasserdampf durch die Verkapselungsschicht diffundiert ist und in einem definierten Volumen eine relative Luftfeuchte von 50 % anliegt [10].
Wie aus Abbildung 4 zu entnehmen ist, weisen polymere Materialien auch bei hohen Schichtdicken im Zentimeterbereich eine zu große Wasserdampfdurchlässigkeit auf, so dass sich bestenfalls Dichtheitswerte im Tagebereich erreichen lassen.
Man weiß aber aus der Lebensmittelverpackungstechnik, dass die Wasserdampfdurchlässigkeit von PET-Folien durch die Beschichtung mit einer 100 nm dicken Siliziumoxidschicht um mehr als den Faktor 10 vermindert werden kann. Es liegt also nahe, die Erkenntnisse aus der Lebensmittelverpackungstechnik auf intelligente Implantate anzuwenden. Hinzu kommen bei diesem Transfer jedoch die Anforderungen an Biokompatibilität und Biostabilität. Man versucht, biokompatible Polymere mit Zwischenlagen einer anorganischen Schicht auszustatten. Wenn die Lagen der Schichtstapel dünn genug sind (einige 100 nm) sollte die Flexibilität erhalten bleiben, die aufsummierten Dicken der anorganischen Barrierelagen jedoch eine ausreichende Diffusionsbarriere schaffen.
Die anorganischen Wasserdampfbarriereschichten werden über PVD-Sputtern beziehungsweise PECVD-Prozesse abgeschieden. Als Polymere werden Polyimid und Parylene eingesetzt. Polyimide kommen bei der Verkapselung von Neuroimplantaten bereits zum Einsatz. Parylen besitzt sehr gute elektrische Isolationseigenschaften, da es sehr defektfrei aufwächst. Es wird über einen Vapor-Deposition-Polymerisationsprozess hergestellt, weist eine hohe Spaltgängigkeit auf und kann dadurch Pinholes in anderen Schichtmaterialien schließen.
Abbildung 5a veranschaulicht das am NMI angewandte Verkapselungskonzept am Beispiel eines flexiblen Folienimplantats und Abbildung 5b zeigt einen Schichtquerschnitt (Focused Ion Beam: FIB) einer realen Verkapselungsschicht.
Die Dichtigkeit der realisierten Verkapselungsschichtsysteme wurde mit einem am NMI entwickelten Permeationsmessgerät getestet. Die besten Verkapselungsschichten zeigten eine Wasserdampfdurchlässigkeit (WVTR) von 9,0 · 10-4 g/m2d. Das entspricht einer Verbesserung der Barriere-
wirkung (Barrier Improvement Factor BIF) gegenüber einem reinen polymeren Polyimidsubstrats um den Faktor 5000.
3 Feuchtesensoren zur Dichtigkeitsprüfung
Wie oft in der Beschichtungstechnik gilt es nachzuprüfen, ob die Schichtqualität von einem flachen Substrat auf reale Implantat-Flexboards mit aufgelöteten Elektronikbauteilen übertragen werden kann. Dies kann durch einen integrierten Feuchtesensor geschehen, welcher als weiteres Elektronikbauteil mit großer Wahrscheinlichkeit den gleichen Feuchtezuwachs in seiner Umgebung erfährt wie die anderen Elektronikbauteile oder Leiterbahnen. Andererseits wäre es auch denkbar, dass dieser Sensor dazu dient, beginnende Leckagen zu detektieren und über eine telemetrische Signalübertragung eine Warnung an den Patienten oder Arzt abgibt, dass das Implantat getauscht werden muss.
Hierzu wurden flexible Dünnschichtfeuchtesensoren entwickelt und hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit, Temperaturstabilität und Ansprechzeit charakterisiert. Die miniaturisierten Sensoren können in die Verkapselungsschichten integriert werden. Dadurch kann der Wassergehalt unterhalb der Schichten kontinuierlich überwacht werden. Abbildung 6 zeigt den schematischen Aufbau eines Feuchtesensors im unverkapselten Zustand.
Im nicht verkapselten Zustand kann der Wasserdampf aus der umliegenden Raumluft durch die quadratischen Öffnungen in der Deckelelektrode in das polymere Dielektrikum eindiffundieren. Dabei ändert sich die Dielektrizitätskonstante und somit die Kapazität der kondensatorähnlichen Struktur. Die Kapazität ist somit eine Funktion der relativen Feuchte. Das Verfahren zur Herstellung der Feuchtesensoren ist in Abbildung 7 gezeigt und wird im Folgenden kurz erläutert:
- Reinigung von Glas-Substraten
- PVD-Sputtern von dünner Grundelektrode (Ti/Au)
- Belichten von Positiv-Resist über Maske
- Entwickeln
- Freiätzen von Elektrode und Kontaktierung in Plasmaanlage (O2/CF4-Gasgemisch)
- Aufbringen von Dielektrikum (Polyimid) über Aufschleuderverfahren
- Strukturierung von Deckelelektrode (Schritte 2-6 bei Grundelektrode)
- gegebenenfalls Beschichtung von Sensor mit Verkapselungsschicht
Abbildung 8 zeigt einen Ausschnitt der Deckelelektrode mit ihren etwa 20 µm großen Zugangsöffnungen für das Wasser bei 500-facher beziehungsweise 3700-facher Vergrößerung.
Die hergestellten Feuchtesensoren wurden zunächst im unverkapselten Zustand auf ihre Feuchteempfindlichkeit und auf
ihr dynamisches Verhalten hin untersucht. Dazu wurden die relative Feuchten über dem Gasraum der Feuchtesensoren mittels kalibrierten Salzlösungen eingestellt und die Kapazitätswerte nach Erreichen des Gleichgewichts aufgezeichnet. Zwei Sensorkennlinien sind in Abbildung 9 gezeigt. Die Sensoren weisen lineare Kennlinien und eine hohe Empfindlichkeit von bis zu 0,84 pF/% RH auf.
Da diese Sensoren später einmal zur Überwachung der Implantatverkapselung eingesetzt werden könnten, müssen sie auch entsprechende Beschichtungsprozesse und damit einhergehende Temperaturbelastungen unbeschadet überstehen können. Daher wurde bei einem Sensor die Kennlinie unmittelbar nach der Herstellung aufgenommen, um ihn anschließend für eine Stunde bei einer Temperatur von 350 °C auszuheizen. Die Rote Kennlinie in Abbildung 9 zeigt das Sensorverhalten nach der Temperaturbelastung. Der Feuchtesensor wurde also durch die hohen auftretenden Temperaturen nicht zerstört, er zeigt nach wie vor ein feuchtesensitives Verhalten. Der Offset zwischen den beiden Kennlinien (vor und nach Temperaturbelastung) lässt sich wahrscheinlich durch die verminderte Wasserkonzentration im Dielektrikum aufgrund des Ausheizprozesses erklären.
Die Ansprechzeit des unverkapselten Sensors wurde ermittelt, indem ein Feuchtesprung von 33 % RH auf 85 % RH im Gasraum über der Sensoroberfläche angelegt wurde. Die Ansprechzeit liegt bei etwa 2 Minuten und ist dabei etwa gleich groß wie die Ansprechzeiten bei kommerziellen Feuchtesensoren.
Das dynamische Sensorverhalten, das heißt die Kapazitätsänderung mit der Zeit, konnte durch eine FEM-Simulation der Wasserdiffusion im Dielektrikum und unter Zuhilfenahme der Looyenga-Gleichung zufrieden stellend erklärt werden (Abb. 10).
Mit Hilfe dieser Feuchtesensoren wurden Verkapselungsschichten (Polyimid, Polyimid-Titan-Schichten) hinsichtlich Wasserdampfdurchlässigkeit untersucht (Abb. 11).
Der unverkapselte Sensor ist cirka 3 Minuten nach der Beaufschlagung der Sensoroberfläche mit Wasser in Sättigung. Beim mit Polyimid verkapselten Sensor verlängert sich die Ansprechzeit auf etwa 5 Stunden und bei der Polyimid-Titan-Verkapselungsschicht ist im betrachteten Messzeitraum keine Reaktion des Feuchte-
sensors feststellbar. Diese Ergebnisse korrelieren mit entsprechenden Permeationsmessungen, die an gleichen Verkapselungsschichten mit dem am NMI vorhandenen Permeationsmessgerät durchgeführt worden sind.
Die Größe der Ansprechzeit scheint ein geeigneter Parameter zu sein, mit dem die Dichtigkeit der Verkapselungsschichten quantifiziert werden kann. Die zukünftigen Arbeiten konzentrieren sich auf die Untersuchung der Langzeitstabilität der Feuchtesenoren, da diese später in realen Implantaten eingesetzt werden sollen und daher über den Implantationszeitraum keinen Drift in der Sensorkennlinie zeigen dürfen.
5 Zusammenfassung
Verkapselungsschichten aus einem Verbund aus Polyimid-, Parylen- und anorganischen Barriereschichten zeigen viel versprechende Eigenschaften hinsichtlich ihrer Wasserdampfbarriereeigenschaften. Die besten Schichten weisen eine Wasserdampfdurchlässigkeit von weniger als 0,001 g/m2d auf.
Die entwickelten Feuchtesensoren sind dazu geeignet, Verkapselungen sowohl in der Entwicklung und Zulassungsphase, aber auch im realen Implantateinsatz als Sicherungsfunktion zu überwachen. Des Weiteren stellt die Verwendung der Feuchtesensoren eine kostengünstige alternative Testmethode zur Dichtigkeitsprüfung dar, mit der auch komplexere 3D-Bauteile, welche durch die Geometrie bedingt nicht im Diffusionsmessstand auf ihre Barrierewirkung hin untersucht werden können.
Danksagung
Ein Teil der Arbeiten wurde und wird in den BMBF-Verbund-Projekten INCRIMP (FKZ: 16SV3782), KOGINAST (16SV5823) und im Begleitforschungsprogramm INTELLIGENTE IMP-LANTATE (FKZ: 16SV5009) durchgeführt. Wir bedanken uns für die Unterstützung.
Referenzen
[1] www.pacemaker-register.de
[2] Stieglitz, T.: Biomedizinische Technik heute; Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz,2010
[3] Stieglitz, T.: Manufacturing, assembling and packaging of miniaturized neural implants; Microsyst Technol (2010), 16, 723-734
[4] Zrenner E., Hämmerle H.: Sehchips – Hoffnung für Blinde; Spektrum der Wissenschaft Spezial: Moderne Medizin (2004), 20-25
[5] Zrenner E., Bartz-Schmidt K.-U., Benav H., Besch D., Bruckmann A., Gabel V.-P., Ge-keler F., Greppmaier U., Harscher A., Kibbel S., Koch J., Kusnyerik A., Peters T., Stingl K., Sachs H., Stett A., Szurman P., Wilhelm B, Wilke R. : Subretinal electronic chips allow blind patients to read letters and combine them to words. Proc. R. Soc. B (2011) 278, 1489–1497
[6] Kwakkel, G.: Probability of regaining dexterie in the flaccid upper limb: impact of severity of paresis and time since onset in acute stroke, 2003.
[7] http://www.nmi.de/nc/ueber-uns/aktuell/
presse-news/detailseite-news/artikel/
13072012-nmi-startet-koginast-hoffnung-fuer-viele-schlaganfallpatienten/
[8] Osenbach J.: Corrosion-induced degradation of microelectronic devices, Semicond. Sci. Technol. 11 (1996), 155-162
[9] Greenhouse H.: Hermeticity of electronic packages, William Andrew Publishing; Auflage: 2nd edition. (1. September 2011)
[10] David D. Zhou: Implantable Neural Prostheses 2, Springer Verlag (2009)
DOI: 10.7395/2012/Weinmann1
t = – V (ln(1 – QH2O ))(1)
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Abb. 4: Permeationswerte für verschiedene Materialklassen [10]

Abb. 5: a) Verkapselungskonzept b) FIB-Querschnitt einer Verkapselungsschicht

Abb. 6: Schema des Feuchtesensors
Abb.7: Herstellungsverfahren Feuchtesensor


Abb. 8: REM-Bilder, Draufsicht auf Deckelelektrode

Abb. 11: Ansprechverhalten von verkapselten Sensoren (Polyimid 5 µm, Polyimid-Titan 5 µm bis 100 nm)


Abb. 9: Feuchtesensorkennlinien
Abb. 10: Ansprechzeit von Feuchtesensor